"Digitale Stadt": Darmstadt gewinnt

Heag-Vorstandsvorsitzender Klaus-Michael Ahrend (links) und Darmstadts Oberbürgermeister Jochen Partsch bei der Preisverleihung am Montagabend. Foto: Patrick Körber

Darmstadt hat den Wettbewerb "Digitale Stadt" für sich entschieden. Der Digitalverband Bitkom hat dies am Montagabend auf einem Empfang beim Unternehmen SAP in Ludwigshafen...

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WALLDORF/LUDWIGSHAFEN. Darmstadt hat den Wettbewerb "Digitale Stadt" gewonnen. Das gab Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries auf dem Digital-Gipfel in Walldorf (Baden-Württemberg) bekannt. Den Wettbewerb hat der Branchenverband Bitkom ausgelobt.

Heag-Vorstandsvorsitzender Klaus-Michael Ahrend (links) und Darmstadts Oberbürgermeister Jochen Partsch bei der Preisverleihung am Montagabend. Foto: Patrick Körber
Darmstadt ist nun ganz offiziell "Digitale Stadt". Archivfoto: sakkmesterke - Fotolia, Montage: vrm/kl

Mit dem Wettbewerb verbinden sich millionenschwere Investitionen in die digitale Infrastruktur. Allein das Land Hessen hat der Stadt Darmstadt zehn Millionen Euro zugesichert, sollte Darmstadt den Titel Digitalstadt holen. Ferner werden auch die Bitkom-Unternehmen einen zweistelligen Millionenbetrag an Beratungen und Sachleistungen in Darmstadt einbringen.

Oberbürgermeister Jochen Partsch (Grüne), der die Urkunde im Eventzentrum des Softwareunternehmens SAP entgegennahm, zeigte sich begeistert. "Diese Auszeichnung ist keine Bürde, sondern eine Ehre", sagt er vor mehreren hundert geladenen Gästen aus Politik und Wirtschaft. In den nächsten Tagen werde das Projektteam zusammenkommen und über die weiteren Schritte beraten und festlegen, welche Leistungen, der von der Bitkom angebotenen Handlungsbereiche die Stadt Darmstadt abrufen will. Die Stadt will dazu eine eigene GmbH gründen. "Wir suchen uns das aus, was für uns gut ist", sagte Partsch. Ziel sei die Digitalstadt mit bundesweiter Strahlkraft zu entwickeln. Dazu wolle Partsch auch die unterlegenen Mitbewerber einbinden.

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"Großartig", freute sich Bundeswirtschaftsministerin Zypries für ihre Heimatstadt Darmstadt. Sie wünsche sich die Digitalisierung vor allem um die Parkplatzsuche in Darmstadt zu erleichtern. Ihr persönlicher Wunsch wäre auch eine bessere Ampelschaltung, um einen besseren Verkehrsfluss zu erreichen. Darmstadts IHK-Präsidentin Kristina Sinemus meinte, dass Darmstadt nun zum Digital Silicon Valley werden könne.

Mit der Unterstützung von mehr als 20 Partnerunternehmen wird Darmstadt nun zu einer digitalen Modellstadt ausgebaut. Ab Anfang 2018 werden Bereiche wie der Verkehrssektor, die Energieversorgung, Schulen und das Gesundheitswesen mit neuesten digitalen Technologien ausgerüstet. Zudem sollen künftig die öffentliche Verwaltung innovative Online-Anwendungen und der Handel intelligente Lieferdienste anbieten können. Auch die Telekommunikationsnetze sollen ausgebaut und verbessert werden. Das teilte der Digitalverband Bitkom mit.

Am Ausbau von Darmstadt zu einer digitalen Vorzeigestadt beteiligt sich ein breites Bündnis aus Digitalunternehmen, die das Projekt mit Produkten und Dienstleistungen in zweistelliger Millionenhöhe pro bono unterstützen. Das Projektmanagement wird bereits im Juli seine Arbeit aufnehmen. Die ersten Anwendungen folgen im kommenden Jahr. "Die Investitionen machen den Standort für weitere Unternehmen attraktiv und werden Folgeinvestitionen nach sich ziehen. Andere Städte werden von den Entwicklungen in Darmstadt lernen, dadurch wird ein wichtiger Impuls für die digitale Transformation von Deutschlands Städten und Gemeinden gesetzt", sagte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder.

Darmstadt setzte sich in einem engen Finale gegen Heidelberg, Kaiserslautern, Paderborn und Wolfsburg durch. Die Gewinnerstadt erzielte bei der Bewertung durch die sechsköpfige Jury die höchste Gesamtpunktzahl. Bewertet wurden Strategien und Konzepte der Bewerberstädte. Dabei ging es insbesondere um die jeweilige Vision einer digitalen Stadt, die Unterstützung vor Ort, professionelles Projektmanagement, nachhaltige Entwicklung und Kommunikationsstrategien.

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"Die Bewerbung von Darmstadt hat die Jury vor allem aufgrund ihrer ausgewogenen Einbeziehung der verschiedenen Themenbereiche und Facetten einer digitalen Stadt überzeugt. Die bereichsübergreifende Vernetzung aller Sektoren mit dem Fokus auf hochprofessionelle Cyber-Sicherheit ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Digitale Stadt Darmstadt", sagte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Rohleder. Die Entscheidung sei denkbar knapp ausgefallen. "Alle Bewerber haben absolut überzeugende Konzepte eingereicht und die Jury mit Kreativität und Engagement, mit Begeisterung und Professionalität beeindruckt. Der Wettbewerb hat gezeigt, dass die Finalstädte auf einem guten Weg in Richtung digitale Zukunft sind. Darin möchten wir alle Teilnehmer ausdrücklich bestärken."

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund würdigte den Wettbewerb als herausragenden Beitrag für die digitale Transformation von Kommunen. "Alle teilnehmenden Städte haben bewiesen, dass es bereits heute möglich ist, durch Digitalisierung die Standortattraktivität und die Lebensqualität vor Ort zu verbessern. Sehr viele Städte und Gemeinden in Deutschland werden nun sehr aufmerksam verfolgen, wie die Umsetzung der Konzepte in der Siegerstadt angegangen wird", sagte DStGB-Hauptgeschäftsführer Dr. Gerd Landsberg.

Neben Bitkom und dem Deutschen Städte- und Gemeindebund beteiligen sich folgende Unternehmen an dem Projekt: Deutsche Telekom, Hewlett Packard Enterprise, SAP, Software AG, Vodafone, Autodesk, Civocracy, Deutsche Bahn, DJI, DocMorris, DPD Dynamic Parcel Distribution, ebay, ecsec, eluminocity, Esri, Intel, Kathrein, Little Bird, m.doc, nebenan.de, PTV Group, Roland Berger, Samsung, Speed4Trade und Vitaphone.

Der Wettbewerb "Digitale Stadt" war Ende November 2016 gestartet. Bewerben konnten sich mittelgroße Städte mit rund 100.000 bis 150.000 Einwohnern. Voraussetzungen waren neben der Einwohnerzahl eine städtische Prägung, eine gute Infrastrukturanbindung und die Nähe zu einer Hochschule. In der ersten Runde hatten sich 14 Städte beworben. Weitere Informationen finden sich auf www.digitalestadt.org.

Politiker, Unternehmen und Wissenschaftler hatten sich zuvor zum Start des Digitalgipfels in Ludwigshafen für eine zügige Vernetzung von Daten im Gesundheitswesen ausgesprochen. "Wir sind jetzt dabei, Krankenhäuser, Arztpraxen und die 70 Millionen gesetzlich Versicherten über ein sicheres Netz miteinander zu verbinden", sagte Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU). Letzte Sicherheitstests seien erfolgreich abgeschlossen, sodass die erforderliche Technik bis Ende kommenden Jahres flächendeckend in allen Kliniken und Praxen verfügbar sein werde.

Röntgenbilder, Laborberichte, Daten zu Untersuchungen, Impfungen oder Medikamenten sollten nicht länger in einzelnen Praxen, Kliniken oder Rehazentren liegen, sondern für Patienten zentral verfügbar sein, empfahl Microsoft Deutschland. Um den Anforderungen etwa in der Telemedizin gerecht zu werden, komme es auf reaktionsschnelle Netzverbindungen an, betonte der schwedische Netztechnikanbieter Ericsson und nannte dabei die Mobilfunktechnik 5G.

Das Hasso-Plattner-Institut in Potsdam (HPI) stellte auf dem Digitalgipfel einen "radikal patienten- oder bürgerorientierten Ansatz" vor. "Dabei bieten wir den Patienten die Möglichkeit, ihre Daten in einer Gesundheitscloud abzulegen, die wir entwickeln", sagte HPI-Direktor Christoph Meinel. Die Patienten können dann entscheiden, welcher Art von Datennutzung auf Seiten von Ärzten, Krankenhäusern oder Unternehmen sie zustimmen.

Von pak/red/dpa