Alzeyer Linken-Stadträtin Dilan Düzgün erlebt am Ende ihres...

Gemeinsam mit ihrem Vater Kemal Gülcehre sitzt Dilan Düzgün für die Linken im Alzeyer Stadtrat und im Kreistag Alzey-Worms. Beide sind in der Volkerstadt für ihr politisches Engagement bekannt, genau wie für ihre kritische Sicht auf die Politik Erdogans.Archivfoto: pa/Axel Schmitz   Foto:

Diesen Tag wird Dilan Düzgün nicht vergessen. Es ist ihr 26.Geburtstag. Hinter ihr liegen zwei entspannte Wochen an der türkischen Ägais. Der Urlaub mit ihrem Mann Serkan...

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ALZEY/DALAMAN. Diesen Tag wird Dilan Düzgün nicht vergessen. Es ist ihr 26.Geburtstag. Hinter ihr liegen zwei entspannte Wochen an der türkischen Ägais. Der Urlaub mit ihrem Mann Serkan und Freunden hat der Alzeyerin gutgetan. Als das kurdischstämmige Paar mit deutscher Staatsangehörigkeit in die Türkei eingereist ist, deutet nichts darauf hin, dass es zwei Wochen später zu jenem schicksalhaften Moment am Flughafen Dalaman kommt.

Freitag, 14. Juli, 18 Uhr mitteleuropäischer Zeit. In der Türkei ist es wegen der Zeitverschiebung 19 Uhr. Die Düzgüns wollen für den Rückflug nach Frankfurt einchecken. Die Maschine hebt um 21 Uhr ab – ohne Dilan Düzgün. Die Alzeyerin ist im Flughafen festgenommen worden. Die Polizei hat einen Haftbefehl, in dem der jungen Frau, die für die Linken im Alzeyer Stadtrat und dem Kreistag Alzey-Worms sitzt, terroristische Aktivitäten vorgeworfen werden. Der Haftbefehl stammt aus 2017; die 26-Jährige wusste davon nichts. Ihren Mann Serkan weisen die Polizisten zurück. Er solle heimfliegen, könne ohnehin nicht zu seiner inhaftierten Frau.

Verhör mit Staatsanwaltschaft per Video

Als sie am Freitag beim Einchecken im Flughafen festgehalten wird, ist die Situation noch völlig unklar. Die Polizei teilt ihr mit, dass eine Person ihres Namens per Haftbefehl gesucht werde. Doch die Akten sind bei der Staatsanwaltschaft in Erzincan, wo ihre Eltern vor der Übersiedlung nach Deutschland gelebt haben. Die Nacht zum Samstag verbringt die Alzeyerin in einer Zelle des Polizeireviers am Flughafen, schläft ein paar Stunden. Am Samstag erfährt sie von der Staatsanwaltschaft, dass das deutsche Auswärtige Amt sich eingeschaltet hat. Das Verhör wird über Videokonferenz mit Staatsanwalt und Haftrichter geführt. „Damit es schneller geht. Denn auch in der Türkei sind die Justizbehörden am Wochenende nicht so besetzt wie unter der Woche“, erzählt Dilan Düzgün. Die ihr zu Last gelegten Vorwürfe weist sie zurück. Man will vor allem wissen, ob sie einer terroristischen Vereinigung angehört. „Gemeint war hundertprozentig die PKK“, schlussfolgert die Linken-Politikerin. Doch sie ist weder in dieser noch in einer anderen kurdischen Partei, die vom türkischen Staat als terroristisch eingestuft werden. Offenbar glaubt man ihr, denn sie wird nach der Vernehmung entlassen.

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„Ich bin gut behandelt worden”, fasst Dilan Düzgün ihren unfreiwilligen Aufenthalt in Dalaman zusammen. Dabei seien die Polizisten sogar noch freundlicher als die ihr zugewiesene Anwältin gewesen. Telefonisch hält sie Kontakt zu ihrem Mann und ihrer Familie. Nur in der Nacht zum Samstag muss sie das Handy abgeben. „Mein Problem war, dass ich nicht verstanden habe, weshalb man mich überhaupt festhält, denn ich konnte ja auch ohne Probleme einreisen“, sagt Dilan Düzgün.

25 Stunden Angst und Ungewissheit, bis sie wieder frei ist. Deutsche Behörden und Wahlkreisabgeordneter Jan Metzler (CDU) intervenieren. Ein Cousin holt sie aus dem Polizeigewahrsam ab. Die Alzeyerin will zunächst bis Montag bei Verwandten in Istanbul bleiben, entscheidet sich dann aber doch – auch auf Anraten ihres Vaters Kemal Gülcehre, schnellstmöglich von Izmir aus nach Frankfurt zurückzufliegen. Am frühen Sonntagmorgen sitzt Dilan Düzgün im Flugzeug, das um 7.15 Uhr abhebt und Kurs auf Frankfurt nimmt. Dort landet sie um 10.30 Uhr.

Kemal Gülcehre hat seine Tochter vor der Reise gewarnt. „Das macht keinen Sinn, denn wir haben eine Sicherheitswarnung, habe ich ihr gesagt“, erzählt Gülcehre. Doch Dilan Düzgün nimmt den Rat des Vaters nicht an. Als er von ihrer Verhaftung erfährt, setzt der verzweifelte Vater am Freitagabend alle Hebel in Bewegung und schaltet auch den CDU-Wahlkreisabgeordneten Jan Metzler ein. Auf dessen Anraten hin ruft Gülcehre die 24 Stunden besetzte Hotline des Auswärtigen Amts an. „Glücklicherweise ist das alles noch glimpflich abgelaufen und es musste kein großes Verfahren angestrengt werden, aber auch darauf wären wir vorbereitet gewesen“, zeigt sich Metzler auf Nachfrage dieser Zeitung erleichtert.

Metzler: „Das gibt einem doch zu denken“

Er hat permanenten Kontakt zum Auswärtigen Amt gehalten. „Es ist ein trauriges Beispiel für die gegenwärtige Situation in der Türkei. Das gibt einem doch zu denken“, sagt Metzler – nicht zuletzt auch mit Blick auf die auf Eis gelegten Beitrittsverhandlungen der Türkei zur EU.

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Dilan Düzgün hat immer wieder Urlaub in der Türkei gemacht, ohne dass es zu irgendwelchen Problemen gekommen ist. Doch damit ist es nun vorbei. „Ich werde das mit Sicherheit nicht mehr tun. Nach dieser Erfahrung mache ich lieber in einem europäischen Land Urlaub, wo mir so etwas nicht passiert“, sagt die Alzeyer Stadträtin. Zunächst einmal will sie sich jedoch ausschlafen, denn die zurückliegenden Tage haben Kräfte und Nerven gezehrt.

Von Thomas Ehlke