Vorwürfe nach tödlichem Bahnunfall in Frankfurt

Blumen stecken am Unglücksort am Bahnübergang in Frankurt-Nied, wo bei einem Unfall wegen einer geöffneten Schranke eine 16-Jährige tödlich verletzt worden war. Foto: dpa

Eine 16-Jährige starb am Donnerstagabend in Frankfurt-Nied, nachdem sie von einem Zug erfasst worden war. Die Schranke war offen - nun gibt es schwere Vorwürfe in Richtung...

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FRANKFURT. Nach dem tödlichen Bahnunfall in Frankfurt-Nied gibt es schwere Vorwürfe in Richtung der Deutschen Bahn und des Frankfurter Verkehrsdezernates. „Wir alle in Nied haben es geahnt, dass dort irgendwann einmal ein schlimmer Unfall passiert“, erklärte Tobias Fechler, CDU-Vorsitzender in Nied. Beinahe-Vorfälle habe es an dem Bahnübergang in der Oeserstraße immer wieder gegeben, seit vielen Jahren sollte er durch eine Unterführung ersetzt werden. Immer wieder aber sei der Baubeginn verschoben worden. „Dauert es so lange, weil Verkehrsdezernat und/oder Bahn andere Prioritäten haben, als dieses gefährliche Bahnschrankenproblem in Nied zu beseitigen?“, fragt Fechler in einer Stellungnahme, und: „Wie viele Unfälle mit Toten und Verletzten sollen noch geschehen, bis die Unterführung endlich gebaut ist?“

Die Situation an dem Bahnübergang ist seit vielen Jahrzehnten Anlass für Kritik, seit langem gibt es in dem Stadtteil Forderungen nach einer Beseitigung des beschrankten Übergangs.

Bei dem Unfall wegen einer geöffneten Bahnschranke war am Donnerstagabend gegen 20 Uhr eine 16-jährige Fußgängerin getötet worden, eine Autofahrerin (50) und ein Radfahrer (52) wurden schwer verletzt. Der Lokführer einer Regionalbahn hatte zwar eine Notbremsung eingeleitet, konnte den Zusammenstoß mit der Fußgängerin, einem Auto und einem Radfahrer aber nicht verhindern, wie die Bundespolizei mitteilte. Die 35 Zugfahrgäste blieben unverletzt.

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Sonderermittlungsgruppe will Ergebnisse

Am Montag werde die Bundespolizei eine Sonderermittlungsgruppe einsetzen, die sich ausschließlich mit dem Unfall beschäftigen werde. „Dann rechnen wir auch schnell mit Ergebnissen“, sagte ein Sprecher der Nachrichtenagentur dpa. Die Bahn erklärte, zum Hergang beziehungsweise zur Ursache könnten noch keine Aussagen getroffen werden. Der Konzernbevollmächtigte der Deutschen Bahn für Hessen, Klaus Vornhusen, sprach den Angehörigen sein Mitgefühl aus, ebenso wie die Hessische Landesbahn, zu deren Flotte der Zug gehört.

Erst im März hatte die Bahn die Stelle des Schrankenwärters am Bahnübergang Nied öffentlich ausgeschrieben. Laut der Ausschreibung werde man „im Rahmen der ca. zweiwöchigen Funktionsausbildung“ zum Schrankenwärter weitergebildet, auch Quereinsteiger seien dabei willkommen. Zum Zeitpunkt des Unfalls habe eine Wärterin ihren Dienst in dem Wärterhäuschen vor Ort versehen, sagte der Sprecher der Bundespolizei. Die Kollegin sei aber entgegen anderslautender Berichte nicht erst im März eingestellt worden, sagte ein Bahn-Sprecher gegenüber dieser Zeitung. „Jeder, der auf dem Posten sitzt, hat die entsprechende Qualifikation“, sagte er.

Der Nieder CDU-Chef Fechler nannte es „unglaublich, dass ein Zug kommt, wenn die Schranken oben sind. Das darf nie passieren. Das zerstört das Urvertrauen in die Sicherheit des Bahnübergangs.“ Auf den Internetseiten des CDU-Ortsverbandes sind unter anderem Berichte zu finden über einen Ortstermin aus dem Jahr 2006, bei dem es bereits um den Wunsch geht, den Bahnübergang an der Oeserstraße zu beseitigen. Der Übergang ist Teil einer fünfspurigen, stark befahrenen Kreuzung, auch eine Turnhalle und eine Grundschule liegen in der Nähe.

Beseitigung des Übergangs schon lange gefordert

Tatsächlich reichen die Forderungen nach einer Beseitigung des beschrankten Übergangs aber noch sehr, sehr viel weiter zurück – bis in die frühen Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Wie der Festschrift „800 Jahre Nied“ zu entnehmen ist, hatte bereits 1915 die Preußische Staatseisenbahn der Gemeinde Nied die Schließung des Bahnübergangs in Aussicht gestellt, es aber „damals in der noch sehr verkehrsarmen Zeit bei einer Fußgängerbrücke belassen“. Diese sei in den 1960er Jahren der Elektrifizierung der Strecke zum Opfer gefallen.

Die Deutsche Bahn und die Stadt Frankfurt reagierten auf Anfrage dieser Zeitung mit einer gemeinsamen Stellungnahme: „Unabhängig vom Unfall, dessen Hergang und Ursache noch ermittelt werden müssen, sind sich die Stadt Frankfurt und die Deutsche Bahn einig, dass die gemeinsame Planung für die Bahnübergangs-Beseitigung nun in die nächste Phase gehen soll. Der nächste Schritt ist die Unterzeichnung einer fortführenden Planungsvereinbarung.“

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In Hessen gibt es nach Bahnangaben insgesamt 1180 Bahnübergänge, 160 davon mit sogenannten Vollschranken, die beide Fahrtrichtungen der Straße überragen. Hier müsse stets sichergestellt werden, dass beim Schließen der Schranken der Bereich dazwischen frei ist, sagte eine Sprecherin. Dies geschehe beispielsweise per Video oder Radar - oder mittels Wärtern vor Ort. Insgesamt registrierte die Bahn im Jahr 2018 bundesweit 146 Unfälle an Bahnübergängen.