Das Naturschutzgebiet bei Groß-Rohrheim hat eine wechselvolle Geschichte erlebt. Oft wechselte sie ihre Besitzer, zeitweise gehört sie sogar zu Frankreich.
Von Claudia Stehle
Zur abwechslungsreichen Geschichte der Hammer Aue kann Walter Öhlenschläger, der Vorsitzende des Heimatvereins, viel erzählen.
(Foto: Thorsten Gutschalk)
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
GROSS-ROHRHEIM - Ein besonders idyllisches Fleckchen Erde am Rhein ist die Hammer Aue in der Groß-Rohrheimer Gemarkung. Sie ist ein Naturschutzgebiet, das nicht mit Autos befahren werden darf, sondern für die Spaziergänger reserviert ist, wo selbst das Angeln nur in begrenztem Maß erlaubt ist und der Natur dafür Vortritt gegeben wird.
Ganz neu ist dort das Beweidungsprojekt des Förderkreises Große Pflanzenfresser im Kreis Bergstraße in Zusammenarbeit mit dem Auerrindprojekt des Freilichtlabors Lauresham. Seitdem weiden dort die beiden Färsen Alma und Ambra aus der ersten Generation der Zucht einer Rinderrasse, die dem ausgestorbenen Auerrind nahe kommen soll. Spaziergänger können auf der abgezäunten Weide die beiden Tiere beobachten, die demnächst noch weitere Artgenossen zur Gesellschaft bekommen.
Geschäfte mit Hessen waren verboten
Kümmerer vor Ort sind Walter Öhlenschläger, der Vorsitzende des Groß-Rohrheimer Heimat- und Geschichtsvereins, und seine Helfer, die den Weidezaun kontrollieren und nach den Tieren schauen, nachdem der Verein in die Vorarbeiten des Projekts eng eingebunden war.
NEUES HEIMATMUSEUM
Der Groß-Rohrheimer Heimat- und Geschichtsverein ist in neue Räume in die Rheinstraße 21 umgezogen, Dort will er in der nächsten Zeit ein kleines Heimatmuseum aufbauen, nachdem er sich derzeit vorrangig um das Beweidungsprojekt auf der Hammer Aue gekümmert hat. Er will bis zum Herbst hier eine Dauerausstellung mit den Bausteinen der örtlichen Geschichte von Exponaten zur Vor- und Frühgeschichte, aus der Römerzeit und den nachfolgenden Jahrhunderten präsentieren. Im Oktober bietet er wieder den historischen Dorfrundgang an. (steh)
Öhlenschläger ist mit der Vergangenheit der Hammer Aue vertraut, die über die Jahrhunderte eine abwechslungsreiche und manchmal auch erstaunliche Geschichte hatte. „Eigentlich war die Aue eine Insel, die durch einen Altrheinarm vom rechten Flussufer getrennt war“, berichtet er. Durch die Arbeiten Klaus Kröhnkes im 19. Jahrhundert wurde der Zulauf in den Altrheinarm verfüllt, sodass aus der Insel Festland wurde. Lediglich bei Hochwasser dringt noch Wasser in den restlichen Altrheinarm ein, den man auf einer Brücke überquert, wenn man zur Hammer Aue fährt. Zugeschlagen wurde der Aue auch die frühere Rheininsel Sandwörth, die nun gleichsam deren Spitze zum Fluss bildet.
Die Au ist knapp 500 Hektar groß und wechselte oft ihre Besitzer. Zu ihnen gehörten die Wormser Bischöfe, lang war sie im Besitz des linksrheinischen Ilbersheim, war zu Beginn des 17. Jahrhunderts unter Kurpfälzisch-Alzeyer Verwaltung, gehörte aber auch zur Landgrafschaft und zum späteren Großherzogtum Hessen-Darmstadt. Dazwischen lag eine Zeit, in der sie unter der Herrschaft Napoleons sogar französisch war und dem Departement Donnersberg angehörte. „Das französische Herrschaftsgebiet ging etwa bis zum heutigen Winterdeich und nach dem Wiener Kongress im frühen 19. Jahrhundert kam sie zum Großherzogtum Hessen“, berichtet Walter Öhlenschläger. Für die damaligen Groß-Rohrheimer war die Aue sozusagen Ausland und Geschäftskontakte nach Hessen waren bei Strafe verboten. Bis 1936 sei sie dann offiziell eine selbständige Gemarkung gewesen, wurde dann aufgelöst und den Kommunen Groß-Rohrheim und Gernsheim zugeschlagen.
Die Hammer Aue war nicht immer eine Naturidylle, sondern hatte auch wirtschaftlichen Nutzen. So gab es hier einen blühenden Obstanbau vor allem von Äpfeln, wobei die Bewirtschaftung der Aue durch Ilbersheimer Landwirte erfolgte, die hier auch ihr Vieh weiden ließen. Darüber hinaus betrieben sie zwölf Tongruben und brannten in den Feldbrennereien vorwiegend Backsteine, aber auch Dachziegel, die mit einer Feldbahn zum Rhein gebracht und übergesetzt wurden. Erst Ende der 1930er Jahre wurde deren Betrieb eingestellt. Eine weitere Besonderheit auf der Aue ist das sogenannte Schell-Häuschen, das 1907 erbaut wurde. „Es war ursprünglich mit einer Glocke ausgestattet, die aber inzwischen gestohlen wurde, mit deren Schellen der Gastwirt Schmittel auf der gegenüber liegenden Flussseite gerufen wurde, wenn man mit dessen Nachen über den Fluss übergesetzt werden wollte“, berichtet Walter Öhlenschläger. Dieser Fährbetrieb, bei dem die Überfahrt zehn Pfennige kostete, wurde bis in die 1950er Jahre aufrechterhalten. „Groß-Rohrheimer nutzten die Fähre damals für Sport und Freizeit, denn beim Wirt gab es rheinhessischen Wein zu trinken.“
Walter Öhlenschläger verweist gern darauf, dass der Rhein mit seinem relativ geringen Tiefgang in früherer Zeit keinesfalls eine Trennlinie dargestellt hat. „Viele linksrheinische Herrschaften hatten Besitz auf der rechtsrheinischen Seite wie auch die Ilbersheimer hier die Au bewirtschafteten“, sagt er zum Beleg seiner These.