Mit Howard Carpendale kommt der Schlager-Dino nach Darmstadt. Es ist ein Abend für Feinfühlige – und jene, die auch etwas für Weltpolitik übrig haben.
DARMSTADT. Was haben Donald Trump, Howard Carpendale und Briefmarken miteinander zu tun? Ist der Schlagerbarde unter die Philatelisten gegangen? Tatsächlich haben sich beide Mittsiebziger vor Jahren auf einem Golfplatz in Florida kennengelernt, und des Ex-Präsidenten sehnlichster Wunsch war damals, sein Konterfei eines Tages auf Briefmarken wiederzufinden. Als dies irgendwann auch eintrat, habe Carpendale aber festgestellt, dass die kleinen Marken gar nicht richtig kleben. „Die Menschen haben immer auf die falsche Seite gespuckt“, so die einfache Erklärung.
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An diesen und anderen Anekdoten lässt der Sänger sein Publikum auf dem Schlossgrabenfest zuhauf teil werden. Klar, mit 76 hat man auch so gut wie alles von der Welt gesehen. „Howie", wie ihn all seine Fans nennen (was er eigentlich gar nicht mag), ist damit so etwas wie der Duracell-Hase des Business: Unstet, unerschöpflich und wenn er dann doch mal Pause macht, war es schlicht eine falsche Eingebung. Nicht anders ist es wohl zu erklären, dass er zwischen 2003 und 2007 tatsächlich so etwas wie einen Ruhestand probte - und damit krachend scheiterte. Glück für die Darmstädter: Sie kommen am Freitagabend damit in den Genuss eines anderthalbstündigen Best-of des Deutsch-Südafrikaners.
Wobei das gar nicht so einfach ist: Das Schaffenswerk umfasst drei Dutzend Studioalben, „700 Aufnahmen“, wie der Schlager-Dino selbst rekapituliert und eine Menge Ansagen zwischen den einzelnen Stücken, so dass die Setlist am Ende doch sehr gepresst ist. Gut, mit „Hello again“ ist der Opener eigentlich selbsterklärend. Es ist die immerwährende Koketterie mit dem eigenen Comeback, und „20 Uhr 10“ in Anlehnung an seinen bevorzugten Arbeitsbeginn passt auch deshalb gar nicht, weil Carpendale um 21.40 die Merck-Bühne betritt.
Auf dem Karolinenplatz trifft der rastlose Künstler auf eine Schar Tausender Gelbhutträger zwischen 45 und Ende 60, die in Sachen Selfie-Affinität der jüngeren Generation aber in nichts nachsteht. Zwischen Brunftlauten („Howie, du geile Sau!“), Bier und Beifall bleibt dann aber doch genug Zeit, dem Idol bei den Refrains genug Lautstärke zurückzugeben, und davon macht „Howie“ bereitwillig Gebrauch.
Überhaupt ist der Sänger an diesem Abend sehr agil unterwegs, bei den Outros dirigiert er seine Band mitsamt Backgroundsängern mit rudernden Armen. Und da alle dem Maestro gehorchen, ist Carpendale einmal mehr Herr über Zeit und Sommerschal. Er bestimmt den Takt, seine eigenen Ruhepausen auf dem gepolsterten Bühnenstuhl oder wann die passende Gelegenheit gekommen ist, die großpolitische Wetterlage anzusprechen. Denn bei Trump möchte er es nicht bewenden lassen. Schließlich ist Krieg – genauer gesagt sind es 23 größere auf der Welt, wie Carpendale vorrechnet - „und acht Milliarden Menschen haben einfach keinen Bock auf Krieg“, stellt er treffend fest.
Gesungen wird natürlich auch, am inbrünstigsten zu „Tür an Tür mit Alice“, einer zeitgemäßen Interpretation des „Schönen Mädchens von Seite 1“ (1970 der Siegersong im Schlagerwettbewerb) und natürlich zur Umberto-Tozzi-Melodie „Ti amo“. Gerne verweist Carpendale bei Konzerten darauf, der Älteste im Saal – in diesem Fall auf dem Platz – zu sein. Das könnte auch dieses Mal ungefähr hinhauen. Es bleibt sein ureigenes Geheimnis, welche Lebensbatterie ihn antreibt. Und sie wird auch in Zukunft nicht so schnell leer werden. Bis auf ein nächstes „Hello again“.