Von Christian KnatzKREIS BERGSTRASSE - Michael Obermair aus Heppenheim, Jahrgang 1965, und Tobias Fischer aus Bensheim, Jahrgang 1988, sind in die Kreistagsfraktion der Bergsträßer FDP übergetreten. Der einstimmige Beschluss, die beiden im Sommer aus der AfD und deren Kreistagsfraktion ausgetretenen Abgeordneten aufzunehmen, fiel am Mittwochabend in einer Fraktionssitzung, wie der Fraktionsvorsitzende Christopher Hörst dieser Zeitung auf Anfrage mitteilt. Der Wechsel sei bereits dem Kreistagsvorsitzenden, dem Kreistagsbüro und dem Landrat mitgeteilt worden.
Widerspruch habe es in der nunmehr siebenköpfigen Fraktion nicht gegeben, erklärte Hörst, wohl aber kritische Fragen zur politischen Vergangenheit von Obermair und Fischer. "Es sind engagierte Leute", das belege die Arbeit beider vor ihrem Beitritt zur AfD. Fischer unter anderem als ehemaliger Schulsprecher, Obermair als früherer Elternbeirat an der Martin-Buber-Schule und Förderer der "Talent Company" der Strahlemann-Stiftung hätten gerade auf dem Feld der Integration viel geleistet. Das unterscheide sie von der AfD, die Christopher Hörst eine "faschistisch-völkische Gruppe" nennt.
- Hier und da
Till Mansmann bleibt in der Bergsträßer Kreistagsfraktion der FDP. Auch nach seinem Einzug in den Bundestag über die Landesliste seiner Partei behält er zudem das Amt des stellvertretenden Kreistagsvorsitzenden. "Er ist ein Zeit-Genie", sagt Christopher Hörst, der die Kreistagsfraktion führt. Es werde sich zeigen, wie sich der Arbeitsaufwand für den Bundestag mit Lokalpolitik vereinbaren lasse.
- Kommentar: Im Einzelfall
Christian Knatz zum Übertritt von AfD zur FDP
Aus dieser Nummer kommt die Bergsträßer FDP nicht heraus. Wer sich als Listenkandidat einer Partei in ein Parlament wählen lässt und dann zu einer anderen Partei plus Fraktion wechselt, der stößt mindestens einen Teil seiner Wählerschaft vor den Kopf. Ihre neue Stärke ist der Kreis-FDP in den Schoß gefallen. Wie man mit politischer Metamorphose seine Anhänger übers Ohr haut, hat ja ausgerechnet die ehemalige AfD-Frontfrau Frauke Petry in Berlin gerade gezeigt. Anerkennung verdient die Offenheit der Bergsträßer Liberalen für die AfD-Abtrünnigen dennoch. Andere halten es schon für Politik, angesichts der neuen Partei "Nazis raus" zu rufen und sich die Ohren zuzuhalten. Dafür, dass die Funktionäre der Alternative für Deutschland (und erst recht deren Wähler) eine gerechte Betrachtung des Einzelfalls verdienen, scheinen Michael Obermair und Tobias Fischer gute Beispiele zu sein. Wer auch ehemalige Sympathisanten der nach rechts driftenden Partei für nichts als verlorene Seelen hält, arbeitet mit an der Spaltung des Landes. Die praktische Arbeit im Bergsträßer Kreistag wird zeigen, wer sich hier wem angenähert hat.
Christian.Knatz@vrm.de
Allerdings sei die Alternative für Deutschland zur Gründungszeit eine wirtschaftsorientierte Partei gewesen, und von Teilen der FDP sei deren Kritik an der Euro-Rettung geteilt worden. Der frühere Bergsträßer Landtagsabgeordnete Roland von Hunnius sei dafür ein Beispiel.
Es ehre Obermair und Fischer, "dass sie den aktuellen Kurs der AfD nicht mittragen wollten", sagt Hörst. Fischer ist seit kurzem FDP-Mitglied und Angehöriger der FDP-Fraktion in der Bensheimer Stadtverordnetenversammlung. Obermair hat nach Angaben der Liberalen die Mitgliedschaft beantragt. Beide hätten sich die Chance auf eine politische "Resozialisierung" verdient, findet Hörst. Sie zeigten "keinerlei rechte Tendenzen". Ihren Rückzug aus der AfD-Fraktion hatten sie mit persönlichen Differenzen zu Rolf Kahnt begründet, Vorsitzender der Bergsträßer AfD und ihrer Kreistagsfraktion. Dieser hatte gegenüber dieser Zeitung seinerseits von Tendenzen in der Bergsträßer Partei gesprochen, die er nicht mittragen könne.
Kahnts Vorwurf, mit dem Ausscheren Obermairs und Fischers aus der nunmehr nur noch neunköpfigen AfD-Fraktion werde der Wählerwille verfälscht, ficht Hörst nicht an. Zwar seien beide als Kandidaten auf der AfD-Liste in den Kreistag gekommen. Sie hätten indes auch als Persönlichkeiten viele Stimmen auf sich gezogen.
Vorsitzender Hörst rechnet mit Anfeindungen
Das Wahlsystem mit den Möglichkeiten, Kandidaten zu streichen oder mit mehr als einer Stimme zu bedenken, mache ihre Wahl auch zu einem "persönlichen Ergebnis". Er würde sein Mandat auch mitnehmen (auch wenn er nicht an einen Wechsel dächte), sagt Hörst, und damit der vom Wähler übertragenen Verantwortung gerecht werden. Darum gehe es in der durch den Zugewinn bedeutend gewachsenen FDP-Fraktion im Bergsträßer Kreistag.
Anfeindungen wegen der Aufnahme der früheren AfDler habe seine Partei erwartet, sagt Hörst. "Wir stehen das durch."
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