Eine der ungewöhnlichsten künstlerischen Installationen der Gegenwart ist vom 19. Mai bis zum 6. August an fünf markanten Standorten in der Innenstadt von Speyer unter...
SPEYER. Eine der ungewöhnlichsten künstlerischen Installationen der Gegenwart ist vom 19. Mai bis zum 6. August an fünf markanten Standorten in der Innenstadt von Speyer unter freiem Himmel zu sehen: Der englische Künstler Robert Koenig (66) bringt 45 überlebensgroße bunte Gedenkskulpturen aus Holz in die Domstadt – nach Stationen in Leutkirch, Memmingen, Weingarten und Nürtingen ist Speyer die fünfte Stadt in Deutschland, die diese bemerkenswerte Ausstellung mit dem Namen „Odyssey 2017“ erleben wird.
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Künstler hat biografische Bezüge zur Domstadt
Oberbürgermeister Hansjörg Eger sieht die Installation der 45 Holzfiguren, die alle jeweils 2,50 Meter groß sind, individuelle Gesichtsausdrücke, aber jeweils die gleiche Körperhaltung haben, auch als Beitrag der Stadt Speyer zum Reformationsjubiläum 2017. Die Figuren, mit denen der englische Künstler im Jahr 1996 begann, stellen entwurzelte und vertriebene Menschen dar. Koenig nennt sie „Wächter der Erinnerung“ und wird deshalb nach dem Ende des Projekts im August eine in Speyer geschaffene Skulptur aus Eichenholz zurücklassen.
Koenigs Ausstellungsprojekt hat starke biografische Bezüge zu Speyer. Denn es erinnert an den Leidensweg seiner Mutter Maria, die 1942 aus Polen als Zwangsarbeiterin mit der Identitätsnummer „P 1129“ in die Pfalz-Flugzeugwerke nach Speyer verschleppt wurde. Fast zwei Jahre lang musste die junge Frau in einem Arbeitslager unter erbärmlichen Bedingungen leben und magerte in dieser Zeit auf 25 Kilo ab, ehe sie kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs befreit wurde. Später wanderte sie nach England aus, heiratete dort und wurde Mutter von sechs Kindern.
Die Koenig-Skulpturen, die seit Beginn des Projekts vor rund 20 Jahren in mehreren europäischen Ländern zu sehen waren, kommen nun nach Speyer – so Oberbürgermeister Eger – „in einer Zeit, in der Flucht und Vertreibung, Heimatlosigkeit und Migration so aktuell sind wie eh und je“. Die Figuren stellten Erniedrigte dar, deren Würde durch die skulpturale Übergröße symbolisch erhöht werde. Mit seinem Projekt „Odyssey“ wolle Koenig erinnern und wachrütteln zugleich, damit künftig gelte: „Hinschauen statt wegschauen und eingreifen, wenn Unrecht geschieht.“
Koenig lebt und arbeitet einen Monat lang in einem Atelier beim Künstlerbund in der Sämergasse in Speyer. Der Innenhof wird ab dem 23. Mai zur Offenen Werkstatt, in der man dem Künstler begegnen kann. Koenig wird dort zwei weitere Skulpturen aus Speyerer Eichen anfertigen, von denen eine mit seiner Ausstellung im August weiterzieht, die zweite auf Dauer in Speyer bleibt.
Koenig ist 30. Stipendiat des Internationalen Stipendiums Künstlerhaus. In einer Werkschau vom 26. Mai bis 10. Juni präsentiert er im Künstlerhaus außerdem Kleinskulpturen. Das Atelier ist von Dienstag bis Samstag von 14 bis 17 Uhr geöffnet.
Die Großskulpturen werden an fünf Standorten in der Innenstadt von Speyer aufgestellt: Vor dem Historischen Rathaus in der Maximilianstraße, auf dem Domplatz vor dem Kaiserdom, bei der Synagoge „Beith Schalom“ am Weidenberg, in der Villa Ecarius in der Nähe des Bahnhofs und an der Gedächtniskirche. Vom 19. Mai bis zum 11. Juni gibt es ein umfangreiches Rahmenprogramm mit Ausstellungen und Vorträgen, Konzerten und Lesungen. Die Speyerer Koenig-Figur, die er während seines Aufenthalts in der Domstadt schafft, wird am 9. Juni, 19 Uhr, am Künstlerhaus enthüllt.