Zelltod durch Fluglärm, Zellbildung durch Aktivität: Mainzer...

Mit dem „Boehringer-Ingelheim-Preis“ werden dieses Jahr Frank Bicker (li.) und Swenja Kröller-Schön (Mitte) ausgezeichnet. Dazu gratulieren Stiftungs-Chefin Claudia Walther, Thor Voigt, Medizinischer Direktor Deutschland der Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co KG., Otto Boehringer, Stefan Müller-Stach (Uni Mainz) sowie Ulrich Förstermann (re.), Wissenschaftlicher Vorstand und Dekan der Mainzer Universitätsmedizin. Foto: hbz/Stefan Sämmer   Foto: hbz/Stefan Sämmer

Macht Lärm krank? „Das wissen wir längst“, sagt Swenja Kröller-Schön. „Die Frage ist: Wie macht Lärm krank?“ Derweil hält ihr Forscher-Kollege Frank Bicker fest:...

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MAINZ. . Macht Lärm krank? „Das wissen wir längst“, sagt Dr. Swenja Kröller-Schön. „Die Frage ist: Wie macht Lärm krank?“

Die Wissenschaftlerin hatte sich am Zentrum für Kardiologie der Mainzer Unimedizin intensiv mit dieser Frage befasst. Für ihr Arbeitsergebnis erhielt sie nun den Boehringer-Ingelheim-Preis – genau wie Dr. Frank Bicker, der sich am Institut für Mikroskopische Anatomie mit der Regeneration von Zellen auseinander gesetzt und dabei das Protein EGFL7 als möglichen Schlüssel für therapeutische Ansätze ausgemacht hat.

Der Wissenschaftliche Vorstand und Dekan Ulrich Förstermann sprach anlässlich der Preisverleihung vom „wohl prestigereichsten Preis, den die Universitätsmedizin zu vergeben hat – dank des großzügigen Einsatzes der Stiftung“.

Die Boehringer-Ingelheim-Stiftung arbeitet, wie der Medizinische Direktor Deutschland des Pharma-Unternehmens, Thor Voigt, versichert, formal und inhaltlich komplett unabhängig. Der Preis ist mit 30 000 Euro dotiert, die Träger werden wiederum unabhängig durch die Mainzer Universitätsmedizin ausgewählt.

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Kröller-Schön hat schon eine Reihe wissenschaftlicher Auszeichnungen vorzuweisen. Die zweifache Mutter und Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Chefs der Kardiologie der Unimedizin und profilierten Lärm-Forscher Professor Thomas Münzel sei, so Prodekan Heinz Schmidberger, ein „Multitasking-Talent“. Für ihre prämierte Arbeit setzte sie Mäuse für einen, zwei und vier Tage Fluglärm aus. Zu beobachten war, dass Adrenalin, Blutzucker und Bluthochdruck dadurch nach oben schießen. Auch Gefäßschäden wurden nachgewiesen, in Form endothelialer Dysfunktion. „Die findet man sonst bei Patienten mit Diabetes, Bluthochdruck und Rauchern“, berichtete Kröller-Schön. Auch oxidativer Stress trat auf, sogar die Genaktivitäten änderten sich bei den Mäusen. Zelltod, die Struktur der Blutgefäße – allesamt Folgen von Fluglärm.

Bicker hat, anders als Kröller-Schön, nicht in Mainz promoviert, sondern in Frankfurt und ist auf die Erforschung neuronaler Stammzellen spezialisiert – eine Patentanmeldung inklusive. In seinen Vortrag stieg er mit einer Szene aus dem „The Amazing Spider Man“-Kinofilm ein, wo die Hauptfigur über die Fähigkeit von Zebrafischen spricht, bei Bedarf neue Hirnzellen zu bilden. „Die verfolgte Strategie im Film ist etwas übertrieben“, hielt Bicker mit Blick auf den riesigen, mutierten Echsenmann-Bösewicht fest, „aber das Thema adulte Neurogenese wird angeschnitten.“ Dabei geht es darum, wie sich Nervenzellen aus Stamm- oder Vorläuferzellen bilden. Der Wissenschaftler hat zwei Stammzell-Nischen im Gehirn ausgemacht. „Die Neubildung von Nervenzellen ist strikt abhängig von geistiger und körperlicher Aktivität“, hielt er fest. Im besagten Protein hat er einen Modulator identifiziert und auch lokalisiert.

„EGFL7 fördert den natürlichen Prozess, bei dem neue Neuronen im erwachsenen Gehirn entstehen“, fasste der Preisträger zusammen, „das menschliche Gehirn hat theoretisch das Potenzial, sich selbst zu reparieren.“ Das Protein sei ein „interessanter Kandidat hinsichtlich einer möglichen therapeutischen Anwendung im Zusammenhang von Hirnschädigung“.