Meinung

Kommentar zum Ausbleiben frühen Impfstoffs: Zumutungen

Gerhard Grünewald

Ob Landrat Frank Matiaske wirklich damit gerechnet hat, schon in wenigen Tagen mit der Impfung im Kreiskrankenhaus und über das Versorgungszentrum am Erbacher Sportpark...

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Ob Landrat Frank Matiaske wirklich damit gerechnet hat, schon in wenigen Tagen mit der Impfung im Kreiskrankenhaus und über das Versorgungszentrum am Erbacher Sportpark loslegen zu können? Wer sich mit Politik auskennt, der sollte mit ihrer Neigung zu einer pompösen Außendarstellung jedweden Handelns vertraut sein, die nicht unbedingt mit dessen tatsächlichem Gehalt korrelieren muss. Und weil die Herausforderung Corona diese Schwäche nicht gerade ausgemerzt hat, konnte kein Realist die ohnehin erst mit öffentlichem Druck erlangte Verkündung des Impfstarts mit einem tatsächlichen Impfbeginn in spürbarer Stärke gleichsetzen. Doch selbst wenn Matiaske sich ebenfalls ein Stück weit in Symbolpolitik übte, als er noch weit vor der ersten Impfstoff-Zulassung und mit einem weithin sichtbaren Zelt die Immunisierung an den Horizont zeichnete, hat er mit seiner Kritik am Versorgungsplan der Landesregierung recht: Es geht nicht an, dass ungeachtet der tatsächlichen Anforderungen und Leistungen vor Ort ein weiteres Mal die Einrichtungen der städtischen Zentren und damit die Ballungsräume Vorrang erhalten. Denn die aller gegenteiligen Bekundungen zum Trotz politübliche Missachtung des ländlichen Raums äußert sich eben auch im staatlichen Management der Coronakrise, nur hier eben noch schmerzhafter als sonst: Erst wurde dem Odenwald sogar über die Kreisgrenzen hinweg jedes Kassenärztliche Testcenter vorenthalten, ohne dass vom Land gegengesteuert worden wäre. Dann wurde mit dem Verzicht einer Förderung gewerblicher Teststationen aller Art im weniger lukrativen dünn besiedelten Gebiet das Ausbleiben privater Alternativen hingenommen und schließlich dem Gesundheitszentrum sogar ein Angriff auf seine Corona-Pauschale zugemutet. Und nun sollen auch die Impfstoffe erst einmal nicht zu den Odenwälder kommen, sondern diese zu den Vakzinen? So sicher über all das und mehr indes geschimpft werden darf, so eindeutig verbietet sich eines: der direkte Rückschluss auf den Ausbreitungsverlauf. Ob die aufgezählten Nachteile auch nur ein Minimum mit der hohen Coronabelastung im Kreis zu tun haben, lässt sich ebenso wenig wissen wie so vieles andere rund um die Ausbreitung von Sars-Cov-2 samt der Folgen. Gesagt werden aber darf und muss, dass die überregionale Pandemie-Politik den Menschen im Odenwald mehr zumutet als an so manch anderem Ort.