Samstag,
26.10.2019 - 00:00
3 min
Die Kunst des Pillenschluckens

Von Matthias Rebsch
Lokalredakteur Bergsträßer Echo

Walter Haefeli (rechts) ist Ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie an der Uniklinik Heidelberg. Am Donnerstag sprach er bei der „Gesunden Bergstraße“, die vom Redaktionsleiter des Bergsträßer ECHO Tim Maurer (links) moderiert wurde. Thema war die Kunst des Pillenschluckens. (Foto: Thomas Zelinger)
KREIS BERGSTRASSE - Eigentlich, so will man meinen, sollte es keine Kunst sein, eine Pille zu schlucken. Aber das ist ein Irrglaube. Was man schon bei der Einnahme alles falsch machen kann und warum viele schon an der Verpackung scheitern, erklärte Professor Walter Haefeli am Donnerstagabend bei der „Gesunden Bergstraße“. Er referierte zum Thema „Von der Kunst des Pillenschluckens“, bei dem er den Weg zur richtigen Medikation aufzeigte.
Ein mahnendes Beispiel aus der Praxis verdeutlichte den Gästen, dass es alles andere als selbstverständlich sei, Medikamente korrekt zu nehmen. So wurde ein 92 Jahre alter Mann mit einer Magen-Darmblutung ins Kreiskrankenhaus Heppenheim eingeliefert. Dort stellte sich heraus, dass er seine Tablette zwar genommen, aber zuvor nicht ausgepackt hatte. Der Blister – die Kunststofffolie der Verpackung – hatte die Magenwand verletzt. Nach der Entfernung konnte der Patient als geheilt entlassen werden.
Deshalb thematisierte Walter Haefeli bei seinem Vortrag allen voran die Einnahme der Pillen. „Es ist wichtig, dass sie genommen werden – und dass sie richtig genommen werden“, sagte der Ärztliche Direktor der Abteilung Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie an der Uniklinik Heidelberg. Passiere das nicht, könne die Wirkung nicht einsetzen. „Der Patient muss mündig sein“, sagte Haefeli. Denn die Einnahme werde von Ärzten nicht überwacht. „Bis zu 21 Prozent können aber nicht mal den Blister öffnen“, zitierte er aus einer Studie. Das seien Menschen mit Arthrose oder Diabetes, die schlecht sehen. 14 Prozent der Über-80-Jährigen seien darüber hinaus nicht in der Lage, den Schrauberverschluss eines Fläschchens zu öffnen (hier könnte übrigens ein feuchtes Tuch helfen). Wirkstoffhaltige Pflaster solle man immer auf den Rücken kleben, „sonst sieht man sie nicht, wenn man jemanden findet“, so Haefeli. Auch das bei Senioren beliebte Dosett – eine Art Arzneikassette, bei der Wochentage und Tageszeiten eingetragen sind – konnten 20 Prozent der Probanden nicht öffnen. In diesem Fall müsse immer mit dem Arzt gesprochen werden.
Oftmals gibt es aber auch bei der Verabreichung Probleme. Der Inhaltsstoff ist der kleinste Bestandteil der Tablette. „Alles andere sind Füllstoffe, damit wir sie halten können“, so der Mediziner. Acht Millimeter seien eine akzeptable Mindestgröße. Die kleinste Pille auf dem deutschen Markt sei aber 5,1 Millimeter groß – und ein Wirkstoff gegen Parkinson. „Das ist für den Patienten undurchführbar“, kritisierte er. Auch warnte er davor, Tabletten ohne Bruchkerbe zu teilen, weil diese nicht zum Teilen bestimmt sind.
Viele Patienten haben dazu Schwierigkeiten, die Medikamente zu schlucken. „Die Einnahme sollte immer aufrecht und mit Wasser erfolgen“, riet der Arzt. Einen einfachen Tipp hatte er für das Schlucken einer Kapsel. Das machen nämlich bislang viele falsch. Abhilfe könne der Kapsel-Nick-Trick schaffen. „Da in den Kapseln Luft ist, schwimmt sie im Mund“, erklärte Haefeli. Deshalb sollte man die Kapsel auf die Zunge legen, einen Schluck Wasser nehmen und dann den Kopf nach vorne auf die Brust neigen. So schwimme die Kapsel Richtung Hals und lasse sich leichter herunterschlucken. Beim Schlucken von Tabletten empfahl er, das Wasser über eine PET-Flasche in den Mund zu schießen. „Das spült die Tablette runter“, so der Schweizer.
VORMERKEN
Beim nächsten Vortrag der „Gesunden Bergstraße“, einer Veranstaltungsreihe des Kreiskrankenhauses Bergstraße und des Echo, wird Dr. Uwe Seitz (Innere Medizin) über Darmgesundheit sprechen. Beginn der Veranstaltung am Dienstag, 4. Februar, in der Mensa der Karl-Kübel-Schule Bensheim ist um 18.30 Uhr. Der Eintritt ist frei. (reb)
„Wir stellen jeden Tag fest, dass sich Patienten gegen Tabletten wehren“, sagte der Ärztliche Direktor des Kreiskrankenhauses, Wolfgang Auch-Schwelk, anschließend im Gespräch mit Moderator Tim Maurer. „Sie glauben, dass sie ihnen nicht guttun und bekommen das Gefühl, alt zu werden.“ Noch einmal betonte Walter Haefeli die Wichtigkeit der korrekten Einnahme von Medikamenten. Helfen könne der Arzt, der Apotheker oder der Beipackzettel. „Ich weiß, dass den keiner lesen mag“, sagte er. Und für alle, die bei der Einnahme trotz aller Tricks Probleme haben, hatte er gute Nachrichten: „Es gibt genug Alternativen“, sagte der Professor, „keiner muss etwas auf Dauer schlucken, womit er sich schwertut.“