Jugendliche Flüchtlinge verarbeiten ihre Eindrücke in einem Medien-Projekt
Von Natalia Schmidt
Die Ergebnisse des Projekts „Mit Medien Leben gestalten“ mit jugendlichen Geflüchteten im Landkreis Groß-Gerau wurden am Donnerstagabend in der Cine-Bar präsentiert. In einem Foto-Comic haben die am Projekt beteiligten Jugendlichen zudem ihre Erfahrungen, Wünsche und Hoffnungen dargestellt – hier der 18-jährige Syrer Rami Aljarrah bei der Lektüre. Foto: Vollformat/Robert Heiler
( Foto: Vollformat/Robert Heiler)
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
GROSS-GERAU - Seit 14 Monaten lebt Rami Aljarrah in Deutschland. Der Achtzehnjährige, dem man seine ins Gesicht geschriebene Erleichterung ansieht, stammt aus Syrien. „Ich habe eine Aufenthaltserlaubnis bekommen“, sagt er froh und zückt dabei den Ausweis mit der Aufschrift aus seinem Portemonnaie. Zurzeit lebt er mit seiner Familie im Kreis Groß-Gerau und macht seinen schulischen Abschluss an der Beruflichen Schule.
„In Syrien habe ich mit dem Abitur angefangen und wollte Chemielaborant werden, hier will ich den Abschluss nachholen und dann im Bereich Industriechemie studieren“ sagt er hoffnungsvoll. Hoffnung, hier in Deutschland bleiben zu dürfen – das ist der Wunsch aller Jugendlichen, die sich an dem Projekt „Mit Medien Leben gestalten“ des evangelischen Dekanats Groß-Gerau – Rüsselsheim beteiligt haben. In der Cine-Bar, dem gemütlichen kleinen Kino, wurde dem breiten Publikum das Projekt am Donnerstagabend vorgestellt.
Schlimme Erfahrungen beeindrucken
„Was bei den vier Wochen inhaltlichem Arbeiten herauskam, ist genial“, sagte Medienpädagoge Jan Ruland. Er selbst habe neuen Input durch die Zusammenarbeit mit den oft noch minderjährigen und unbegleiteten Flüchtlingen bekommen und eine völlig andere Perspektive auf die Sorgen, Probleme und Wünsche, ganz zu schweigen von den grundsätzlichen existenziellen Ängsten bekommen. „Die Angst ist überwältigend und im Film gebannt.“
EINE KOOPERATION
Das Projekt von und mit jugendlichen Geflüchteten ist entstanden in Kooperation des Pfarramtes für Ökumene im evangelischen Dekanat Groß-Gerau – Rüsselsheim mit dem Institut für Medienpädagogik und Kommunikation unter Förderung durch das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst und den Flüchtlingsfonds der Evangelischen Kirche Hessen und Nassau „Kulturkoffer“.
Am Projekt nahmen zwölf Jugendliche teil, die zwischen neun und zwölf Monaten hier sind und zum Teil in Wohngruppen untergebracht waren. (nat)
Der Film, der an vier intensiven Wochenenden mit den jugendlichen Geflüchteten aus Afghanistan und Syrien entstanden ist, beschreibt die Fluchterfahrungen. Dabei hatte jedes Wochenende einen anderen thematischen und praktischen Schwerpunkt. Ton und Musik, Fotografie und Comics und Video waren die Aufgabenbereiche, in denen Rami, Ahmad und Sarajudin ihre teils schlimmen und fremdenfeindlichen, aber auch positiven Erfahrungen verarbeiten konnten.
„Das sind ganz normale Jugendliche mit ganz normalen Wünschen nach Freundschaft und Anerkennung“, machte Pfarrer Wolfgang Prawitz klar, den besonders der abschließende Kurzfilm „Das Interview“ beeindruckt hatte. Zuvor war eine Toncollage mit der Überschrift „Eine Autofahrt“ abgespielt worden. Unterwegs in Deutschland wurden hier akustische Eindrücke gesammelt – von der Hymne über lärmende Schulkinder, einer Fußballübertragung im Radio und orientalische Musik, die an die Heimat erinnert. Das Geräusch prasselnden Regens und der Song „Ich wünsch dir noch´n geiles Leben“ verdeutlichte die Situation, in der sich die Flüchtlinge befinden. Dabei wünschen sich alle sehnlichst nichts mehr, als die Ruhe nach dem Sturm zu finden.
Gerade jetzt, wo die Bundesregierung Abschiebungen erleichtern will und den Kurs in der Flüchtlingspolitik verschärft, sind Aktionen wie dieses Medienprojekt ungemein wichtig. Was beim „Interview“ des jungen Murat ganz deutlich wird, ist die Angst, etwas Falsches zu sagen und somit keine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. „Kann ich dem Dolmetscher trauen? Was mache ich, wenn sie mich zurückschicken?“ In ein Land, in dem es keine Meinungsfreiheit gibt, in dem Krieg herrscht und er zwingend zur Armee muss, brauche er die Gewissheit, wie es weitergehe.
Die Unsicherheit frisst jeden auf, der seine Familie verlassen und sämtliches Eigentum verkauft hat, um sich über acht Länder bis nach Passau durchzuschlagen – am Ende nicht wissend, was passiert. Dabei will er das zurückgeben, was er an Hilfe, Zuneigung und Unterstützung erfahren hat.