Als es zu Beginn der Corona-Pandemie besonders dringend wurde, stieg die Chemische Fabrik Dr. Stöcker in die Produktion von Desinfektionsmitteln ein. Mit beachtlichem Erfolg.
Von Norbert Krupp
Ein Preis für die Produktion von Desinfektionsmitteln bei Dr. Stöcker: Geschäftsführer Christian Möller, Joachim Lutz von der CropEnergie AG, Geschäftsführer Benjamin Gozdowski, Minister Dr. Volker Wissing und kaufmännischer Leiter Dr. Oliver Gozdowski (v.l.).
(Foto: Norbert Krupp)
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PFAFFEN-SCHWABENHEIM - Zu Beginn der Corona-Pandemie explodierte der Bedarf an Desinfektionsmitteln: Krankenhäuser, Altenheime und mobile Pflegedienste suchten händeringend nach Lieferanten, die zu fairen Preisen größere Mengen der dringend benötigten Flüssigkeit liefern konnten, um das Virus Sars-CoV-2 zu bekämpfen. Diesen Engpass erkannte die Chemische Fabrik Dr. Stöcker in Pfaffen-Schwabenheim (bei Bad Kreuznach), die Produkte zur Reinigung und Pflege von Oberflächen herstellt. Einige dieser Mittel enthalten Alkohol, und diese Erfahrungen nutzte die Unternehmensleitung, um sich im Kampf gegen den bundesweiten Mangel an Desinfektionsmitteln zu engagieren.
Anfang März 2020 lief bei Dr. Stöcker die Produktion von Desinfektionsmitteln an: Bis zu 35 Tonnen (gut 35.000 Liter) pro Tag wurden nach einer Rezeptvorgabe der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hergestellt. Diese Mixtur enthält mehr als 70 Prozent Alkohol, die das Coronavirus und andere Erreger zuverlässig abtöten. Die Produktionsmenge ist bemerkenswert – bedenkt man, dass damals der weltgrößte Chemie-Konzern in Ludwigshafen nur 30 Tonnen Desinfektionsmittel pro Woche herstellte.
Zunächst nur im handlichen Fläschchen
Zunächst wurden handliche 100-Milliliter-Fläschchen befüllt, aber auch größere Mengen wurden in Zehn-Liter-Kanistern angeboten – zu fairen Preisen. Durch Ausrichtung des Vertriebs auf Anbieter der medizinischen Grundversorgung, die bei der Lieferung bevorzugt werden, konnte das Unternehmen verhindern, dass Zwischenhändler beim Wiederverkauf ihren Reibach machen. Den regionalen „Blaulicht-Organisationen“ wie ASB, DRK, Malteser Hilfsdienst, Feuerwehren und Rettungsdiensten wurden jeweils mehrere Hundert Taschenfläschchen gespendet.
Krankenhäuser aus Mainz, die Diakonie sowie die Caritas meldeten sich in Pfaffen-Schwabenheim, um kanisterweise Desinfektionsmittel zu kaufen. „Wir haben allein 15 Tonnen Desinfektionsmittel an Standorte der Diakonie von Kassel bis Darmstadt ausgeliefert“, berichtete Benjamin Gozdowski, schon nach dem ersten Produktionsmonat.
Bei der Beschaffung des Alkohols verließen sich die Einkäufer bei Dr. Stöcker zunächst auf die bisherigen Lieferanten, aber beschritten auch kreative Wege: Beispielsweise wurde ein Tankwagen mit Alkohol von dem bekannten Spirituosen-Hersteller „Rotkäppchen-Mumm Sektkellereien“ bezogen.
Bis zu 60 Tonnen täglich produziert
Durch einen Tipp aus dem Wirtschaftsministerium kamen die Pfaffen-Schwabenheimer mit der Crop Energie AG in Mannheim, einem Unternehmen der Südzucker-Gruppe, in Kontakt. Crop Energie vergärt europäische Landwirtschaftsprodukte wie Zucker und Stärke zu Ethanol – allein in Deutschland eine Million Liter pro Tag. Sobald größere Mengen (Bio-)Alkohols geliefert wurden, steigerte Dr. Stöcker den Ausstoß an Desinfektionsmittel zeitweise auf bis zu 60 Tonnen pro Tag, um Kunden im ganzen Bundesgebiet zu versorgen. Dafür wurden zwei der drei Produktionsschienen des Werkes genutzt.
Im April 2020 besuchte der rheinland-pfälzische Wirtschaftsminister Dr. Volker Wissing das Familienunternehmen, weil dieses sich so vorbildlich am Kampf gegen Corona beteiligte. Der Politiker brachte seine Freude zum Ausdruck, dass es seinem Ministerium gelungen sei, zwei Unternehmen zusammenzubringen und so „einen Synergie-Effekt zu erreichen, der in dieser Krise besonders hilft.“
Umschlagplatz in Langenlonsheim
Im Herbst 2020 ging es in einer Langenlonsheimer Lagerhalle, die Dr. Stöcker angemietet hat, zu wie in einem Taubenschlag: Im 15-Minuten-Rhythmus trafen Feuerwehr- und THW-Fahrzeuge ein, um 50.000 durch das Land beschaffte Schutzmasken sowie rund 50.000 Liter Desinfektionsmittel abzuholen, die an Schulen in rheinland-pfälzischen Städten und Landkreisen geliefert werden sollten. Innenminister Roger Lewentz zeigte sich vom reibungslosen Ablauf der Abholaktion beeindruckt und dankte dem Unternehmen für seine Unterstützung im Kampf gegen Covid-19.
Beim virtuellen Wirtschaftstag der Regionalinitiative Rhein-Nahe-Hunsrück im Dezember 2020 wurde Dr. Stöcker mit einem neuen Unternehmerpreis mit Titel „Zuversicht“ ausgezeichnet, weil man dort angesichts der Corona-Pandemie besonders kreativ und geschäftstüchtig gehandelt habe.
„Von März 2020 bis Februar 2021 haben wir insgesamt rund 2.200 Tonnen Desinfektionsmittel hergestellt“, berichtet Geschäftsführer Benjamin Gozdowski rückblickend und stellt fest: „Die Desinfektionsmittel sind für uns inzwischen eine sinnvolle Ergänzung unserer Produktpalette, die aber weiterhin auf Spezialchemie zur Oberflächenreinigung und -pflege fokussieren wird.“