Dieter Schnabel, der stellvertretende Vorsitzende, hatte bei einem Lichtbildervortrag im „Marstall“ anhand von Postkarten und alten Schwarz-Weiß-Fotos Zeugnisse jüdischen...
HEPPENHEIM. Dieter Schnabel, der stellvertretende Vorsitzende, hatte bei einem Lichtbildervortrag im „Marstall“ anhand von Postkarten und alten Schwarz-Weiß-Fotos Zeugnisse jüdischen Lebens in der Stadt Heppenheim dokumentiert – ein erster Beitrag des Geschichtsvereins im Begleitprogramm zur Ausstellung „Legalisierter Raub. Der Fiskus und die Ausplünderung der Juden in Hessen 1933 bis 1945“ im Lorscher Museumszentrum, der auf großes Interesse gestoßen war. Auch am Sonntag, zur Führung „Was nach 1945 geblieben ist: Das jüdische Erbe Heppenheims“ mit Professor Karl Härter, dem Vorsitzenden des Vereins, kamen mehr als 50 Teilnehmer vor dem Martin-Buber-Haus an der Werléstraße zusammen.
Ein Treffpunkt, der gleich ins Thema einführte, denn auch der bekannte Religionsphilosoph, der hier von 1916 bis 1938 mit seiner Familie gelebt hat, wurde 1938 im Pogromjahr der Nazis gezwungen, die Heimat zu verlassen.
700 Jahre jüdische Kultur und Geschichte
Die Familie verlor bei den Plünderungen ihr Hab und Gut und musste die zusätzliche Demütigung ertragen, für die Schäden selbst aufkommen zu sollen; ein Schicksal, das Buber mit all den anderen jüdischen Bürgern teilen musste, die ihre Häuser und Geschäfte durch Zwangsverkäufe, Zwangsversteigerungen und Zwangsbesteuerungen verloren, wobei sich die neuen Nutznießer „legaler Methoden“ – in Riesenanführungszeichen – bedienten, so Härter.
Von den 130 Juden, die damals in der Stadt zu Hause waren, verloren 24 Frauen und Männer auch noch ihr Leben. „Und Heppenheim“, sagte Härter, „verlor damit ein Stück seiner fast 700 Jahre alten jüdischen Kultur und Geschichte.“ Einige wenige Spuren sind noch zu finden, wie das jüdische Frauenbad, die „Mikwe“, am ehemaligen Standort des „Diebsturms“ am Stadtbach oder die runden Fenster im Giebel der alten, 1791 erbauten Synagoge im Haus Kleine Bach Nummer 3, die bis zum November 1938 mit Davidsternen geschmückt waren. Erhalten ist zudem, auch nach mehrmaligem Besitzerwechsel, der Synagogenraum im Dachgeschoss, den Hermann Müller vom Geschichtsverein wenige Wochen zuvor fotografiert hatte. Auch das Nachbarhaus Kleine Bach 1 war als Haus Goldschmidt jüdisches Eigentum.
Zuvor hatten die Teilnehmer der Führung auf dem Marktplatz das frühere Haus der Familie von Baruch Hirsch aufgesucht, einem Tuch- und Weinhändler, der 1885 auswanderte und dessen Söhne die neue Synagoge am Starkenburgweg – hier endete am Sonntag die Stadtführung – gestiftet hatten. Die Heppenheimer Synagoge war nach Plänen von dem als „Baumeister der Bergstraße“ in die Geschichte eingegangenen Architekten Heinrich Metzendorf errichtet und im Oktober 1900 unter großer Teilnahme der Bevölkerung eingeweiht worden. Mit der Zerstörung der Synagoge in den Morgenstunden des 10. November 1938 wurde jüdisches Leben in Heppenheim endgültig zerschlagen.
Der Standort des jüdischen Geschäfts, „an prominenter Stelle am Großen Markt und direkt am Prozessionsweg gelegen“, zeigt für Härter, dass im 19. Jahrhundert die Juden doch integriert und akzeptiert waren. Auch auf dem Kleinen Markt, direkt am Standort der Mariensäule, dem traditionellen Treffpunkt der Pilger nach Walldürn, hätte ein jüdischer Metzger seinem Gewerbe nachgehen können. Das wertet Härter als Beleg für das frühere entspannte Zusammenleben der Bürger unterschiedlichen Glaubens in Heppenheim.
Legal geraubt wurde auch das ehemalige Kaufhaus Mainzer. Am 3. November 1938 an den Landauer Kantinenwirt Heußer für 88 500 Reichsmark verkauft (die Summe wurde nie ausgezahlt), wurde das Anwesen beim Novemberpogrom verwüstet, Wertgegenstände, Warenbestand und Vermögen zwei Jahre später beschlagnahmt. Die Entschädigung, die nach dem Krieg ausgehandelt wurde, sowie der Erlös des Verkaufs an Peter Metzendorf reichten in den fünfziger Jahren gerade aus, um die Restschulden abzutragen: „Das Unrecht hat sich fortgesetzt.“