Pop-up-Festival Worms: Lesung und Konzert mit Boris Motzki und...

Unterhaltsamer Abend im Kreuzgang des Dominikanerklosters (v.l.): Boris Motzki, David Maier und Matthias Schärf.Foto: pa/Stumpf  Foto: pa/Stumpf

„Democracy is coming to the USA“ hat Leonard Cohen 1992 gedichtet. In diesem poetischen Monumentalgemälde personalisiert er die Demokratie als Naturgewalt, als Kraft, die...

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WORMS. „Democracy is coming to the USA“ hat Leonard Cohen 1992 gedichtet. In diesem poetischen Monumentalgemälde personalisiert er die Demokratie als Naturgewalt, als Kraft, die alles verändern wird, verändern muss, denn Veränderung ist nötig. „Segle weiter, segle weiter, mächtiges Staatsschiff! Zu den Küsten der Not, vorbei an den Riffen der Gier, durch die Böen des Hasses. Segle weiter!“ Natürlich konnte er damals noch nicht wissen, wohin das Schiff USA segeln würde. Er hatte aber wohl doch so seine Zweifel und sah seine eigenen Möglichkeiten daraufhin beschränkt, „seinen kleinen Wildblumenstrauß“ emporzuhalten.

Witzig-lockeres Zusammenspiel

Das Gedicht war der Auftakt zu der Veranstaltung „Motzki liest, Maier singt: Democracy is coming“ im Kreuzgang des Dominikanerklosters. Als der Regisseur und Schauspieler Motzki und der Sänger und Kulturmanager Maier sich im Frühjahr erstmals nach 20 Jahren wiedertrafen und ein Aufleben ihrer Zusammenarbeit in Erwägung zogen, war schon klar, dass die Bundestagswahlen ein Thema des diesjährigen Pop-up-Festivals werden würden. Cohens „Democracy“ lag da nahe und gab den Impuls zu diesem Abend.

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Der überwältigende Publikumsandrang zeigte, dass die Künstler, zu denen auch der einfühlsame Gitarrist Matthias Schärf gezählt werden darf, sowohl mit dem Thema als auch mit der Fortführung ihrer Zusammenarbeit genau richtig lagen. Das Ambiente, das in der Tat die intime Atmosphäre eines Wohnzimmers hatte, wie Motzki frotzelte, tat ein Übriges. „Die Welt ist aus den Fugen“, sagte er, Demokratie sei mehr ein Wunsch als Realität. Ins Programm hatten M und M deshalb auch Liebeslieder von Cohen einbezogen, die sich auf ihre Weise gegen „Verrohung und Barbarei“ richteten. Es ist nicht ganz einfach, moderne Lyrik so vorzutragen, dass sie berührt, doch Boris Motzki gelang dies ebenso gut wie die sehr humorvolle Lesung zweier Passagen aus Cohens erstem autobiografisch gefärbtem Roman „Das Lieblingsspiel“. David Maier begeisterte zunächst mit „Democracy“, beim Refrain stimmig unterstützt von Matthias Schärf, und sang danach ganz in Cohens melancholischem Stil die Hits „Suzanne“, „So long Marianne“, „Famous blue raincoat“ und „Hey that’s no way to say Goodbye“. Ganz anders dann John Lennons temperamentvolles „Instant Karma“.

Nach der Pause war Dylan angesagt mit zwei seiner größten gesellschaftskritischen Hits: „Blowin’ in the wind“ und „Like a Rolling Stone“. Boris Motzki las aus „Chronicals“, der Autobiografie des Sängers, die aufschlussreiche Szene vor, als der junge Bob von Lou Levy unter Vertrag genommen wird. Motzkis krachender Humor, besonders bei der Wiedergabe Jack Dempseys, löste große Heiterkeit aus. Auch David Maier, der als Interviewer Bill fungierte, konnte sich das Lachen kaum verkneifen. Weil Bob Dylan in diesem Zusammenhang auch erzählte, dass er viel von Woody Guthrie halte, war nun auch dessen „Worried Man Blues“ zu hören, gleich nach „All along the watchtower“. Mit „Hey Mr. Tambourine Man“ und Pete Seegers Kult-Song „If I had a hammer“ wurde der Abend offiziell beendet.

Der stehende Applaus des Publikums galt sowohl der perfekten Präsentation als auch dem witzig-lockeren Zusammenspiel der Protagonisten. Als Zugabe las Boris Motzki noch aus Patti Smith’ Erinnerungen an ihre erste elektrisierende Begegnung mit Dylan vor, für den sie im letzten Jahr den Nobel-Preis entgegennahm. Danach ließen Maier und Schärf den Abend mit dem melodischen „Sounds of Silence“ von Simon & Garfunkel ausklingen.