Von Michael Erfurth MAINZ - Der Bibelturm des Mainzer Gutenberg-Museums wird nicht gebaut. Beim ersten Bürgerentscheid in der Geschichte der Landeshauptstadt votierte mit 77,3 Prozent (49.663 Abstimmungsberechtigte) eine deutliche Mehrheit gegen die Errichtung des geplanten Erweiterungsbaus. Nur 22,7 Prozent (14.555) sagten „Ja“ zu der vom Stadtrat vorgegebenen Frage.
Spannend war auch die Frage, ob das notwendige Quorum von 15 Prozent der Abstimmungsberechtigten erreicht wird. Dafür mussten mindestens 24.182 Stimmen, die sich dafür oder dagegen positionieren, abgegeben werden. Doch das Interesse am Bibelturm ist so groß, dass von den 161.213 Abstimmungsberechtigten sogar 40 Prozent (64.218) am Urnengang teilgenommen haben.
- Bisherige Planung
Das bislang geplante Gebäude sollte rund 23 Meter hoch werden und dem Museum 400 Quadratmeter an zusätzlicher Ausstellungsfläche geben. Der Bibelturm ist Teil eines Gesamtkonzepts, das auch die Erneuerung der bestehenden Gebäude einschließt und eine Erweiterung der Trägerschaft für das Museum anstrebt.
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Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) sagte: „Diese Entscheidung respektieren wir natürlich.“ Es habe sich bei der Frage um eine reine Sachentscheidung gehandelt, so der OB. „Mit dem heutigen Tag herrscht Klarheit nach einer stellenweise sehr emotional geführten Diskussion.“ Er hoffe, dass die mehrheitlich getroffene Entscheidung zur Befriedung innerhalb der Stadtgesellschaft beitrage.
Enttäuschung bei Grosse
Nino Haase von der Bürgerinitiative, die sich gegen den Bau des Bibelturms positioniert
hat, zeigte sich überrascht von dem klaren Ergebnis. Die Bibelturm-Gegner hätte gespürt, dass es in Mainz eine stark ablehnende Position gebe. Durch das Ergebnis sehe sich die BI nun bestätigt in ihrer Forderung, die Bürger entscheiden zu lassen. Er betonte, seiner Initiative gehe es auch darum, das Gutenberg-Museum weiterzuentwickeln. „Daher haben wir das Museum immer in den Mittelpunkt gestellt.“ Ausdrücklich bedankte er sich bei Baudezernentin Marianne Grosse (SPD), die trotz ihrer gegensätzlichen Position in den Diskussionen immer sachlich geblieben sei.
„Das Misstrauen hat gewonnen. Mainz hat verloren.“ So kommentierte Johannes Strugalla, Sprecher der Befürworter-BI „Mainz für Gutenberg“ das Ergebnis. Er meinte, es gebe ein tief sitzendes Misstrauen der Bürger gegenüber der Stadt, das sich hier widerspiegele. Trotz des Stadtratsbeschlusses für den Bau des Bibelturms habe er ein entsprechendes Engagement des Oberbürgermeisters, des Finanz- und des Wirtschaftsdezernenten für die Sache vermisst. BI-Sprecher Dr. Henning von Vieregge lobte ausdrücklich den Einsatz von Museumsdirektorin Dr. Annette Ludwig und Baudezernentin Marianne Grosse (SPD) für das Projekt. Mit dem „Nein“ könne die Entwicklung des Museums um Jahre zurückgeworfen werden.
Eine sichtlich enttäuschte Marianne Grosse sagte: „Für mich ist wichtig, dass wir in der Lage sein müssen, das Gutenberg-Museum voranzubringen.“ Über die Zukunft des Museums müsse jetzt neu nachgedacht werden, so Ebling.
Hier das Ergebnis des Bürgerentscheids im Video:
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Hier finden Sie die Argumente für und gegen den Bau des Turms noch einmal in unserer Übersicht:
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Keine Nähe zum Bürger
Hier sieht man wieder, dass die Planer und der Stadtrat überhaupt keine Nähe zum Bürger haben.
Wenn dann eine demokratische Entscheidung herbeigeführt wird und sie nicht so ausgeht, wie es einige Planer gerne hätten, wird dem Bürger Dummheit unterstellt, da er angeblich nicht verstanden habe, um was es geht. Hätte der Bürger es verstanden, dann hätte er ja dafür stimmen müssen, ist doch klar.
Ich wünsche mir viel mehr Einbeziehung als Bürger in Form von Bürgerentscheid. Mehr Mut zur direkten Demokratie und muten sie den Bürger mehr zu, anstatt zu versuchen Politik und Projekte zu verwirklichen, die die Mehrheit der Bürger ablehnt.
Bürgerentscheid Bibelturm
Die Vernunft hat gesiegt? Darüber lässt sich trefflich (weiter-)streiten ... Für mich: Chance vertan. Das sogenannte Weltmuseum wird wohl auf lange Zeit provinziell bleiben. Da helfen auch einzelne tolle Sonderausstellungen nicht.
Den Vorschlag von Herrn Peter Schmidt finde ich übrigens wirklich bemerkenswert: das Konterfei von Gutenberg in Form eines Wandgemäldes (Spanntuch) soll dem Museum ein Gesicht geben? Blöd nur, dass es überhaupt kein authentisches Bild von Meister G. gibt. Phantasiebilder und -Statuen aus späteren Jahrhunderten gibt es natürlich zu Hauf. Aber ein idealisiertes Phantombild als Aushängeschild?
Wann übernimmt Frau Grosse die politische Verantwortung?
Nach so einem Debakel warte ich seit Stunden auf die Meldung aus dem Rathaus, dass Frau Grosse die politsche Verantwortung übernimmt und ihren Rücktritt erklärt. Eine andere Entscheidung kann es nicht geben, da sie ihre komplette Hingabe in dieses Projekt gelegt hat und gnadenlos gescheitert ist. Einzig positiv hervorzuheben ist, dass die Stadt am Ende nicht noch mehr Schulden machen muss, da die Finanzierung nicht gesichert war.
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