Samstag,
10.02.2018 - 00:05
4 min
Mainz bleibt Mainz: So sah Bischof Peter Kohlgraf die TV-Fastnachtssitzung
Von Bischof Peter Kohlgraf

Bischof Peter Kohlgraf bei "Mainz bleibt Mainz". Foto: Sascha Kopp
MAINZ - „Helau“ statt „Alaaf“: In diesem Jahr hatte ich einige Gelegenheiten, mich auf die Mainzer Fassenacht einzustimmen. Den Höhepunkt bildet dabei die Sitzung „Mainz bleibt Mainz“, die ich zum ersten Mal live erleben konnte. Insgesamt kann ich nur sagen: „Respekt“. Tolle Stimmung, tolles Programm, wirklich gute Reden, Tänze und Lieder. Bereits der Blick auf den Wein auf dem Tisch erweist die Mainzer als weltoffenes Volk, gibt es doch tatsächlich neben rheinhessischem Weißwein auch einen gepflegten Rheingauer.
Einiges erweckt in mir Heimatgefühle. Die Spitzen gegen die Wiesbadener in einigen Reden erinnern mich an das Köln-Düsseldorfer Verhältnis. Die Rituale der Mainzer Fassenacht sind mir nicht fremd. Ich merke jedoch, wie sehr mich über immerhin 45 Jahre die Kölner Karnevalsmusik geprägt hat. Die Mainzer Melodien und Texte muss ich noch lernen. Allerdings gebe ich zu, dass mich Melodien aus „Mainz bleibt Mainz“ und den anderen Sitzungen als Ohrwürmer begleiten. Oliver Magers „Wir sind Mainzer“, die Lieder der „Schnorreswackler“ und der „Altrheinstromer“ sowie der jungen Gruppe „Handkäs un sei Mussig“ sind wirklich mitreißend. Besonderer Höhepunkt ist der Auftritt von Margit Sponheimer, die vor wenigen Tagen Geburtstag feiern konnte und auch zur Mainzer Ehrenbürgerin ernannt worden ist. Der Sitzungspräsident Andreas Schmitt würdigt sie als ein „Stück Mainz, ein Stück Heimat“.
Merkel: Kopie oder Original in der Bütt
Tatsächlich hat sie eine unglaublich fröhliche Ausstrahlung, ihre Lieder und ihr gesamter Auftritt begeistern. Gerne gratuliere auch ich an dieser Stelle und wünsche weiter gute Gesundheit und Gottes Segen. Schön finde ich, dass es in einem Lied einen etwas sentimentalen Beiklang gab. Das gehört zur Fassenacht dazu. Ich kenne es aus Köln, dass manche Lieder, die heute noch gesungen werden, an schwerere Zeiten erinnern, in denen die Fassenacht etwas Hoffnung und Licht ins Dunkel brachte. Fassenacht ist nicht nur Party, so habe ich es kennengelernt.
Die Redner, die politische Themen aufs Korn nehmen, finden reichlich Material. Es beginnt mit der Mainzer Symbolfigur, dem Till (Friedrich Hofmann). Die GroKo-Verhandlungen laden geradezu ein, sich dazu karnevalistisch zu äußern: Der Zustand der SPD als „lebender Leiche“, Merkel als „schwarze Witwe“, die ihren Partner verschlingt, so zwei Beispiele. Andere werden nicht verschont: Lindner, Nahles, Seehofer und andere bekommen „ihr Fett ab“, ebenso Trump und Kim, die AfD und die Diesel-Betrüger. Vergleicht man diese Rede mit der späteren von Lars Reichow („Fastnachts-Journal“), meint der Neu-Mainzer mit Kölner Migrationshintergrund den deutlichen Unterschied zwischen einer Fastnachtsrede und politischem Kabarett zu erkennen. Erstaunlich, was hier Dr. Florian Sitte als Angela Merkel leistet. An manchen Stellen weiß man nicht mehr, ob in der Bütt die Kopie oder das Original steht und zu uns spricht: Von ihr lerne ich als Bischof die drei noch gelebten Religionen der Mainzer kennen: Fassenacht, Fußball und das Marktfrühstück. Was den Fußball angeht, wollen wir die Hoffnung nicht verlieren.
Wirklich gut gefallen mir die nicht-politischen Reden. Alexander Leber als Polizist, der thematisch und im Dialekt viel Mainzer Lokalkolorit einbringt, Jürgen Wiesmann als Opa wider Willen, Detlev Schönauer als Bio-Lehrer und Sabine Pelz als Chefhostess der Stadt Mainz. Die Chefhostess versprüht über eine Viertelstunde eine Energie und auch eine stimmliche Präsenz, dass ich ihr wünsche, dass sie nach zwei Auftritten nicht komplett heiser ist. Nun ja, es bleibt die Fastenzeit zur Erholung.
Sitzungspräsident ist eine Wucht
Ein weiteres Highlight war das Duo Heininger und Schier mit seiner abwechslungsreichen Mischung aus Vortrag und Gesang. Andreas Schmitt ist nicht nur als Sitzungspräsident eine Wucht, sondern auch als redender Obermessdiener. Ich danke ihm für die freundliche Würdigung und schonende Behandlung in seiner Rede, mal schauen, wie sich das in den nächsten Jahren entwickelt.
Die Garden, die Schwellköpp, das Ballett der Füsiliergarde aus Gonsenheim bringen zusätzlich Farbe und Bewegung, die Mainzer Hofsänger mit dem MCV Ballett sorgen für einen begeisternden Abschluss. Die vielen jungen Leute lassen auf eine gute Zukunft der Mainzer Fassenacht hoffen. Ich freue mich auf die kommenden Tage und ein weiteres Einleben, auch in die Fassenacht in Meenz.