Früher Fäkalien und Chemikalien, heute Mikroplastik: So geht...

Symbolfoto: Krumpholz

Früher schwammen in den Strömen der Region Fäkalien und giftige Chemikalien, heute findet man dort Mikroplastik. Eine Bestandsaufnahme.

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REGION. Knapp 50 Jahre ist es her, dass der Rhein starb: Eine Giftwelle verseuchte das Wasser, Fischkadaver landeten Kilometer weit an den Ufern der Wasserstraße. Im boomenden Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit spielte Ökologie keine Rolle.

Heute ist das anders: Gerade die Flüsse werden regelmäßig untersucht auf chemische Stoffe, biologische und physikalische Parameter. Zuständig sind die Länder und deren verschiedene ausgerichtete Abteilungen. Deshalb ist es extrem schwer einheitliche Aussagen über die tatsächliche Belastung von Gewässern zu bekommen. „Es treffen in den Behörden und der Politik immer wieder Sichtweisen aufeinander. Die einen wollen den Garten Eden, also den Ursprung des Wasserzustandes mit all seinen Lebewesen vor der Industrialisierung wieder herstellen. Für andere geht es um einen guten Wasserzustand, angepasst an heutige Bedingungen“, sagt Prof. Dr. Jörg Oehlmann, Leiter des Instituts für Ökologie, Evolution und Diversität an der Universität Frankfurt.

Ziel der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) ist daher, bis 2027 alle Gewässer in einen qualitativ „guten Zustand“ zu überführen. „Mit der WRRL ist erstmals ein sehr komplexes Instrument in Kraft getreten das moderne Ansätze zum Gewässerschutz beinhaltet, viele Einzelrichtlinien bündelt und einheitliche Güteklassen vorgibt“, betont Oehlmann. Die Güteeinstufung beruht auf einem komplizierten Verfahren auf der Basis von den beiden Größen chemischer und ökologischer Zustand des Gewässers. Der chemische Zustand ermittelt sich in erster Linie nach dem Schadstoffgehalt des Wassers, wobei verschiedene Stoffklassen (Schwermetalle, Pestizide, organische Schadstoffe) gemessen werden. Der ökologische Zustand wird im Prinzip anhand der Lebensgemeinschaft im Gewässer bewertet, wobei aber Hilfsparameter wie die Gewässerstrukturgüte ebenfalls eine Rolle spielen. Lediglich sieben Prozent der deutschen Fließgewässer waren 2015 in einem „guten“ oder „sehr guten“ ökologischen Zustand.

Die Belastung durch Mikroplastik werde im Moment etwas „gehypt“ meint Oehlmann: „Eine Risikobewertung ist seriös derzeit nicht möglich.“ Dies unterstreicht die Studie „Mikroplastik in Binnengewässern Süd- und Westdeutschlands“, im Auftrag der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, NRW und Rheinland-Pfalz, eine der jüngsten Untersuchungen von diesem Jahr. Die Anzahl der gefundenen Kunststoffobjekte variiert zwischen den 52 Messstellen der beteiligten Länder und reicht von 2,9 Partikeln pro m³ im Rhein bei Nackenheim bis 214,2 Partikeln pro m³ in der Emscher. Mehr als 19.000 Objekte wurden analysiert, von denen 4335 eindeutig als Kunststoffteilchen identifiziert und hinsichtlich Polymertyp, Größe und Form charakterisiert wurden. Wie sieht es nun bei den Flüssen in unserer Region aus?

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Der Rhein Wie kaum ein anderer Fluss in Deutschland wird der Rhein intensiv mit Messstellen überwacht. Das zeigte auch die Länderstudie, wo an 37 Messstellen Aufschluss über die Belastung durch Mikroplastik gewonnen wurde. Im Verhältnis wurden im Rhein eher niedrige bis mittlere Konzentrationen von Mikroplastik gefunden, sogar der niedrigste Wert hier in der Region in Nackenheim. Solche Ergebnisse bietet die größte Schifffahrtsstraße in Deutschland bei fast allen Messungen der Landesämter in Hessen und Rheinland-Pfalz. Die Kloake von einst ist inzwischen zu einem relativ sauberen Fluss geworden. Grund ist der Bau zahlreicher Kläranlagen und die extreme Verdünnung des Rheinwassers durch Seen und Gletscherwasser aus den Alpen. „Im Hochgebirge regnet es mehr als in der Rhein Main Region. Daher kommt immer wieder frisches Wasser nach“, fasst Dr. Peter Seel vom Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie kurz zusammen.

Vom Schwimmen im Rhein raten die Ministerien rechts und links des Flusses jedes Jahr aus Hygienegründen, wegen der Fließgeschwindigkeit sowie der Strömungen und der Schifffahrt ab. Eine bessere Wasserqualität heißt immer auch einen höheren Sauerstoffgehalt und damit mehr Leben. Inzwischen kommen wieder zahlreiche Fischarten vor, bis auf den Stör.

Der Main Der Main hat aus chemischer Sicht, wie alle anderen Nebenflüsse des Rheins, eine wesentlich schlechtere Wasserqualität. Grund sind die Ballungsräume. Dort wo der Main an den Städten vorbeiführt, bekommt er besonders viel Abwasser ab. Kläranlagen haben zwar dazu beigetragen, dass die Wasserqualität in den vergangenen Jahrzehnten besser wurde, allerdings gibt es inzwischen immer mehr Mikroschadstoffe, aus Arzneirückständen, Körperpflegeprodukten, Pflanzenschutzmittel, Biozide sowie Industrie- und Haushaltschemikalien, die herkömmliche Kläranlagen nicht aus dem Abwasser herausfiltern können. Die noch nicht ausreichend aufgerüsteten Kläranlagen und die Begradigung des Flusses haben dazu beigetragen, dass das Nährstoffangebot des Mainwassers stark zurückging. Schwimmen ist aufgrund der mangelnden Wasserqualität keine gute Idee.

Die Lahn Die Wasserqualität stufen Fachleute mit Güteklasse II ein und führen dies darauf zurück, dass die Lahn in weiten Teilen naturbelassen ist. Ob der Fluss Badequalität hat, ist hier ebenfalls keine Frage, denn Bakterien und Keime lauern auch hier überall. Die Qualität verändert sich permanent: Die Sommer- und Herbstmonate sind durch lang anhaltende Niedrigwasserstände gekennzeichnet, wodurch die Konzentration der Schadstoffe steigt. Die Wasserqualität der Lahn im nordrhein-westfälischen Bereich wird als gut bezeichnet; auf hessischer Seite wurden vom „Verein für den Gewässerschutz“ Anfang 2017 hingegen erhöhte Nitratwerte im Bereich Lahnstein festgestellt. Der Grenzwert der Wasserrahmenrichtlinie liegt bei 11 mg/l für einen „guten Zustand“. Während in Bad Laasphe 5,7 mg/l gemessen wurden, befindet sich der Wert im wenige Kilometer entfernten Biedenkopf bei 11,6 mg/l. In Wetzlar und Lahnstein liegt er mit 19,7 und 17 mg/l deutlich über dem vorgesehenen Grenzwert. Grund dafür sei die landwirtschaftliche Nutzung im hessischen Abschnitt der Lahn. Nach Angaben des Umweltbundesamtes stammen aus der Landwirtschaft meistens die zu hohen Belastungen durch Nährstoffe, Feinsedimenteinträge und Pflanzenschutzmittel, die Land- und Wasserökosysteme überfordern.

Die Nahe Die Nahe trägt viel Abwasser und weist daher keine gute Wasserqualität auf. Die Route des Flusses führt durch den saarländischen Landkreis St. Wendel sowie die rheinland-pfälzischen Kreise Birkenfeld, Bad Kreuznach bis sie in Bingen in den Rhein fließt. Klingt sehr ländlich und idyllisch. Doch wie schon bei der Lahn gilt die Landwirtschaft als einer der maßgeblichen Verursacher von Schadstoffen in Flüssen. Vor allem bei Hochwasser, wenn Gülle, Dünger und Spritzmittel vom Land ins Wasser gespült werden, weist die Nahe eine hohe Belastung auf. Hintergrund ist das große Einzugsgebiet von 4065 Quadratkilometern. Aufgrund dieser, im Vergleich zur Flusslänge, großen Fläche können im Mittel- und Unterlauf innerhalb von wenigen Stunden sehr starke Hochwässer auftreten, die aber auch schnell wieder abfließen. Dabei kann es in Bad Kreuznach zu Abflussmengen von über 1000 m³/s, an der Mündung von über 1300 m³/s kommen.

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Der Neckar Der Neckar weist ebenfalls recht hohe Abwasseranteile auf, vor allem die Mikroschadstoffe sind daher auch hier zu finden. Begradigt und mit Staustufen ausgebaut gehört der Neckar als Bundeswasserstraße zu den Hauptverkehrswegen der Schifffahrt in Deutschland. Seine Wasserqualität wird regelmäßig diskutiert, besonders bezüglich der Frage, ob man ihn als Badegewässer nutzen kann. Die Antwort lautet wie bei allen Flüssen Nein, denn die Werte der Wasserqualität entsprechen zu selten den Richtlinien der EU und somit der württembergischen Badegewässerverordnung. Baden-Württemberg gilt neben Nordrhein-Westfalen allerdings als führend beim Ausbau innovativer Kläranlagen, die auch Mikroschadstoffe herausfiltert. Im Ländle ist bei einigen Anlagen bereits die vierte Reinigungsstufe umgesetzt, so dass es möglicherweise bald bessere Ergebnisse hinsichtlich der Wasserqualität gibt.

Von Gabi Rückert