„Andere Dimension“: Lampertheim rüstet sich für Flüchtlingswelle

22.03.2023 Lampertheim 
Schafft Lampertheim das?
Im vergangenen Jahr musste eine Hauruck-Aktion herhalten, um die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in Lampertheim unterzubringen. Nun bereitet sich die Stadt erneut auf viele Flüchtlinge vor. Im Interview spricht Andreas Dexler, Leiter der Stabsstelle Soziales, über die Herausforderungen. 

Andreas Dexler
© Thorsten Gutschalk

Pro Quartal erwartet die Stadt etwa 100 Flüchtlinge. Im Interview erklärt Andreas Dexler, Leiter der Stabsstelle Soziales, was die Lage in diesem Jahr so herausfordernd macht.

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Herr Dexler, vor einem Jahr kamen viele Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine nach Lampertheim. In einer Hauruck-Aktion wurde die Alte Forstschule als Unterkunft fit gemacht. Wie blicken Sie auf den März 2022 zurück?

Es war eine sehr herausfordernde Zeit. Wir haben vom Kreis Bergstraße recht kurzfristig per E-Mail erfahren, dass ein Bus mit ukrainischen Kriegsflüchtlingen zu uns kommen wird. Danach hatten wir rund 48 Stunden Zeit, um alles in die Wege zu leiten. In der Unterkunft mussten wir teilweise Waschbecken austauschen, um alles einigermaßen für die Ankunft vorzubereiten.

Welchen Anteil hatte die Lampertheimer Bevölkerung, dass die Stadt die Flüchtlingswelle gemeistert hat?

Die Unterstützung war enorm groß. Es war viel Men- und Womenpower gefragt, um alles zu meistern. Wir haben Übersetzer gebraucht, weil viele Flüchtlinge weder Deutsch noch Englisch gesprochen haben. Viele Fahrdienste waren notwendig, um die Menschen beispielsweise für Behördengänge nach Heppenheim zu bringen.

Lampertheim verfügt über ein eng gestricktes Hilfenetzwerk…

Die Verwaltung hat damals extra eine E-Mailadresse für die Ukraine-Hilfe eingerichtet, die auf eine große Resonanz vonseiten der Bevölkerung gestoßen ist. Wir haben außerdem von den Hilfeorganisationen wie den Helping Hands oder dem Emil-Hilfeladen und deren Knowhow profitiert. Es ging immer auch darum, die Hilfe zu kanalisieren und Ressourcen der Hilfsbereitschaft zielgerichtet einzusetzen.

Ist die Integration der Menschen aus Ihrer Sicht gelungen?

Nach ihrer Ankunft waren die Kriegsflüchtlinge erst einmal überfordert. Sie kamen in Lampertheim an, landeten in der Alten Forstschule mitten im Wald und waren von der langen Reise einfach nur erschöpft, müde und voller Sorge um daheimgebliebene Angehörige. So trafen unterschiedliche Erwartungen aufeinander. Wir wollten helfen, die Menschen aber erst einmal ankommen.

Wie ging es weiter?

Viele Ukrainerinnen und Ukrainer befinden sich noch in Sprachkursen. Der Spracherwerb ist angesichts der oftmals erst einmal zu durchlaufenden Alphabetisierung ein längerer Prozess. So haben wir zum Beispiel einen Spieletreff für Intensivklassenkinder etabliert. Viele ukrainische Kinder nutzen dieses Angebot. Wir haben noch zu vielen Personen Kontakt und fungieren mit unseren Partnern im Gemeinwesen als Brückenbauer im Integrationsprozess.

Was hätte rückblickend besser funktionieren können?

Innerhalb der Verwaltung war die Zusammenarbeit gut und der Zusammenhalt groß. Mit externen Stellen hätte die Kommunikation besser funktionieren können. Allerdings war das insgesamt ein sehr dynamisches Geschehen, und viele haben am Limit gearbeitet.

Welche Lehren ziehen Sie aus der Situation vom vergangenen Jahr?

In viele Richtungen muss die Kommunikation besser klappen. Auch wir als Verwaltung müssen der Bevölkerung noch deutlicher klarmachen, was die Menschen tatsächlich benötigen. In diesem Jahr haben wir beispielsweise gleich nach Bekanntwerden der auf uns zukommenden Zuweisungen verwaltungsintern eine Task Force gebildet und uns auch interkommunal mit anderen Städten und Gemeinden im Ried ausgetauscht. Mit den ehrenamtlichen Akteuren wird es nach Ostern einen ersten runden Tisch geben.

Schon bald werden Lampertheim wieder Flüchtlinge zugewiesen. Lassen sich die Situationen von 2022 und 2023 vergleichen?

Wir können auf Erfahrungen aus dem vergangenen Jahr zurückgreifen. Aber vergleichen lassen sich die Lagen nicht. Im vergangenen Jahr war die Zahl der Flüchtlinge vergleichsweise überschaubar. Jetzt sprechen wir über eine andere Dimension. Wir erwarten etwa 100 Menschen pro Quartal in Lampertheim – vor allem Drittstaatler.

Wo sollen die Menschen unterkommen?

Der erste Schwung soll wieder in der Alten Forstschule untergebracht werden. Dann müssen wir auch andere Orte ins Auge fassen. Die Flüchtlingsunterkünfte sind im Prinzip alle belegt, und der Wohnraum in der Stadt ist ausgereizt. Es kann aber keine Lösung sein, Flüchtlinge ausschließlich im Wald oder in Industriegebieten unterzubringen. So werden die Menschen exkludiert.

Sie haben davon gesprochen, dass im vergangenen Jahr eine große Solidarität in der Bevölkerung herrschte. Wie beurteilen Sie die Lage diesmal?

Es ist viel Offenheit in der Gesellschaft gefragt. Um die Integration erfolgreich zu gestalten, wollen wir unter anderem Menschen mit Fluchterfahrung und bereits erfolgtem Integrationsprozess in das Hilfesystem integrieren.

Was ist außerdem nötig?

Den Begriff Vielfalt müssen wir positiv konnotieren. Jeder ist gefragt, und wir profitieren auch von Zuwanderung. Sei es auf dem Arbeitsmarkt oder durch mehr Vielfalt in der Gesellschaft. Klar ist aber: Es wird schwieriger als letztes Jahr. Es kommt eine andere Personengruppe. Außerdem sind viele Menschen durch die Energie- und Inflationskrisen selbst ganz anders belastet.

Schafft Lampertheim das auch im Jahr 2023?

Nur weil wir hier auf diesem Fleckchen Erde geboren sind, ist das nicht unser Eigentum. Wir müssen diesen Menschen die Möglichkeit geben, sich zu integrieren. Dafür können wir als Verwaltung lediglich die Rahmenbedingungen schaffen. Letztlich bleibt uns aber gar keine andere Möglichkeit, als es zu schaffen. Wer hierbleiben kann und will, dem müssen wir die Möglichkeit geben, auch der Gesellschaft etwas zurückgeben zu können.