Erlachsee bei Bensheim wird illegal als Badesee genutzt
Von Astrid Wagner
Idylle vor den Toren Heppenheims – der Erlachsee lädt zum Baden ein, doch im Gegensatz zu den Tieren ist Menschen die Abkühlung verboten. Foto: Sascha Lotz
( Foto: Sascha Lotz)
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KREIS BERGSTRASSE - Es ist ein warmer Sommerabend an der Erlache. Wahre Völkerscharen sind auf dem Weg zwischen dem Reiterhof und dem Naturschutzzentrum vor den Toren Heppenheims unterwegs – manche mit dem Auto, viele per Rad und zu Fuß. Die einen kommen offensichtlich vom Baden, andere schleppen Bierkästen und Klappstühle die Straße entlang. Party scheint angesagt. Nach und nach verschwinden die Feierlaunigen im Wäldchen, das die Erlache umgibt. Als die Dämmerung einsetzt, sieht man einige Lagerfeuer flackern rund um den See – und das bei höchster Waldbrandstufe.
Am heißen Nachmittag ein paar Tage später ein ähnliches Bild. Eine Familie – bepackt mit Sonnenschirm, Luftmatratze und Kühlbox – läuft im Gänsemarsch einen Trampelpfad zum Seeufer entlang. Vorbei an achtlos weggeworfenem Müll, Glasscherben und menschlichen Exkrementen. Dort hängt ein Kondom im Busch. Andere beratschlagen am Zaun des Kieswerks direkt neben dem Schild, welches das Betreten verbietet und mit einer Anzeige wegen Hausfriedenbruchs droht. Soll man herüberklettern, um an das so verlockende Sandufer zu gelangen? Man vertagt das Vorhaben auf später. Auf dem See schwimmt derweil ein gelbes Schlauchboot – Kinder toben drum herum.
Warnschilder werden ignoriert
Baden ist überall verboten an der Erlache, ebenso wie Zelten und Feuer machen. Doch im Sommer scheinen die Warn- und Verbotsschilder nur Deko-Charakter zu haben. Keiner schert sich drum. Zum Leiden der Flora, Fauna und der Angler. Rainer Hennings steht am Zaun der Hütte des Angelvereins Bensheim und Umgebung und beobachtet das Treiben. Er ist Kreisfischereiberater und Fischerei-Aufseher des Kreises. Er kennt seine Pappenheimer.
KEINE ZERKARIEN AN DER ERLACHE
Auch wenn Nilgänse, Kanadagänse und Co. ihre Kreise auf der Erlache ziehen – einen Zerkarienbefall wie etwa im Darmstädter Woog gibt es hier derzeit nicht. Das liegt vor allem daran, dass die Wasservögel zum Weiden auf die Wiesen und Felder fliegen, die weit vom Seeufer entfernt liegen. Auf dem See übernachten sie hauptsächlich.
Die beiden eingewanderten Tierarten sind ein weiteres Problem, das es zu lösen gilt. Laut Experten hilft nur ein gezielter Abschuss, um die Population zu dezimieren, die alteingesessene Arten immer mehr verdrängt. (rid)
„Es gibt eine Art Stammbesatzung hier – das sind Leute aus Bensheim und Lorsch, die bereits seit vielen Jahren kommen“, erklärt Hennings. Diese hätten Badestellen befestigt entlang des Ufers – was eigentlich auch streng verboten ist – und würden ihren Müll, manchmal sogar den der anderen mitnehmen. „Die fühlen sich der Erlache auch verbunden“, unterstreicht er. Mit denen ließe es sich leben. Die Mehrheit aber kenne keinen Respekt vor der Natur.
An dem Baggersee auf Bensheimer Gemarkung trifft man auf alles: jugendliche Partygänger, Menschen auf der Suche nach schnellen Sexualkontakten, Naturverbundene – ein Spiegel der menschlichen Gesellschaft. Dabei ist das Gewässer eigentlich nur für seine legalen Nutzer gedacht: Die Tiere und die Angler. Letztere zahlen eine relativ hohe Pacht – und müssen zahlreiche Einschränkungen in Kauf nehmen.
Es komme immer mal wieder vor, dass Angler mit der Bitte an Badegästen scheitern, diese mögen doch woanders baden. Laut Rainer Hennings würden diese sogar bedroht: „Hau ab oder wir werfen dich ins Wasser“, heiße es schnell. Eine Tatsache, die bestätigt werden kann: Bei der Recherche gab es ebenfalls eine brenzlige und unangenehme Situation.
Brenzlig ist auch das Baden an der Erlache: Durch den Kiesabbau ist eine dicke Schicht lehmiger Bestandteile entstanden – für Badende ein extrem gefährlicher, da noch nicht stabiler Untergrund. Zudem können steile Uferstücke abbrechen. Der so schön aussehende Sandstrand besteht aus fast „flüssigem“ feinen Sand, der schnell ins Rutschen gerät.
„Es wird nicht wirklich etwas gegen die illegalen Nutzer getan“, räumt Hennings ein. Nicht einmal das Kieswerk könne sein Hausrecht ausüben. „Die Menschen klettern einfach über den Zaun – dass das Hausfriedensbruch ist, interessiert keinen.“ Wieso es nur selten Anzeigen gibt? „Greifen Sie mal einem buchstäblich nackten Mann in die Tasche und suchen einen Ausweis.“
Wildfischerei ist ein großes Problem
Ein großes Problem seien die Schwarzangler, die im Bereich des Naturschutzgebietes Unmengen an Fischen aus dem See holen. Dabei kann Fischwilderei mit einer Gefängnisstrafe geahndet werden – auch die Bußgelder sind horrend. Drei- bis viermal im Jahr sammeln die Angler Sperrmüll ein, der illegal entlang der Erlache entsorgt wurde – ebenso häufig reinigen sie Ufer und Wäldchen von dem Unrat der Badegäste. Denn eigentlich ist und bleibt die Erlache ja ein Naturschutzgebiet.