Wie der Staat beim Hafermilch-Cappuccino extra kassiert

Die Auswahl an pflanzlichen Milchalternativen ist groß. In vielen Cafés ist es mittlerweile längst Standard geworden, neben Kuhmilch auch Hafermilch für den Cappuccino anzubieten.
© Annette Riedl/dpa

Ein Cappuccino To-Go mit Hafermilch wird höher besteuert als einer mit Kuhmilch. Deshalb will ein Gastronom vor Gericht. Was sagen Café-Betreiber im Rhein-Main-Gebiet?

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Rhein-Main. Martin Lai geht es ums Prinzip. Oder wie er es ausdrückt: Um die Wurst. Denn tierische Produkte werden gegenüber pflanzlichen steuerlich bevorzugt. Das merkt Lai immer dann, wenn er einen Cappuccino zum Mitnehmen über den Tresen seines Cafés „Südhang“ in Tübingen schiebt. Ist der Cappuccino mit Kuhmilch, fallen 7 Prozent Mehrwertsteuer an. Ist der Cappuccino mit Hafermilch, sind es 19 Prozent.

Der Grund: Pflanzliche Drinks wie Hafer-, Soja- oder Reismilch zählen (anders als Kuhmilch) nicht als Grundnahrungsmittel. Damit fallen sie auch nicht unter den ermäßigten Steuersatz von 7 Prozent. Das hat der Bundesfinanzhof in einem Urteil von 2006 festgelegt.

Lai findet das unfair. Ein Cappuccino zum Mitnehmen kostet im Café „Südhang“ 3,80 Euro – egal, ob mit Kuh- oder Hafermilch. Bei der Variante mit Hafermilch gehen 36 Cent mehr an den Staat als bei der mit Kuhmilch. Lai könnte einen Aufpreis verlangen, um den Verlust auszugleichen. Das will er aber nicht. Denn so würde er Kunden bestrafen, die sich wegen der Klimabilanz oder aus ethischen Gründen für die vegane Alternative entscheiden.  

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Im vergangenen Jahr initiierte Martin Lai daher eine symbolische Protestaktion. Am 7. Juli 2022 verkaufte das Café „Südhang“ ein Getränk mit Hafermilch für 7 Prozent anstelle von 19 Prozent Mehrwertsteuer. Rund 50 Cafés beteiligten sich bundesweit an der Aktion. „Wir haben aus unserer Sicht den moralisch richtigen, aber gesetzlich falschen Steuersatz verwendet“, erklärt Lai. Danach zeigte er sich selbst beim Finanzamt an.

So bewerten Cafés aus der Region die Steuerregelung

Cafés in Wiesbaden, Darmstadt oder Mainz stehen nicht auf der Liste der Cafés, die öffentlich gemacht haben, dass sie an der Protestaktion beteiligt waren. Eine stichprobenartige Umfrage unter Cafés in der Region zeigt: Manchen ist der gesetzliche Unterschied bei der Mehrwertsteuer gar nicht bewusst, für andere ist der Verlust nicht relevant. Denn die Regelung gilt nur für das To-Go-Geschäft. Einige Cafés positionieren sich jedoch explizit dagegen.

Zunächst konnten alle befragten Cafés bestätigen, dass die Nachfrage nach pflanzlichen Alternativen wie Hafermilch steigt. „Es ist definitiv ein Trend zu sehen, schon seit Jahren“, erzählt Tobias Wenz, Inhaber des „Café Fräulein Mondschein“ in Darmstadt. Da das Café viele vegane Produkte im Angebot habe, spreche es aber auch eine andere Kundengruppe an als der Durchschnitt. Für Hafermilch verlangt Wenz je nach Größe des Getränks einen Aufpreis von 30 oder 50 Cent. Das liege daran, dass allein der Einkaufspreis teurer sei als bei Kuhmilch. Im To-go-Geschäft gebe es jedoch keinen zusätzlichen Aufpreis. „Der Verlust ist für uns nicht so relevant“, sagt Wenz.

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Das „Willems im Altstadt Café“ in Mainz macht beim Preis keinen Unterschied zwischen Hafer- und Kuhmilch. Der „Mindergewinn“ liege dadurch bei etwa 20 Prozent. Inhaber Jan Willem Appeltrath findet: Die unterschiedliche Besteuerung von pflanzlicher Milch und Kuhmilch sorge für Verwirrung und sei nicht mehr zeitgemäß. „Pflanzliche Milchalternativen liegen klar im Trend und sollten im Zuge der Klimaneutralität weniger besteuert werden als die Kuhmilch“, fordert er und geht damit noch über die Gleichbehandlung hinaus. Das Verhältnis bei der Nachfrage nach Hafer- und Kuhmilch sei inzwischen 50:50.

Hafermilch in Mainz stärker nachgefragt als in Wiesbaden

Auch Özgün Dirik, Inhaber des „Un Petit Café“ in Wiesbaden, verkauft Hafermilch nicht teurer und nimmt den Verlust in Kauf. „Viele Menschen wollen keine Kuhmilch mehr trinken. Für mich ist es selbstverständlich, dass sie das Gleiche zahlen sollten“, sagt Dirik.

Die „Maldaner Kaffeerösterei“, die Standorte in Mainz und Wiesbaden hat, beobachtet bei der Nachfrage nach Hafermilch einen klaren Unterschied zwischen den beiden Städten: „Mainz liegt im Vergleich weit vor Wiesbaden“, schildert Geschäftsführer Sebastian Schulz. An beiden Orten steige die Nachfrage jedoch konstant. Man habe sich bewusst gegen einen Aufpreis für Hafermilch entschieden. „Wir möchten, dass Konsumentinnen und Konsumenten frei wählen können und Lebensmittel ohne tierische Inhaltsstoffe nicht als Luxus wahrgenommen werden, sondern als echte Alternative“, so Schulz. Er hat bereits mehrere Petitionen unterschrieben, um eine gleiche Besteuerung von pflanzlichen und tierischen Produkten zu erreichen.

Martin Lai will vor das Bundesverfassungsgericht

Auch für Martin Lai aus Tübingen geht dieser Kampf nun erstmal weiter. Denn die Protestaktion ging nicht so aus, wie gewünscht: „Das Finanzamt hat uns helfen wollen und die Anzeige wegen Geringfügigkeit fallen gelassen“, erzählt er. Bei einem Strafbefehl hätten sie dagegen klagen können. Deshalb hat Lai jetzt einen neuen Plan: In den nächsten Tagen will er beim Finanzamt Einspruch gegen seine korrekt abgeführte Umsatzsteuer einreichen. So hofft er, sich von einer Instanz bis zur nächsten klagen zu können – bis zum Bundesverfassungsgericht. Das könne bis zu fünf Jahre dauern, schätzt Lai. Doch er wirkt nicht wie jemand, der schnell aufgibt.