Von Daniel BaczykDARMSTADT - Eine Überdachung der Gegentribüne im Stadion am Böllenfalltor wird voraussichtlich nicht die Lösung sein, um dem SV Darmstadt 98 eine Lizenz für die nächste Saison im Profifußball zu sichern. Das geht aus Äußerungen von Oberbürgermeister Jochen Partsch und Lilien-Präsident Rüdiger Fritsch hervor.
Beide reagierten am Donnerstag auf eine Mitteilung der Deutschen Fußball-Liga (DFL) vom Vortag, dass dem SV 98 eine Lizenz nur noch unter strengen Auflagen für die Spielstätte erteilt werde. Falls demnach die Gegentribüne bis zum 31. Januar 2018 nicht überdacht ist, müssen die Lilien ihre Heimspiele in einem anderen Stadion austragen. Eine Verlängerung der bestehenden Ausnahmegenehmigung kommt laut DFL allenfalls dann infrage, wenn zeitnah ein "überzeugender Masterplan" für einen Stadionneubau vorgelegt wird.
- Kommentar: Böses Ende
Jens-Jörg Wannemacher zum Böllenfalltorstadion
Heimspiele des SV Darmstadt 98 am Bieberer Berg in Offenbach: Dieses Szenario könnte ab 2018 Realität werden, so absurd das auch scheint. Doch eine Überdachung der Gegengerade am Böllenfalltor ist technisch kaum machbar. Es wäre allerdings ohnehin schierer Wahnsinn, zehn Millionen Euro in ein abrissreifes Stadion zu investieren. Nach jahrelanger Hinhaltetaktik und ständigem Herumgeeire der Stadt Darmstadt als Stadionbesitzer ist der Deutschen Fußball-Liga der Geduldsfaden gerissen. Selbst wenn die DFL nun nochmals alle Augen zudrücken sollte, mehr als eine weitere Ausnahmegenehmigung über die nächste Saison hinaus ist undenkbar. Die Stadt muss nun endlich Farbe bekennen und nicht nur über Stadionpläne philosophieren, sondern handeln. Nur dann wird es auch in den nächsten Jahren Profifußball in Darmstadt geben. Ob nun am Böllenfalltor oder an einem neuen Standort. Der Verein und seine Fans müssen nun erst einmal die Suppe auslöffeln, die ihnen die Stadtoberen um Oberbürgermeister Jochen Partsch eingebrockt haben. Das Darmstädter Fußball-Märchen könnte bald ein böses Ende nehmen - die Lizenzerteilung ist in großer Gefahr.
jjwannemacher@darmstaedter-echo.de
- Heimspiele Seit 2014 nur mit Ausnahmegenehmigung
Bereits seit der Zweitliga-Rückkehr 2014 spielt der SV 98 nur dank einer Ausnahmegenehmigung der DFL im alten Stadion am Böllenfalltor. Diese Genehmigung wurde nur deshalb immer wieder verlängert, weil der Verein vieles in die Infrastruktur des maroden Jonathan-Heimes-Stadions investierte und darauf verweisen konnte, dass eine neue Arena geplant sei.
Dass diese Pläne seit Jahren ins Stocken geraten sind, ist das Hauptproblem des Clubs. Der Grund für die strengen Auflagen sei "im Wesentlichen der fehlende konkrete Zeitplan für die Errichtung einer den Anforderungen des Profifußballs genügenden neuen Spielstätte", teilte die DFL den Darmstädtern mit. Bereits 2013 stellte die Stadt eine Machbarkeitsstudie vor, der zufolge ein Umbau des Stadions für rund 30 Millionen Euro die sinnvollste Variante sei. Doch 2016 wurde dieses Vorhaben wegen Lärmschutz- und Parkplatzproblemen wieder gestoppt.
Der aktuelle Stand ist, dass ein Frankfurter Architektenbüro im Auftrag der Stadt vier Alternativstandorte für einen Neubau überprüft und im Frühsommer ein Ergebnis vorlegen will.
- Weitere Meldungen
Klage über"sehr harte Auflagen"
Partsch sprach von "sehr harten Auflagen" und einer "sehr schwierigen Situation". Er setze alles daran, dass weiter am Böllenfalltor gespielt werden könne. Die Stadt werde den Verein bei seinem angekündigten Widerspruch gegen den DFL-Bescheid unterstützen. Fritsch hatte allerdings zuvor erklärt, er schätze die Erfolgsaussichten der Anfechtung als minimal ein.
Die DFL verlangt seit 2016, dass sämtliche Bundesliga-Stadien komplett überdacht sind. Die Gegentribüne im Jonathan-Heimes-Stadion ist bislang jedoch offen. Sie steht auf aufgeschüttetem Kriegsschutt, gilt deswegen als statisch heikel. Das Ergebnis eines Fachgutachtens liege inzwischen vor, erklärte der Oberbürgermeister: "Die Überdachung ist demnach theoretisch möglich, aber sehr aufwendig und sehr teuer."
Fritsch bezifferte die Baukosten auf acht bis zehn Millionen Euro. Partsch bestätigte die Größenordnung. "Das ist viel Geld, dass dann für andere Maßnahmen nicht mehr zur Verfügung stünde", sagte er. Zudem würden während der Bauzeit etwa 7500 Zuschauerplätze wegfallen. Auch müsste die Maßnahme möglicherweise baurechtlich als Neubau behandelt werden, was zusätzliche Probleme aufwerfe. "Ich gehe daher davon aus, dass wir diese Variante nicht realisieren."
Partsch setzt stattdessen darauf, bis Juli - dies entspreche der DFL-Frist - einen Masterplan für einen Stadion-Neubau vorlegen zu können. Spätestens im Juni werde eine Planungsbüro einen Alternativstandort mit den besten Realisierungschancen benennen. Darüber solle umgehend das Stadtparlament entscheiden. "Wir werden der DFL etwas Substanzielles vorlegen." Er selbst ärgere sich auch darüber, dass es mit dem Stadionprojekt nicht schneller vorangehe, sagte Partsch. "Ich bin über viele Ereignisse und Wendungen auch nicht glücklich." Er machte unter anderem die "unflexible Haltung der Technischen Universität" in der Parkplatzfrage dafür verantwortlich, dass Baurecht für den Standort Böllenfalltor bislang nicht geschaffen werden konnte.
Das Szenario einer Verlegung der Heimspiele nach Frankfurt oder Offenbach bezeichnete Partsch als Spekulation. Damit wolle er sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht befassen.
Die oppositionelle SPD hat unterdessen ihre Forderung bekräftigt, zügig mit der Planung eines Stadion-Neubaus an einem anderen Standort zu beginnen. Dafür müsse die Stadt ihr Tempo verzehnfachen, erklärte der Stadtverordnete Tim Huß. Er nannte "das Stadionprojekt so sehr verpfuscht, wie seit Jahrzehnten kein Projekt mehr verpfuscht worden ist".
Eine Überdachung der Gegengeraden sein keine Lösung, sagte Huß. "Die bisherige Flickschusterei war nur teuer und erfolglos. Bevor auch der letzte Rest des Landeszuschusses am alten Standort ohne Zukunft vergeudet wird, sollten die Kräfte endlich auf einen Neubau mit Zukunft fokussiert werden."
Einen anderen Schluss zieht die Fraktionsvorsitzende der Wählervereinigung Uffbasse, Kerstin Lau, aus der DFL-Mitteilung: "Man muss jetzt mit Volldampf noch mal ans Böllenfalltor ran." Sie könne nicht erkennen, wie in den nächsten Monaten ein Masterplan für ein Stadion an einem anderen Standort vorgelegt werden solle. Dagegen lägen Pläne für einen Neubau am Böllenfalltor bereits vor. Lau bemängelte, dass zu lange am Konzept einer Multifunktions-Arena festgehalten werde. Dies sei auch ein Fehler des Vereins. Uffbasse unterstützt im Stadtparlament die grün-schwarze Koalition.
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