Junge Leute zwischen 14 und 17 greifen verstärkt zu Glimmstängeln. Doch je früher man damit anfängt, desto schwerer fällt das Aufhören, sagt der Darmstädter Mediziner.
Darmstadt. Rauchen ist erst ab 18 erlaubt, Zigaretten sind teuer und schaden der Gesundheit. Das sollte eigentlich abschrecken. Trotzdem ist der Anteil der 14- bis 17-Jährigen unter den Raucherinnen und Rauchern im vergangenen Jahr sprunghaft auf 15,9 Prozent angestiegen: Im Vorjahr lag der Wert noch bei 8,7 Prozent, heißt es in der „Deutschen Befragung zum Rauchverhalten“ der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Ebenfalls zugenommen hat die Zahl der Raucher über 25. In dieser Gruppe ist die Zahl von 16 Prozent (2020) auf 36 Prozent (2022) gestiegen.
Viele Menschen, die früh mit dem Rauchen angefangen haben, entwickeln oft schon mit Anfang/Mitte 50 schwere Lungenerkrankungen
„Dieser Anstieg ist alarmierend“, sagt Dr. Cihan Celik, Facharzt für Innere Medizin und Pneumologie am Klinikum Darmstadt. Er begrüßt, dass das Thema aufgrund der Umfrage in den Blick der Öffentlichkeit gerückt ist. „Was in dieser Altersgruppe passiert, ist ja ein bisschen wie eine Blackbox.“ Nun sei es vor allem wichtig, herauszufinden, warum Kinder und Jugendliche immer früher in den Nikotinkonsum einsteigen. Fakt sei: „Je früher man mit dem Rauchen anfängt, desto geringer sind die Erfolgschancen, von der Sucht wieder wegzukommen.“ Bei Jugendlichen sei die Gehirnentwicklung nämlich noch in einer empfindlichen Phase, und damit sei eben auch die Wahrscheinlichkeit hoch, das Suchtverhalten später im Leben nicht mehr in den Griff zu kriegen. Hinzu komme das erhöhte Erkrankungsrisiko für Raucher. „Viele Menschen, die früh mit dem Rauchen angefangen haben, entwickeln oft schon mit Anfang/Mitte 50 schwere Lungenerkrankungen“, erzählt Celik.
Corona-Pandemie hat zu Stress und Ängsten geführt
Zu den Ursachen für den drastischen Anstieg werden in der Studie keine Angaben gemacht. Für Studienleiter Dr. Daniel Kotz von der Uni Düsseldorf ist die Corona-Pandemie ein Grund, da sie bei vielen Menschen zu „Stress und Ängsten“ geführt habe. Durch das Arbeiten im Homeoffice sei zudem bei vielen die soziale Kontrolle weggefallen. An vielen Arbeitsplätzen herrsche auch ein Rauchverbot. In einem Interview mit dem WDR bemängelte Kotz zudem, dass Deutschland nicht streng genug beim Thema Rauchen sei. Der Preis für Zigaretten in Deutschland sei niedriger als in vielen anderen Ländern und auch beim Thema Werbung oder Packungsdesign würden in anderen Ländern strengere Regeln gelten.
Auch nach Meinung von Celik sollte bundesweit über die im europäischen Vergleich „sehr laxe Tabakkontrolle“ diskutiert werden. Die Tabakindustrie habe dem Trend zum Nichtrauchen in den vergangenen Jahren erfolgreich entgegengesteuert, indem sie mit vermeintlich gesünderen Produkten wie Tabakerhitzer und E-Zigaretten dem Rauchen ein neues Image verpasst und so auch neue Käuferschichten erreicht habe. Dies sieht der Mediziner kritisch: In Einzelfällen, so Celik, könnten diese Produkte vielleicht für jemanden, der stark geraucht hat und den Konsum reduzieren möchte, eine Methode sein, um davon wegzukommen. Doch gerade mit Blick auf den steigenden Anteil von jungen Menschen, die E-Zigaretten konsumieren, warnt der Facharzt: „Wir wissen aus Untersuchungen aus anderen Ländern, dass es eben oft nicht nur bei der E-Zigarette bleibt.“ Im Zuge dessen müsse man darüber sprechen, das Werbeverbot auch auf die neuen Produkte auszuweiten. „Sie gehören nicht in die Hände von Jugendlichen.“ Es handele sich bei ihnen auch nicht um eine gesündere Variante des Rauchens.
„Das Beste, das Raucherinnen und Raucher für ihre Gesundheit tun können, ist unverzüglich aufzuhören“, so Professor Heino Stöver vom Institut für Suchtforschung an der Frankfurt University of Applied Sciences. Falls dieses Ziel nicht erreichbar ist, empfiehlt er den kompletten Umstieg auf Alternativprodukte ohne Tabakverbrennung (E-Zigaretten, Tabakerhitzer, tabakfreie Nikotinprodukte). Wichtig sei, dass so schnell wie möglich ein vollständiger Umstieg erfolge und nicht parallel weitergeraucht werde, da selbst das Rauchen von einigen wenigen Zigaretten am Tag noch mit hohen Gesundheitsrisiken verbunden sei.