Von Sonja IngerlWORMS - Zwei Heuballen stehen neben den Boxen der fünf Araberhengste, eines der Shetlandponys schaut neugierig unter dem Gatter des Laufstalls hervor, das es sich mit zwei Artgenossen und drei Lamas teilt. Im Hintergrund dösen ein paar Kamele. Rund 2000 Euro zahlt Rudolf Renz der Stadt dafür, dass er mit seinem Zirkus bis Montag, 16. April, auf dem Festplatz gastieren darf. Dazu kommen noch Kautionen für den Platz und Wasser, die sich auf rund 1550 Euro belaufen. Ein weiterer Kostenpunkt: die Plakate für 200 Euro. „Aufgehängt haben wir die selbst“, sagt Renz. Um die Kosten zu decken, müssten pro Abend 150 bis 200 Menschen seine Vorführung besuchen, sein Zelt bietet Platz für 400.
Reich zu werden ist in seinem Job schwierig: „Es ist immer eine Mischkalkulation. In einer Stadt kann es gut laufen, in der anderen gar nicht“, erzählt der 33-Jährige. Ihr nächster Halt wird Germersheim sein. Hier müsse er lediglich 250 Euro für den Platz und 500 Euro Kaution zahlen.
Seit Montagabend stehen die Wagen auf dem Festplatz, am Freitag feierte der Zirkus Premiere. Als Erstes kümmert Renz sich immer um seine Tiere. „So spät wie möglich in den Transporter und so früh wie möglich wieder raus“, lautet sein Motto. Der Stall sollte immer zuerst aufgebaut werden – danach folgt der Rest. Gerade nach der Winterpause eine Herausforderung, berichtet der Zirkusdirektor. „Da müssen wir immer viel räumen, und auch nicht alles überlebt den Winter.“ Auch die Fahrzeuge sind nach einer langen Standzeit immer mal wieder für eine Überraschung gut. „Mir sind letztens mehrere Reifen auf der Autobahn geplatzt“, erinnert sich Renz.
Vorfälle, die einen Zirkus schnell vor große Herausforderungen stellen können: Denn damit nicht nur die Tiere, sondern auch die Menschen gut durch den Winter kommen, muss Renz 20 000 Euro für die Zeit zwischen November und März einkalkulieren. „Früher war es normal, dass Zirkusmitarbeiter in den Städten zum Beispiel mit einem Pony standen und um Spenden baten.“ Etwas, das immer mehr aus der Mode kommt. Das liegt zum einen an den Städten, die das Spendensammeln immer öfter als Bettelei ansehen und verbieten, aber auch innerhalb der Zirkusse findet laut Renz ein Umdenken statt: „Viele betreiben einen Winterzirkus oder lassen sich von größeren Zirkussen buchen.“ Einen Winterzirkus kann er sich auch gut vorstellen. „Wir treten auch in dieser Zeit mit unseren Artisten in Schulen auf.“ Auf Spenden zurückzugreifen, kommt für ihn nur im äußersten Notfall infrage. „Auf jeden Fall kann kaum ein Zirkus heutzutage sagen, wir machen im Winter nichts“, erzählt er.
Während der Saison führen Renz und sein Team ein Leben als Nomaden. Immer unterwegs, in jeder Stadt nur für ein paar Tage zu Gast. Ein Alltag, den bald auch ein weiteres Familienmitglied erleben wird: „Meine Frau ist schwanger. Wir bekommen unser erstes Kind.“
Waschmaschine und Trockner fahren immer mit
Er selbst ist in einer Zirkusfamilie aufgewachsen, kennt den ständigen Schulwechsel und die Fragen der Lehrer und Schüler. Macht das Spaß? Ist es schwierig, immer Abschied zu nehmen? Wie klappt das mit dem Lernen? „Ich fand den Schulwechsel nie schlimm. Meine Familie war auch hauptsächlich in einem Bundesland unterwegs, da ist das mit dem Schulstoff leichter.“ Noch besser sei allerdings die Zirkusschule – ein Modell aus Hessen und Nordrhein-Westfalen. „Hier reist ein Lehrer dem Zirkus hinterher und unterrichtet die Kinder.“
Auch das Leben im Wohnwagen ist für ihn nichts Besonderes: „Ich kenne es nicht anders.“ Er selbst teilt sich einen Wagen mit seiner Frau, andere Mitarbeiter leben allein. Für die kleinen Dinge des Alltags ist gesorgt: „Wir haben einen Container mit Waschmaschine, Trockner, Bügelbrett, Toilette und Dusche.“
Zurzeit hat er sechs Angestellte und vier Familienmitglieder im Team. Dazu kommen engagierte Artisten. „Ich habe noch nie in einer Wohnung gewohnt und werde es hoffentlich nie müssen.“
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