Die Faszination eines einfachen Stocks

Der Weg zum Waldkindergarten dauert ein wenig (Bild oben), aber das Ziel ist es auf jeden Fall wert (Bild links).Fotos: Thorsten Gutschalk  Foto:
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Dass Kleinkinder gerne mal auf dem Smartphone der Eltern herumtippen, ist heutzutage keine Seltenheit. Dass die Ferienzeit mit Vorliebe dazu genutzt wird, den Tag vor dem...

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LAMPERTHEIM. Dass Kleinkinder gerne mal auf dem Smartphone der Eltern herumtippen, ist heutzutage keine Seltenheit. Dass die Ferienzeit mit Vorliebe dazu genutzt wird, den Tag vor dem Fernseher oder der Spielekonsole zu verbringen, auch nicht. Dass Kinder allerdings auch ohne viel technischen Schnickschnack richtig viel Spaß haben können, das beweist der Alltag im Waldkindergarten „Fuchsbau“.

Der Weg zum Waldkindergarten dauert ein wenig (Bild oben), aber das Ziel ist es auf jeden Fall wert (Bild links).Fotos: Thorsten Gutschalk  Foto:

40-minütiger Fußmarsch zum Bauwagen

Es ist 8 Uhr morgens, als Leonie, Colin, Phil, Nico und Henri von ihren Eltern zum Parkplatz der Gaststätte „Waldesruh“ gebracht werden. Noch ist es im Wald angenehm kühl, die dichten Baumkronen halten die morgendlichen Sonnenstrahlen zurück. Kaum aus dem Auto geklettert, steigen die Jungs in die Wiese. Die langen Äste, die vom Baum heruntergebrochen sind, eignen sich prima als Schwert. „Ich bin ein Ritter“, brüllt Phil und rennt den geschotterten Parkplatz entlang. Kindergartenleiterin Susanne Jäger verstaut derweil ihre Mitbringsel im Bollerwagen: Neben die kleinen Rucksäcke, die die Kinder darin bereits platziert haben, packt sie zwei Wasserkanister und Obst. „Zum Naschen“, verrät sie und trommelt die Herde zusammen.

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Fünf Kinder, vier Erzieher und eine Praktikantin sind es, die auch an diesem Ferientag Erholung in der Natur suchen. Über Zweige und Zapfen rattert der Wagen, als sich die Gruppe auf den Weg zum „Fuchsbau“ begibt. 40 Minuten dauert der Marsch durch Wald und Wiesen – eine ganz schöne Strecke, die die Kleinen da jeden Tag zwei Mal zurücklegen. „Am Anfang fand ich das total anstrengend“, erzählt der fünfjährige Phil, „jetzt habe ich mich aber daran gewöhnt.“ Als die Truppe die Grillhütte erreicht, lässt sich das Ziel bereits erspähen: Der bunte Bauwagen, die Feuerstelle und der kleine Gemüsegarten werden von der Sonne in warmes Licht getaucht, als sich die Kinder zum Frühstücken auf den von ihnen bepinselten Holzbänkchen niederlassen. Jeder verzehrt das, was ihm von zuhause mitgegeben wurde. Dazu gibt es geschnittene Birnen, Möhren und Essig-Gurken – die sich bei den Kleinen besonderer Beliebtheit erfreuen. „Ich heb’ mir noch eine für später auf“, betont Phil. Das Gürkchen wandert in die Hosentasche.

Erzieherin Brigitte Hamm-Kessler öffnet die Fenster des Bauwagens und deutet auf die Foto-Collagen, die die Wände im Inneren schmücken: Ausflüge zum Trimm-Dich-Pfad, Spiele auf dem Fußballplatz, Bohr-, Pinsel und Gartenaktionen sind darauf abgelichtet. „Der Alltag ist bei uns sehr abwechslungsreich“, berichtet sie.

Das sehen die Kleinen genauso. Nach dem Frühstück teilen sie sich auf: Zwei Kinder machen sich gemeinsam mit Erzieher Johannes Aulbach auf den Weg zur Pumpe an der Grillhütte. Mit vielen kleinen Gießkannen wird dort Wasser für den eigenen Nutzgarten geschöpft. Es plitscht, es plätschert, die Eimer sind voll, die Arme werden lang. „Wir haben Tomaten hier. Und Kartoffeln“, erklärt Henri, als er sein Kännchen auf die Erde richtet und die richtigen Pflanzen benennt. „Später können wir die selbst essen.“ Die anderen drei haben sich ebenfalls mit Wassereimern versorgt – bei sommerlichen Temperaturen eine willkommene Erfrischung. Das Schicksal einiger Gummi-Schweine, -kühe und -schafe pendelt zwischen Schlammbad und Ertränken. Herrlich auch, wie matschig der Boden wird, wenn der Wassereimer neben dem aus Stöckchen gebastelten Stall zu Boden fällt.

Einfache Mittel – große Freude. Das deckt sich mit den Erfahrungen von Johannes Aulbach. „Einmal, als es gewittert hat, sind wir kurzzeitig im Kindergarten Neuschloß untergekommen“, berichtet er. Eine Zeit lang sei das ganz unterhaltsam gewesen. Später aber hätten die Kinder gefragt, wann sie endlich wieder in den Wald zurückdürfen. „Die ersten Tage haben fast alle damit verbracht, das Holzgeländer um den Fußballplatz herum entlang zu balancieren. Man hat sie da kaum wegbekommen“, erinnert er sich mit einem Schmunzeln. „Oder die Faszination Stock. Dagegen kommt einfach nichts an.“ Warum auch.

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Von Vanessa Joneleit