Eintreten für Menschenrechte: Alzeyer Stadträtin Dilan...

Die Alzeyerin Dilan Düzgün will weiter offen für ihre Meinung eintreten. Das Foto entstand bei einem Urlaub in Fethiye in der Türkei. Foto: Düzgün

Die Alzeyer Stadträtin Dilan Düzgün will auch nach ihrer vorübergehenden Festnahme in der Türkei weiter für Menschenrechte eintreten. Das offene Gespräch mit...

Anzeige

ALZEY. Hinter ihr liegt das beklemmendste Erlebnis ihres noch jungen Lebens. Eine Nacht hat Linken-Stadträtin Dilan Düzgün wegen Terrorverdachts in einem türkischen Polizeigewahrsam am Flughafen Dalaman verbracht (die AZ berichtete). Zwei Tage danach zeigt sich die 26-Jährige im Gespräch mit der AZ erholt von dem unliebsamen Ende einer Urlaubsreise ins Land ihrer Vorväter, das die kurdischstämmige Deutsche selbst nie für möglich gehalten hätte.

Jetzt, nach ihrer glücklichen Rückkehr und mit ein wenig zeitlichem Abstand, wird ihr bewusst, in welch prekärer Lage sie sich tatsächlich befunden hat. „Im Nachhinein muss ich sagen, dass ich sehr, sehr froh bin, wieder wohlbehalten hier zu sein“, sagt Dilan Düzgün. Dadurch dass die türkische Polizei nett zu ihr gewesen sei, habe sie die Situation vor Ort als nicht so bedrohlich empfunden. Sie habe sich nichts vorzuwerfen und sei deshalb auch in den Verhören „recht gelassen“ gewesen. Dennoch: „Das war kein schönes Gefühl.“ So schnell werde sie deshalb nicht wieder in die Türkei reisen. Das steht fest. Denn nun wisse sie, dass einem dort etwas passieren könne, obwohl man nichts gemacht habe.

In Alzey aufgewachsen, hat Dilan Düzgün sich schon früh gesellschaftlich und kulturell engagiert. Sie tritt ein für ein friedliches Miteinander der hier lebenden ethnischen Gruppen. Die Wahrung der Menschenrechte sind ihr wichtig und demokratische Grundwerte, wie etwa die Meinungsfreiheit. Sie nimmt ein politisches Mandat in Stadtrat und Kreistag wahr, äußert sich zu gesellschaftlichen und politischen Themen und beteiligt sich an Kundgebungen gegen Menschenrechtsverletzungen in der Türkei. Das ist es auch, was sie an ihrer deutschen Heimat so schätzt: „Man kann hier seine Meinung sagen – und das ist mir sehr wichtig“, unterstreicht Dilan Düzgün.

Anzeige

Frühes politisches Engagement

Hat das, was sie nun in der Heimat ihrer Eltern erlebt hat, einen Einfluss auf ihr Verhalten hier? Auf diese Frage kommt ein klares Nein. „Es hat sich auch dort gezeigt, dass ich nichts Falsches mache, sonst wäre ich nicht so schnell wieder zurückgekommen“, sagt sie. Ihre Meinung werde sie auch künftig äußern. Mit Andersdenkenden ins Gespräch zu kommen, Standpunkte auszutauschen und dabei auch die eigene Sichtweise kritisch zu hinterfragen, das gehört für sie einfach dazu.

Ihr politisches Engagement beginnt schon früh. Sie ist etwa 15, als sie dem Beispiel ihres Vaters Kemal Gülcehre folgt und Interesse für die Politik entwickelt. Dilan schließt sich den Linken an, weil die Partei am ehesten ihren Überzeugungen entspricht. „Ich bin komplett gegen Waffen und Gewalt in jeglicher Form und trete für die Menschenrechte ein“, skizziert sie Grundzüge ihrer Überzeugung.

Die 26-Jährige ist nicht nur politisch, sondern auch in der alevitischen Gemeinde der Volkerstadt aktiv. Wie lebt es sich als Alevitin mit deutschem Pass und kurdischen Wurzeln in einer Kleinstadt wie Alzey, wo es Angehörige verschiedene islamischer Glaubensrichtungen und auch Erdogan-Anhänger gibt? „Ich habe hier eigentlich keine so großen Probleme. Klar gibt es immer mal kleinere Sachen, mit denen man konfrontiert wird“, erzählt Düzgün. Persönliche Anfeindungen wegen ihrer Herkunft oder ihres Glaubens habe es bislang nicht gegeben. „Natürlich vertrete ich meine Meinung, ich lasse aber auch jedem seine Meinung“, sagt sie.

Keine bloße Rechthaberei

Anzeige

Ein Grundsatz, den sie auch bei öffentlichen Veranstaltungen beherzigt. „Ich habe das Gefühl, dass manche Leute nur stur einen Standpunkt vertreten, etwas behaupten und gar nicht nachforschen, was wirklich abläuft“, fasst Düzgün diesen Grundsatz in Worte. Ihr geht es um konstruktive Kritik und Meinungsaustausch und nicht um bloße Rechthaberei. „Es kann ja auch sein, dass ich komplett falsch liege und falsche Informationen bekommen habe“, gibt sie zu bedenken. In diesem Sinne versteht sie Diskussionsveranstaltungen und Demonstrationen in Alzey auch als Einladung an alle – auch die Andersdenken –, um Gedanken und Argumente auszutauschen und bestehende Probleme im Gespräch abzubauen. Die Mauer in den Köpfen überwinden – ein idealistischer Anspruch.

Welche Hoffnung hat sie, dass ihre Generation die Spannungen zwischen Kurden und Türken und den verschiedenen Glaubensrichtungen abbauen kann? „Im Moment sieht es gar nicht danach aus, aber wünschen würde ich mir das natürlich“, sagt Dilan Düzgün. Sie jedenfalls strebt weiter den Dialog an. Für sie der einzige Kompass auf einem steinigen Weg.

Persönlich ist der Abschluss ihres Architekturstudiums in Wiesbaden für die junge Frau das nächste Ziel. Dort hat sie mit ihrem Mann Serkan, der am Frankfurter Flughafen arbeitet, eine Wohnung. „Mein Lebensmittelpunkt ist allerdings Alzey, wo ich auch die meiste Zeit verbringe“, unterstreicht die 26-Jährige.

Von Thomas Ehlke