MAINZ - Dass Franz Schuberts „Unvollendete“ h-Moll Sinfonie nie fertig geschrieben wurde und nur aus zwei Sätzen bestehen sollte, daran hat sich seit ihrer Uraufführung 1865 (fast 40 Jahre nach Entstehung) manch ein Musiker und Dirigent gestört. Eine faszinierende und „Vollendete“ Version ganz in den Noten Schuberts verpackt durfte jetzt das Mainzer Publikum bei der „Homage an Schubert“ mit der Deutschen Radio-Philharmonie im Rahmen der Mainzer Meisterkonzerte erleben.
Dem Schweizer Komponisten und Dirigenten des Abends, Mario Venzago, ist es gelungen, aus der offen gebliebenen Sinfonie ein perfektes und harmonisches Ganzes zu schaffen, das am Ende mit den Anfangstakten aus dem ersten Satz den Bogen schlägt und so das „Schubert-Venzago’sche“ Werk geradezu genial abrundet. Dies, indem der 70-Jährige aus Versatzstücken anderer Werke Schuberts einer Bild-Collage gleich zusammenfügt und verlängert und so etwas Neues in Schuberttradition schafft.
Dem Zuhörer stockt der Atem. „Wie das?“, fragt man sich, sind doch eindeutig Schuberttöne in dem doch eigentlich vom Komponisten nie vorgelegten dritten und vierten Satz zu erkennen.
Venzago interpretiert die nunmehr „Vollendete Unvollendete“ intensiv und schnell, er treibt das Orchester voran und lässt damit eine mitreißende Dynamik entstehen. Liedhafte Themen, von einzelnen Instrumenten vorgegeben, werden übernommen vom Orchester, wie im Widerstreit wechseln sich die Soli und das Gesamtensemble unter dem Takt Venzagos ab und übernehmen zeitweise die Oberhand.
Der Leibhaftige und Liszts „Wandererfantasie“-Fassung
So berauschend die Sinfonie, so feurig auch Herbert Schuchs Interpretation der für Klavier und Orchester von Franz Liszt bearbeiteten „Wandererfantasie“. Schubert selbst soll über seine Unfähigkeit, sein eigenes Stück am Klavier spielen zu können, geflucht haben, „Der Teufel soll dieses Zeugs spielen“. Der Teufel steckte wahrlich in dem beim Meisterkonzert aufgetretenen Pianisten, der mit unfassbarem Tempo die Finger über die Tasten fliegen ließ und mit ganzem Körper in der Musik aufzugehen schien, dass ihm am Ende der Schweiß von der Nase tropfte.
Fantasien, dass sind in Noten geformte Gedanken zu einem Thema, mal kommen sie in rasanten Läufen daher, dann wieder werden sie klagend und leise, träumerisch, um am Ende fordernd, gar drohend. Schuch gelingt in Begleitung des Orchesters ein furioses Finale und das Publikum bedankt sich mit Bravorufen, Klatschen und Trampeln. Ein wahrer Begeisterungssturm, der wiederum mit Liszts „La Campanella“ als Zugabe belohnt.
Mit der Ouvertüre zu „Freunde von Salamanka“ hatten Venzago und die Musiker das Meisterkonzert eröffnet. Hierin war der „jugendliche“ Schubert zu hören, er war gerade mal 17, als er diese Oper schrieb. Es geht um Liebe und entsprechend munter und bewegt kommt diese Musik daher.