Von Christian HoffmannLAMPERTHEIM - „Sie können die Fragen stellen, die Sie schon immer mal stellen wollten: Wie geht Bücherei allgemein? Wie geht Bücherei in Lampertheim?“, ermutigte Leiterin Barbara Burkard. Im Sortiment stöbern und schmökern, von A bis Z auf bibliophile Entdeckungsreise gehen – diese Möglichkeit bot sich den Besuchern bei der „zweiten langen Nacht der Bücher“ in der Lampertheimer Stadtbücherei im Haus am Römer.
An der Wand neben den Regalen mit den Werken über Erdkunde, Religion und Kunst hängt in der Stadtbücherei eine überdimensionale Armbanduhr, die verlässlich über die Zeit informiert. Für die musikalische Eröffnung sorgte ein fünfköpfiges Gitarren-Ensemble der Musikschule unter Leitung von Lehrer Rudi Weinacker. Anschließend stellte Mitarbeiterin Regina Gleich im weißen Wintergarten im ersten Stockwerk ausgewählte Romane vor – aktuelle und ältere Werke.
In der TV-Sendung „Kulturzeit“ auf 3sat war jüngst ein Beitrag über die hochmoderne Bibliothek „Dokk1“ im dänischen Aarhus zu sehen. „Die Neuerfindung einer klassischen Institution“ nannte die Kulturzeit dieses Haus der Schriften. Eine zukunftsweisende Wissenskammer und größte Bibliothek in Skandinavien. Demgegenüber steht die Schließung von 343 Bibliotheken innerhalb von fünf Jahren in England.
Viele Geisteswissenschaftler bezeichnen Bibliotheken und Archive gerne als „kulturelles Gedächtnis“. Doch Büchereien sind nicht bloß Lagerstätten für Geschriebenes, sondern lebendige Orte der Begegnung, an denen das Herz aufgeht. „Man sollte alles lesen. Mehr als die Hälfte unserer heutigen Bildung verdanken wir dem, was wir nicht lesen sollten“, zitierte Mitarbeiterin Regina Gleich den irischen Schriftsteller Oscar Wilde, der von 1854 bis 1900 lebte. Neben sich auf dem Tisch stellte Literaturkritikerin Gleich, die Germanistik an der Mannheimer Universität studiert hat, einen Stapel Romane ab.
Zuerst analysierte Sprachwissenschaftlerin Regina Gleich den Roman „Was vom Tage übrig blieb“ des japanischen Schriftstellers Kazuo Ishiguro, seit dem vergangenen Jahr Träger des Literaturnobelpreises. „Es ist die Geschichte des Butlers Stevens. Anfangs fand ich es langweilig – schön geschrieben, aber langweilig“, urteilte Bibliothekarin Gleich. „Es ist ein gesellschaftskritischer Roman.“ Im Jahre 1993 erschien eine Verfilmung dazu mit den Schauspielern Emma Thompson und Anthony Hopkins.
Außerdem besprach Kritikerin Regina Gleich den Roman „Tyll“ von Daniel Kehlmann, der am 4. Juli im Deutsch-Amerikanischen Institut in Heidelberg eine Lesung halten wird. Um was dreht sich die Erzählung „Tyll“? „Dieses Buch spielt in der Zeit des 30-jährigen Kriegs“, erläuterte Bibliothekarin Gleich. „Man bekommt dadurch Lust, mehr über den 30-jährigen Krieg zu lesen.“ Ein schöneres Kompliment kann man einem Titel kaum machen: In diesem Zusammenhang empfahl Rednerin Regina Gleich ihren Zuhörern das thematisch weiterführende Sachbuch „Der Dreißigjährige Krieg: Als Deutschland in Flammen stand“ von Publizist Christian Pantle.
Während der Nacht der Bücher klärte darüber hinaus an einem Informationsstand die Bürgerin Marion Justen über das Thema „Vermeidung von Plastik im Hausmüll“ auf.
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