Georg Büchners Erstlingswerk „Dantons Tod“ spielen Melanie Linzer als Julie, Alexander Valerius als Camille, Valerie Bolzano als Saint Juste, Dimitri Eliseev als Herault, Verena Specht als Lucile und Oliver Kai Müller als Robespierre (von links). Foto: Vollformat/Alexander Heimann
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LEEHEIM - Es steckt viel Wut in „Dantons Tod.“ Die mal latente, mal ganz offen zu Tage tretende Aggression in Georg Büchners Drama über zwei Wochen in der Spätphase der Französischen Revolution, die mit der Hinrichtung Dantons und seiner Gefährten enden, bekommt auf der Büchnerbühne einen starken Rhythmus verpasst. „Der Chor macht unerbittlich weiter“, beschwört Regisseur Christian Suhr seine Schauspieler zu Beginn der Probe am Montagnachmittag. Denn da wird zunächst an der Rede St. Justs vor dem Nationalkonvent gearbeitet, einer Schlüsselszene des Dramas.
Zusammenarbeit mit Flüchtlingen
Wie schon bei dem trinationalen Theaterprojekt „Freiheit! Gleichheit! Brüderlichkeit!“ zu Georg Büchners 200. Geburtstag am 17. Oktober 2013, bei dem die Ideengeberin Büchnerbühne den mittleren Teil von „Dantons Tod“ mitsamt der Rede von St. Just übernommen hatte, wird Louis-Antoine de Saint-Just zum vielstimmigen Chor multipliziert, erhält die kalte Kompromisslosigkeit des „Todesengels der Französischen Revolution“ durch Rhythmisierung noch mehr Wucht. In Paaren schleudern Valerie Bolzano und Dimitri Eliseev, Verena Specht-Ronique und Alexander Valerius sowie Mélanie Linzer und Oliver Kai Müller Worte wie im Takt des Fallbeils in den noch leeren Zuschauerraum: „Es scheint in dieser Versammlung einige empfindliche Ohren zu geben, die das Wort Blut nicht wohl vertragen können“, ist da nur der Auftakt.
Vier Jahre nach der umjubelten Premiere des europäischen Theaterprojekts gemeinsam mit dem französischen Theatré Action aus Bordeuaux und dem polnischen Teatr Biuro Prodózy aus Posen im Groß-Gerauer Landratsamt inszeniert die Büchnerbühne nun „Dantons Tod“ als komplette Eigenproduktion und schließt mit Büchners Erstling die letzte Lücke im Repertoire der Werke ihres Namengebers. Das Podest, das vor vier Jahren bereits zum Einsatz kam, ist jetzt auch auf der Büchnerbühne aufgebaut. Dort hinauf treibt nun in der zweiten Szene des ersten Aktes ein wutentbranntes Volk einen vornehm Gekleideten, der sich durch sein Aussehen als Aristokrat verdächtig macht.
AUFFÜHRUNGSTERMINE
„Dantons Tod“ hat am Freitag, 20. Oktober, um 19.30 Uhr Premiere in der Büchnerbühne, Kirchstraße 16. Weitere Aufführungen folgen am Samstag, 21. Oktober sowie am darauffolgenden Freitag, 27. Oktober, und Samstag, 28. Oktober.
Theaterkarten sind online auf www.buechnerbuehne.de und unter anderem bei den Buchhandlungen Bornhofen in Gernsheim und Faktotum in Riedstadt-Wolfskehlen erhätlich. Theatercafé und Abendkasse öffnen eine Stunde vor Vorstellungsbeginn. (anmo)
Die deutschen Schauspieler feilen während der Probe gemeinsam mit den Flüchtlingen Almaz Seleghi, Anas Aldabti, Rami Harli, Yamen Salem und Kaisar Al Hussin an der Choreografie der Wut, die geboren ist aus Hunger. Denn die zentrale Frage des Dramas ist aktuell wie nie, sind die Aktiven der Büchnerbühne überzeugt: Wie kann nach der politischen die soziale Revolution gelingen – und ist das eine ohne das andere überhaupt möglich? Untrennbar damit verbunden ist die Frage nach der Wahl der Mittel zur Durchsetzung dieser Ziele und nach deren Legitimation.
In der Veranstaltungsreihe „Flüchtlingsgespräche“ im vergangenen Jahr entdeckten die Schauspieler und Flüchtlinge insbesondere aus Syrien die Parallelen zwischen dem Drama aus dem 19. Jahrhundert und den Auswirkungen des „Arabischen Frühlings“ mit seinen gescheiterten Revolutionen, was zu der Zusammenarbeit in „Dantons Tod“ führte, erklärt Büchnerbühnenleiter Suhr. Vor dem Auftritt Robespierres (Oliver Kai Müller) im Nationalkonvent streiten sich drei Männer erbittert.
Wer im Publikum kein Arabisch spricht, wird kein Wort verstehen – sehr wohl aber den Wortsinn. Denn mit deutlicher Körpersprache zeigen die Disputanten, das sie auch vor einer Hinrichtung nicht zurückschrecken. „Ihr müsst noch mehr Ungeduld zeigen. Wer nicht spricht, darf nicht ruhig werden“, heizt der Regisseur die Kontrahenten noch weiter an. „Es gibt keine Zukunft, es gibt keine zweite Diskussion – ihr seid im Recht, wollt überzeugen und habt keine Zeit.“ Denn auch hier gilt: Es gibt einen Rhythmus und eine Choreografie der Wut.