Wie Bäcker im Odenwald die Energiekrise bewältigen

Die gestiegenen Produktionskosten machen dem Bäckereihandwerk weiter zu schaffen. Foto: dpa

Mit am meisten leiden unter der Energiekrise die Bäckereien. Für Meister wie Fritz Erwin Stapp in Breuberg ist Jammern aber keine Lösung. Auf was es für sie stattdessen ankommt.

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ODENWALDKREIS. „Das Schlimmste ist die Ungewissheit. Niemand weiß, was noch auf uns zukommt“, fasst Bäckermeister Fritz Erwin Stapp seine Situation angesichts der gestiegenen Produktionskosten zusammen. Der 64-Jährige aus dem Breuberger Stadtteil Sandbach sagt dennoch: „Jammern bringt nichts. Auch unsere Kunden sehen sich tagtäglich mit den gleichen Problemen konfrontiert.“ Dabei sei die fehlende Planungssicherheit die größte Herausforderung. „Wir hängen komplett in der Luft.“ Dennoch will Stapp nicht ständig weitere Horrormeldungen über die Zukunft des Bäckereihandwerks lesen, auch wenn es die schwierigste Zeit sei, die der seit 1887 bestehende Betrieb hat.

Öffnungszeiten einschränken

Auch Ralf-Jürgen Keller, Betriebsberater des Bäckereiinnungsverbandes Hessen, will die Lage nicht dramatisieren, auch wenn er um die prekäre Lage des Bäckerhandwerks weiß: „Nicht nur Rohstoffe, und Personalkosten sind gestiegen, insbesondere die Ausgaben für Treibstoff, Strom, Öl und Gas machen den Bäckereien zu schaffen.“ Derzeit geht er von 300 Prozent höheren Ausgaben für Gas und 250 Prozent höhere Kosten für Strom aus, mindestens.

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Nach seiner Kalkulation könne dies nur durch Preissteigerungen von mindestens 15 Prozent auf Bäckereiprodukte aufgefangen werden. Dabei hätten die Betriebe durchaus Möglichkeiten, auf der Ausgabenseite zu sparen. Die einzigen „Stellschrauben“ seien dabei die Kosten für den sogenannten Wareneinsatz und das Personal, deren Ausgabenanteil mit bis zu 50 Prozent zu Buche schlage. Für manche Betriebe rechne es sich, die Öffnungszeiten einzuschränken.

So gibt es bei Stapp inzwischen einen Ruhetag, ab November wird die Bäckerei bereits um 17 Uhr schließen. Die Reduktion der Arbeitszeiten gestalte sich jedoch schwierig. Drohe doch das Risiko, treue Mitarbeiter zu verlieren – angesichts des Fachkräftemangels eine fatale Entwicklung. „Irgendwann ist es aber einfach nicht mehr bezahlbar, etwa zwei Angestellte an der Theke zu haben.“

Günstigere Rohstoffe

Keller empfiehlt zudem, das „Sortiment zu straffen“ und maximal 70 verschiedene Produkte anzubieten. Für die Kunden, die daran gewöhnt sind, eine größere Auswahl zu haben, sei das jedoch problematisch, sagt Stapp. „Wir mussten dann erklären, warum das Walnussbrot, das in der Herstellung sehr teuer ist, nicht mehr zu haben ist.“ Einsparpotenziale sieht Keller darüber hinaus etwa bei der Art der Backwaren. Da viele Rohstoffe wie Mehl, Molkereiprodukte oder Samen ab dem Sommer im Einkauf sehr teuer geworden sind, rät er, die Produktion auf weniger kostenintensive Rohstoffe umzustellen. So sei Margarine günstiger als Butter, Mischbrote mit eigener Rezeptur günstiger als Spezialbrote mit Vormischungen etwa aus Saaten, Hefegebäck günstiger in der Herstellung als Plunderstücke. 2,15 Euro müsste ein Bäcker inzwischen für Letzteres verlangen, um kostendeckend zu arbeiten, eine Laugenecke, die aufwendig produziert wird, müsste 2,10 Euro kosten, rechnet Keller vor. „Dann müssen wir diese Produkte eben weglassen.“ Die Zeiten seien vorbei, als es ein Käse- oder Salamibrötchen noch für 2,50 Euro gab. Weiter ins Detail geht Keller bei den Betriebskosten. So rät er, die Temperatur in den Lagerhallen etwas zu reduzieren, den Betrieb etwa von Backöfen, Kaffeemaschinen und Klimaanlagen einzuschränken. Aber auch er sagt: „Auch, wer alle Einsparpotenziale berücksichtigt, kann die enormen Preissteigerungen bei Rohstoffen, Energie und Personal nicht auffangen.“

Politik muss agieren

Die Kunden von Stapp hätten erste „humane“ Preisanpassungen, die bereits im Sommer vorgenommen wurden, gut angenommen, sagt der Chef. Es werde nie dazu kommen, dass ein Brot acht Euro kostet. Stapp kann nur abwarten, wie viel er ab kommendem Jahr für Strom zahlen muss, da sein Vertrag ausläuft. „Der monatliche Abschlag könnte sich von rund 2400 auf 7800 Euro erhöhen.“ Wichtig sei, dass der Strompreis von den Gaskosten entkoppelt werde, sagt Keller. Eine positive Marktentwicklung sieht er bis auf Weiteres nicht. „Bei den Rohstoffpreisen, die eng an die Energiekosten geknüpft sind, wird sich voraussichtlich bis zum Sommer 2023 nicht viel ändern. Die Preise für Gas, Strom und Öl sind weiterhin unberechenbar. Irgendwann ist das einfach nicht mehr bezahlbar.“

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Es obliege der Verantwortung der Politik, so zu agieren, dass die Belastungen „noch tragbar“ sind. Noch sehe er Perspektiven für die Branche, denn er wolle bei den Bäckern „nicht eine noch miesere Stimmung machen“. Erwin Stapp hofft, dass sich das schlimmste Szenario nicht einstellt, schließlich will er sein Geschäft noch an seine Tochter weitergeben. Er wartet derweil auf die neuen Konditionen seines Energieanbieters.