Die Kunst der unaufgeregten Leichtigkeit: Norah Jones gibt...

Norah Jones bei ihrem einzigen Deutschlandkonzert auf der Zitadelle in Mainz. Foto: René Vigneron

Mit ihrem warmen und schwerelosen Blues-Sound berührte Norah Jones die Zuhörer am Mittwochabend auf der Zitadelle in Mainz. Bei ihrem einzigen Deutschlandkonzert bewies die...

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MAINZ. Zum Sonnenuntergang geht die Sonne auf. Als Norah Jones ihren wohl berühmtesten Song „Sunrise“ auf der Zitadelle anstimmt, ist das Gestirn zwar gerade am Untergehen, aber von den mehr als 3000 Gästen beim einzigen - und schon im Vorfeld längst ausverkauften - Deutschlandkonzert der neunfachen Grammy-Gewinnerin gibt es wohl keinen, der ihr diese winzige Ungenauigkeit verübelt. Lauter Jubel und Applaus begleiten bereits die ersten Akkorde des Songs.

Wieder knallen die Sonnenstrahlen mit sommerlichen 30 Grad erbarmungslos auf den Innenhof der Zitadelle herab - der Gießener Sänger und Gitarrist Mark Gillespie muss als Warm-up nicht viel vorheizen: Er steigt mit „Don’t Mess Around With The Devil“ direkt in der Hölle ein. Sein dezenter Blues-Sound ist stimmungsvolle Hintergrundmusik und ein würdiger Einstieg in den entspannten Abend mit der US-Sängerin und ihren Musikern.

Schlicht und unaufgeregt

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Als Band hat sich die Tochter des Sitar-Virtuosen Ravi Shankar wahrlich keine Unbekannten zum Auftakt ihrer Europa-Tour mit auf die Bühne geholt. Brian Blade gehört zu den besten zeitgenössischen Jazz-Schlagzeugern der Welt und auch Bassist Chris Thomas, der fliegend zwischen E- und Kontrabass wechselt, gehört zur Weltklasse. Mit Norah Jones am blitzblank polierten Yamaha-Flügel und ihrem Mann Pete Remm an der Orgel ist die kleine Besetzung komplett.

Unaufgeregt. So klingt die Musik der 39-Jährigen. Auch privat hält sie sich eher im Hintergrund und macht auf der Bühne nur wenig Aufhebens um ihre Person. Keine glitzernden Roben, keine wilde Lightshow. In einem schlichten schwarzen Sommerkleid zu hellbraunen Cowboy-Boots und dem kess geschnittenen Bob trägt sie lediglich auffällig große Kreolen an den Ohren. Gelegentlich wispert sie mit einem leisen Lächeln ein ehrliches „Dankeschön“ ins Mikrofon.

Die Magie in den scheinbaren Zufälligkeiten

Der Sound ist perfekt auf den Hauptakteur, Jones’ unverwechselbare Stimme, abgemischt. Es klingt lässig, beinahe schon nachlässig, wenn sie die Silben endlos in die Länge zieht und den letzten Laut dann zart dahinhaucht. In dieser scheinbaren Zufälligkeit liegt aber Norah Jones’ Magie - und ihr wahres Talent. Das Piano plätschert unermüdlich im Hintergrund mit, ihre klare Stimme schwebt weit durch den Sommerabend. „Ganz schön heiß hier“, sagt sie. „Und so viele Bienen.“ Nebenher stimmt sie die E-Gitarre für den Sonnenuntergang.

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Es ist geradezu eine Wohltat, dass ein Konzert über 90 Minuten ohne eklektische Höhepunkte leben kann und das Zuhören dennoch nicht langweilig wird. Vieles passiert im Stillen, weshalb die Konzertgäste auffällig aufmerksam lauschen und sich gerne auf komplexere Jazz-Harmonien einlassen. Selbst die Flugzeuge rauschen ausnahmsweise geräuschlos über die Bühne hinweg.

Währenddessen schlägt die Sängerin auf dem Flügel dissonante Kadenzen zu „Sinkin’ Soon“ an, Brian Blade stimmt einen behäbigen Takt in alter Swing-Tradition an, zu dem Chris Thomas mit vollem Körpereinsatz den Korpus seines Kontrabasses mit rhythmischen Klopfern bearbeitet. Jones’ Stimme zieht sich mal rau, mal schmeichelnd dahin, gedanklich setzt im Chorus der Gospelchor ein.

Auch zwei neue Lieder hat Jones im Gepäck

Lyrischer Jazz und gemäßigte Mid-tempo-Nummern prägen den Abend. Neben mitreißend instrumentierten Balladen wie „After The Fall“, Kuschel-Songs wie „Little Broken Hearts“ und „Come Away With Me" gibt es auch das Tom-Petty-Cover „Angel Dream“ mit einem charakteristischen Orgelsolo von Pete Remm, das die Amerikanerin mit kehligen Seufzern zu ihrem Song macht. Sie stellt auch zwei neue Lieder vor: Das eingängige „It Was You“ beweist Ohrwurmpotenzial und in „My Heart Is Open“ steckt eine schöne Message: „If we love, we will love without hate.“

Wenn Jones nicht am Flügel sitzt, greift sie zur E-Gitarre, wie bei der Country-Nummer „Black“; mit schleppendem Zungenschlag und „La la la“ klingt das Lied aus. Jede Nummer besticht durch die herrlich unaufgeregte Leichtigkeit der Performance.

Zum Ende lässt Norah Jones bei zwei Medleys zunehmend die Instrumente sprechen. Dabei springen einige schöne Piano-, Orgel- und Bass-Soli heraus – nur Percussionist Brian Blade übt sich weiter in Zurückhaltung, rührt bescheiden mit dem Besen auf den Snares – schade. Dass sich die Musiker in ihrem Können so sehr zurücknehmen sorgt aber gleichzeitig für einen jazzig angehauchten Folk-Blues-Abend, an den sich viele noch gerne mit einem verträumten Lächeln zurückerinnern werden. Da geht im Herzen tatsächlich die Sonne auf.