Der erste Unverpackt-Laden Darmstadts freut sich über Zuwachs...

Wie wär's mit Hörnchennudeln? Bettina Will beim Abfüllen der Ware in ihrem Unverpackt-Laden. Foto: Andreas Kelm
© Andreas Kelm

Der Unverpackt-Laden im Martinsviertel ist bisher das einzige Geschäft in Darmstadt, das komplett auf Einwegverpackungen verzichtet. Die Lebensmittel werden stattdessen aus...

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DARMSTADT. Der jüngste Kunde im Unverpackt-Laden ist an diesem Mittag ein vier Jahre alter Junge. Sehnsüchtig steht er vor den Gefäßen mit Gummibärchen und Colafläschchen. Er weiß, wie er mit der Schütte in den Behälter kommt und dass es mit der Hand viel einfacher geht. Er weiß aber auch: Das ist nicht erlaubt.

Das hat ihm der Papa erklärt, der ein mitgebrachtes Glas aufschraubt, damit der Sohn ein paar Süßigkeiten abfüllen kann. Wie eine Trophäe trägt der Kleine das Gefäß zur Kasse, wo Geschäftsführerin Bettina Will noch Dosen mit Nudeln, Müsli und getrocknete Bananen abwiegt, bevor sie im Einkaufskorb landen.

Kompletter Verzicht auf Einwegverpackungen

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Die Atmosphäre in dem Laden in der Gutenbergstraße ist entspannt. An einem der beiden Holztische trinkt eine Kundin den von Bettina Will zubereiteten Kaffee, dazu isst sie einen Cookie und betrachtet die Geschäftigkeit im ersten Unverpackt-Laden Darmstadts. "Es ist wichtig, dass die Leute diese Möglichkeit des Einkaufens in einer Stadt dieser Größe haben", sagt die Chefin des Lebensmittelladens, der im Oktober 2016 eröffnet hat.

Das Geschäft im Martinsviertel ist das einzige, das komplett auf Einwegverpackungen verzichtet. Die Lebensmittel werden stattdessen aus sogenannten Bulk-Bins in die Gefäße gefüllt. Im Angebot sind Trockenprodukte wie Nudeln, Reis, Getreide und Hülsenfrüchte, Kaffee und Tee, Gewürze, Aufstriche, Molkereiprodukte, aber auch Waschmittel, Reiniger und Seifen - und frisches Obst und Gemüse.

Die Stammkunden bringen ihre Gefäße meistens mit, andere statten sich nach und nach damit aus. Eine Mutter spendiert der Tochter, einer zugezogenen TU-Studentin, die Erstausstattung: "Es lohnt sich nicht, große Mengen zu kaufen, wenn man allein wohnt", sagt die 19-Jährige und füllt eine der 22 Müslisorten ab. "Der Laden ist perfekt für meine Bedürfnisse", sagt sie und entscheidet sich neben Schoko Crisp noch für veganes Blaubeermüsli. "Dass ich von allem ein bisschen kaufen kann und keine riesigen Packungen zu Hause im Regal habe, finde ich total praktisch", sagt sie.

Praktisch, ja, "aber auch eine Notwendigkeit", sagt Bettina Will. Sie sieht in ihrem Laden weder eine Konkurrenz zum Wochenmarkt auf dem Riegerplatz noch zum Einzelhandel. Als Konkurrenz zu Rewe und anderen will sie sich dennoch verstanden wissen. "Wir sind die umweltfreundliche Alternative." Verpackungsfreies Einkaufen sei für die Umwelt und die Gesellschaft zukunftsweisend. "Daran führt kein Weg vorbei."

In Darmstadt beispielsweise fielen laut städtischer Pressestelle 2016 mehr als 30 600 Tonnen Restmüll an, an Wertstoffen waren es 4300 Tonnen. Das müsse sich ändern, so auch Michael Kolmer, Leiter des städtischen Amts für Wirtschaft und Stadtentwicklung. "Wir begrüßen den Trend zu Unverpackt-Läden sehr", sagt er. Sie leisteten als Bio-, Regio- und faire Läden nicht nur einen wichtigen Beitrag für die Belebung der Stadtteile, sondern seien auch eine innovationstreibende Alternative für den Einzelhandel, "Stichwort Ökobilanz".

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"Wir wollen und müssen Verpackungsmaterialien sparen", sagt Marlene Schatz vom Hofladen am Oberfeld. Dort gibt es Dinkel, Roggen und Weizen lose zu kaufen; auch die hofeigenen Dinkel-, Weizen und Eiernudeln landen in den mitgebrachten Gefäßen. Aus Platzgründen könne man das Unverpackt-Angebot in absehbarer Zeit nicht ausdehnen, sagt sie. "Aber mittelfristig wäre es schön, wenn wir auch Reis und Hülsenfrüchte lose hätten."

Hier wie dort ist die Resonanz der Kunden durchweg positiv. "Wir werden ständig darauf angesprochen", sagt Marlene Schatz. Und auch Bettina Will freut sich über die Kommentare der Kunden, die zum Großteil immer wieder kommen, wie zum Beispiel ein radelnder, drahtiger Pensionär aus dem Johannesviertel.

Angeregt durch ein Buch

"Ich habe in der Abfallwirtschaft gearbeitet", sagt er. "Unverpackt ist daher für mich ein Thema, Bio eine Selbstverständlichkeit." Er schätzt das Angebot an Hülsenfrüchten, Kernen und Nüssen. Kürzlich sei er auch auf unverpackte Waschmittel umgestiegen - angeregt durch das Buch "Fünf Hausmittel ersetzen eine Drogerie", das bei Bettina Will ausliegt.

Sie ist zufrieden mit der Bilanz der ersten 15 Monate und dass Kunden loben, die Auswahl sei wie früher beim Kaufmann. "Und wenn durch das selbstbestimmte Einkaufen eine Beziehung zum Produkt entsteht, dann macht mich das richtig glücklich."