Corona und - klar - die hohen Spritpreise machen den Fahrschulen zu schaffen. Hinzu kommen aggressivere Autofahrer, zartbesaitete Schüler, anstrengende Eltern - und mehr.
Darmstadt. Dass Fahrlehrer gute Nerven brauchen, ahnt man. Brenzlige Situationen im Straßenverkehr müssen sie stets im Blick haben und im Notfall immer bereit sein, ins Lenkrad zu greifen oder die Notbremse zu treten. Doch die vergangenen Jahre haben Darmstadts Fahrlehrern zusätzlich einiges an Nervenstärke abverlangt, was nichts mit missachteten Vorfahrtsregeln oder übersehenen Stopp-Schildern zu tun hatte: Während der Corona-Lockdowns mussten Fahrstunden ausfallen –für selbstständige Fahrlehrer ein Desaster– und mit Beginn des Angriffs Russlands auf die Ukraine stiegen die Spritpreise in bisher nie dagewesene Sphären.
„Unser Gewinn ist definitiv geringer geworden”, bedauert Christopher Lamer von „Riekhof & Lamer Fahrschulen GmbH”. „Wir schauen jetzt ganz genau, wo wir tanken und wann, und stehen häufig spätabends in unserer Freizeit an der Tankstelle. So wie viele andere Autofahrer auch.” Da könne man bis zu acht Cent pro Liter sparen. Geld, das dafür sorgt, dass nicht jede Preiserhöhung gleich auf die Kunden abgewälzt werden muss. Zudem versuche man, den Schülern wirtschaftliches Fahren beizubringen: „Früher hochschalten, keine zu hohen Drehzahlen, gleichmäßiges und nicht zu schnelles Fahren.” Dennoch gibt es laut Lamer immer mehr Interessenten, die in Raten zahlen möchten. „Doch damit können wir nicht kalkulieren. Wir haben ja unsere laufenden Kosten: Miete, Strom, Leasingraten von Fahrzeugen und Versicherungen.”
Der Fahrlehrer weiß, wie schwierig ein Führerschein für viele zu finanzieren ist, aber für Job, Studium und auch Freizeit ist er eben immer noch häufig das Mittel zum Zweck. Zwar wird der öffentliche Nah- und Fernverkehr stetig besser, aber im Zuge der Pandemie hat sich so mancher eben doch lieber allein in sein Auto gesetzt anstatt sich mit zig anderen in einen Bus oder eine Bahn zu quetschen.
„Auch beim teilautonomen Fahren muss man die Knöpfe bedienen können.
Auch Gerwin Messing, Inhaber der Fahrschule Messing, hat nach wie vor viel zu tun. Wie das allerdings in der Zukunft aussehen wird – in Zeiten von autonomem Fahren – weiß er jetzt noch nicht. Im Moment lehrt er das Fahren in teilautonomen Fahrzeugen, darunter Hybridautos und ab kommendem Jahr auch ein E-Auto. Doch die modernen Assistenzsysteme müssen gerade in stressigeren Verkehrssituationen bedient werden können. Und dafür braucht es Fahrlehrer. „Allerdings gibt es viel zu wenige auf dem freien Markt, die in einem Angestelltenverhältnis arbeiten wollen”, sagt Messing und ist froh, erst vor kurzem nach langem Suchen zwei Azubis eingestellt zu haben. Dabei sind die Verdienste gut, die Ausbildung mit 12 Monaten verhältnismäßig kurz. Doch wo ein Fachkräftemangel herrscht, braucht man auch mehr Geduld.
„Ein Jahr im Voraus sollte man sich derzeit am besten schon anmelden. Hinzu kommt, dass die Behörden seit Corona ebenfalls viel längere Wartezeiten haben”, so Messing. Und auch die Kosten für die Fahrschüler mussten den Krisen der vergangenen Jahre angepasst werden. So habe ein Führerschein vor 10 Jahren noch rund 2.500 Euro gekostet. Heute kommt man locker auf 4.500 Euro; gesetzt den Fall, man ist halbwegs talentiert.
Auf den Straßen geht es immer aggressiver vor.
Doch selbst mit viel Talent werden die Herausforderungen auf den Straßen immer größer; da sind sich beide Fahrlehrer einig: „Das Verhalten im Verkehr wird immer hektischer und aggressiver”, klagt Christopher Lamer über den Egoismus mancher Raser und Drängler. Gerwin Messing bemängelt „die Masse der Fahrzeuge auf zu wenigen Straßen” und vermisst mehr Präsenz der Polizei.
Unterschiedliche kulturelle Hintergründe erschweren manchmal zusätzlich die Verkehrssicherheit. Bereits in europäischen Nachbarländern herrschen leicht abgeänderte Verkehrsstatuten, was auch mit der unterschiedlichen Infrastruktur zu tun hat. Schaut man in außereuropäische Länder, gelten gar noch ganz andere Verkehrsregeln und auch manchmal eine andere Verkehrsmoral. Deshalb müssten ausländische Führerscheine oft umgeschrieben und Prüfungen abermals abgelgt werden. „Ebenfalls neu ist folglich, dass Fahrlehrer heute mindestens zweisprachig unterrichten können”, erläutert Messing.
„Und es ist mehr psychologisches Gespür vonnöten”, glaubt Kollege Lamer. „Einige Fahrschüler sind heute deutlich zarter besaitet. Ist man zu streng, dann muss man Sorge haben, dass sie nicht mehr kommen. Andere haben einen aggressiveren Fahrstil.” Die muss man dann eben in ihre Schranken weisen, jedoch ist dafür Fahrschule ja schließlich auch da.
Gerwin Messing jedenfalls kommt gut mit den jungen Leuten klar. „Aber die Eltern heutzutage, die sind in ihrer Betreuungsmentalität definitiv anstrengender.”