Vom ersten Ton an ist klar: Der Mann will es an diesem Abend richtig krachen lassen. Einfach Musik machen. Jeden Moment aufsaugen. Kaum hat Lenny Kravitz die ersten Akkorde von...
FRANKFURT. Vom ersten Ton an ist klar: Der Mann will es an diesem Abend richtig krachen lassen. Einfach Musik machen. Jeden Moment aufsaugen. Kaum hat Lenny Kravitz die ersten Akkorde von „Fly Away“ angestimmt, ist die Frankfurter Festhalle augenblicklich erfüllt von seinen knallenden Gitarrenklängen. Auf einem Podest in Szene gesetzt, nur begleitet von einer Lichtshow und ohne jeglichen weiteren Schnickschnack, gibt der 54-Jährige von der ersten Sekunde an Vollgas. Bereitet seinen Fans direkt und ohne Luft zu holen einen lautstarken Auftakt. „Dig In“, „Bring It On“ und „American Woman“, das gewohnt rockig startet und als Reggae-Stück endet (besagte Lichtshow wechselt hier patriotisch-passend vom amerikanischen Weiß-Rot-Blau zum jamaikanischen Gelb-Rot-Grün) – der Abend beginnt vielversprechend.
Das Publikum merkt auch Kravitz sofort an, wie sehr er es genießt, wieder auf der Bühne zu stehen. Wie er den Applaus in sich aufnimmt, die Arme ausbreitet und fordert: Gebt mir noch mehr. Drei Jahre lang stand er nicht mehr auf der Bühne, wurde für sein letztes Album „Strut“ 2014 vielfach kritisiert. Umso erfüllender nun die Anerkennung der Fans auf seiner „Raise Vibration“-Tour. „Wir sind so dankbar dafür, dass ihr heute hier seid. Danke, dass wir durch unsere Musik Liebe verbreiten dürfen.“ Und die scheint beim Publikum anzukommen. „Ihr seht alle so glücklich aus“, stellt er grinsend fest.
Natürlich will der US-Amerikaner in Frankfurt nicht nur Liebe verbreiten, sondern auch auf sein neues Album aufmerksam machen. Zwei Songs aus dem im September erscheinenden „Raise Vibration“ hat er mitgebracht. Das gesellschaftskritische „It‘s Enough“, mit dem er sich gegen Rassismus, Krieg und Gewalt richtet, und „Low“, bei dem man ihm besonders merkt, wie sehr er das Zusammenspiel mit seiner Band genießt.
Charmant und herzerwärmend, lautstark und krachend
Dankbar ist er auch einem Fan in den ersten Reihen, der sein nunmehr 57. (!) Kravitz-Konzert an diesem Abend erlebt. Nach dem kurzen Ausflug zu den neuen Stücken sind es die altbekannten und bewährten Lieder, die die Frankfurter mitsingen, tanzen und in Erinnerungen schwelgen lassen. Der Großteil des Publikums ist über 30 Jahre und älter, hat vermutlich viele Erinnerungen an die Kravitz-Hits der Neunzigerjahre. „I Belong To You“, „Can‘t Get You Out Of My Mind“ und natürlich das soulige „It Ain‘t Over Till It‘s Over“ haben aber auch nach mehr als 20 Jahren nichts von ihrem Charme verloren. Genauso wenig wie der Sänger, der in der Musik aufzugehen scheint, gerne mit den Fans in den ersten Reihen flirtet, ansonsten aber dem Rest des Publikums wenig erzählen möchte. Lieber Musik machen und gemeinsam singen wie bei „Again“, auch bei der Ballade zur Jahrtausendwende genießt er sichtbar jeden Takt.
Und gerade, als der ein oder andere wohl gedacht haben mag, „das war schön, aber ein bisschen mehr Interaktion mit dem Publikum wäre schon toll gewesen“, überrascht Kravitz alle. Der 1,70-Meter-Mann steigt bei „Let Love Rule“ plötzlich von der Bühne und bahnt sich, begleitet von einigen Sicherheitskräften, den Weg durch die Menge. Läuft einmal quer durch die Festhalle, stattet den Gästen auf dem Rang einen Besuch ab, macht Selfies, schüttelt Hände und ist so allen plötzlich ganz nah. Umso herzerwärmender dann seine Botschaft, als er auf die Bühne zurückkehrt: „Liebe ist die einzige Lösung.“
Doch ganz so liebestrunken will Kravitz sein Publikum dann doch nicht nach Hause entlassen. Der Abend endet dank „Are You Gonna Go My Way“ genau so, wie er begonnen hat. Lautstark und krachend.