70 Prozent der Darmstädter Arbeitsplätze sind von Pendlern besetzt. Überfüllte Straßen und schlechte Luft sind die Folge. Doch die Stadt will Abhilfe schaffen.
DARMSTADT. Darmstadt ist mit seinen Unternehmen und Wissenschaftsinstitutionen einerseits und einem angespannten Immobilienmarkt andererseits eine Einpendler-Stadt. Laut Zahlen der Bundesagentur für Arbeit werden knapp 70 Prozent der hiesigen Arbeitsplätze von außerhalb wohnenden Beschäftigten bedient. Da viele mit dem Auto kommen, belastet das die Straßen und Luft. Die Politik bewirbt und forciert eine Verkehrswende. Was aber tut die Stadt als Arbeitgeber, um ihre Pendler vom Auto wegzubewegen?
Laut Auskunft der städtischen Pressestelle zählt man aktuell 3873 Beschäftigte, davon wohnen 2184 außerhalb. Damit hat sich der Anteil der Einpendler nicht groß verändert im Vergleich zu einer Mobilitätsbefragung der Stadt vor rund zehn Jahren, bei der 54 Prozent der Mitarbeitenden Auskunft gegeben haben: Etwa 54 Prozent der Beschäftigten lebten nicht in Darmstadt, die meisten davon in Griesheim, Weiterstadt und Pfungstadt.
Damals hat die Stadt im Rahmen des Programms „Südhessen effizient mobil“ für Unternehmen und Behörden zur Förderung des betrieblichen Mobilitätsmanagements umfassende Analysen betreffs ihres Personals vorgenommen. „Der Großteil der Beschäftigten lebt in einem Umkreis von etwa zehn Kilometern zum Arbeitsplatz“, gibt Stadtsprecher Marcus Stippak eine Erkenntnis wieder. „Diese Beschäftigten können in der Regel ihren Arbeitsplatz gut mit dem Rad erreichen.“ Für die Hälfte davon wäre das innerhalb einer halben Stunde möglich.
Mit dem öffentlichen Nahverkehr sei die Erreichbarkeit überwiegend gut. Nur etwa ein Viertel der Beschäftigten gab an, den Arbeitsplatz nicht mit Bus und Bahn erreichen zu können. „Bei der Beschäftigtenbefragung 2012 war das am häufigsten genutzte Verkehrsmittel auf dem Weg zur Arbeit allerdings noch das Auto.“ 55 Prozent der Beschäftigten seien damit zur Arbeit gekommen, gefolgt vom ÖPNV mit einem Anteil von 22 Prozent, dem Fahrrad mit 17 Prozent und zu Fuß mit sechs Prozent.
Was sich seit 2014 verbessert hat
Auf die Frage nach Verbesserungsvorschlägen gab es die meisten Nennungen zu günstigeren ÖPNV-Tickets und einem Jobticket. Das aufgreifend, hat die Stadt 2014 zunächst ein vergünstigtes Jobticket eingeführt und bietet seit Januar 2020 ein kostenfreies Jobticket für alle Beschäftigten inklusive des EAD und das gesamte RMV-Gebiet an. Hauptanregung Nummer zwei, nämlich die Verbesserung der Radinfrastruktur, sei ebenfalls angegangen worden – etwa durch Ausbau der Abstellmöglichkeiten für Fahrräder oder die Anschaffung hochwertiger Diensträder.
Jobtickets anbieten und Angebote für Pendelnde per Pedale ausbauen: Das sind auch die Stellschrauben, an denen bei den städtischen Töchtern gedreht wird. Beim Klinikum Darmstadt, wo laut Pressesprecherin Eva Bredow-Cordier rund 70 Prozent der 3350 Beschäftigten von außerhalb kommen, wurde das Jobticket 2017 eingeführt, es werde heute genutzt von 1355 Mitarbeitenden. Und 2021 wurden die Fahrradabstellplätze „von 100 massiv auf insgesamt 384 Stellplätze erhöht“.
Auch Heag Mobilo gibt an, das Fahrradparken im vorigen Jahr an den beiden Standorten Böllenfalltor und Frankenstein ausgebaut zu haben auf insgesamt 100 Stellplätze. Das Jobticket bietet der zentrale Nahverkehrsbetreiber mit 800 Beschäftigten, davon 500 Einpendler von außerhalb, bemerkenswerterweise erst seit Juli 2020 an. Benutzt werde es aktuell von mehr als 700 Angestellten.
Autoparkplätze reduzieren
Kein Jobticket offeriert unterdessen die Entega als lokaler Energieversorger ihren 1880 Beschäftigten in Darmstadt, von denen laut Unternehmenssprecher Michael Ortmanns 400 in der Stadt leben. Da sie durch ihre vielen Monteure einen hohen Anteil an Dienstfahrzeugen hätten, würde das einen erheblichen Arbeitgeberaufwand bedeuten. Deshalb habe man sich für individuelle Regelungen entschieden und biete jeweils 50-prozentige Zuschüsse für die ÖPNV-Nutzung an. Auch das Angebot an Fahrradstellplätzen hält sich in Grenzen: Für Personal werden am zentralen Standort in der Frankfurter Straße knapp 50 vorgehalten.
Auto-Parkplätze indes bietet die Entega dort 540 an. Das Klinikum hält für Mitarbeitende rund 300 Stellplätze vor, bei Heag Mobilo sind es 165. Die Stadt listet für alle Verwaltungsstandorte 400 Parkplätze auf. Wie viele Stellplätze für Räder angeboten werden, wird nicht konkretisiert.
Aber abschließend die Herausforderung für ein erfolgreiches Mobilitätsmanagement beschrieben, neben Anreizen zur Nutzung von Rädern oder ÖPNV auch sanktionierende Maßnahmen einzusetzen „und Pkw-Parkplätze zu reduzieren bzw. gebührenpflichtig zu gestalten“.
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