Ein Start-up entwickelt eine App, die Nutzern in Heidelberg barrierefreie Wege anzeigt.
HEIDELBERG. Ein Smartphone kann viel. Fotografieren oder Videos abspielen etwa. Aber auch Barrieren überwinden? Dank einer App sollen die digitalen Alleskönner bald auch den Alltag von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen erleichtern. „Hürdenlos-Navi“ nennt sich der Routenplaner, der aktuell von der Stadt Heidelberg in Zusammenarbeit mit der Universität entwickelt und voraussichtlich im Frühjahr 2020 zum freien Download verfügbar sein wird.
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Christian Scholl hält vorm Eingang des Heidelberger Rathauses das Handy in die Luft. Der Empfang schwächelt an diesem verregneten November-Tag etwas, doch schon poppt ein lila umrandetes Programm auf dem Display auf. Start und Ziel eingeben, die ersten Eingabefelder der Navigations-App wirken vertraut. „Aber hier kann man ganz individuell auf die Bedürfnisse des Nutzers eingehen“, verrät der Projektbeauftragte. Und tatsächlich: Im nächsten Schritt werden die maximale Bordsteinkantenhöhe, die Gehwegbreite, die mögliche Steigung und sogar die Bodenbeschaffenheit abgefragt. So können zum Beispiel auch Rollstuhlfahrer sicher von A nach B gelangen, ohne von unliebsamen Hindernissen wie einem zu schmalen Gehweg oder einem unüberwindbaren Bürgersteig überrascht zu werden. Der fiktive Spazierlauf führt vom Rathaus zur Peterskirche. Der schnellste Fußweg beträgt demnach gerade einmal 650 Meter, wäre aber voller Hindernisse. Die App wählt einen anderen Weg, die lange Fußgängerzone entlang zur Plöck. Dann über die Friedrich-Ebert-Anlage wieder ein paar Meter zurück. 19 Minuten statt 9, bei insgesamt 1440 Metern. Also mehr als doppelt so weit, dafür sicher – und vor allem: eben, ohne anstrengende Barrieren. „Für viele Rollstuhlfahrer sind im Grunde sogar Steigungen von bis zu zehn Prozent kein Problem. Aber wenn jemand an Multiple Sklerose erkrankt ist oder einen Schlaganfall erlitten hat, für den können schon drei Prozent Neigung zu viel sein“, weiß Christina Reiß. Die Behindertenbeauftragte zeigt sich vom mobilen Atlas für besondere Bedürfnisse begeistert. „So können mobilitätseingeschränkte Menschen auch ohne Assistenten selbstbestimmt unterwegs sein“, betont sie.
Aktuell ist das Pilotprojekt auf die Heidelberger Altstadt und Bergheim begrenzt. Während gewöhnliche Routenplaner den schnellsten oder kürzesten Weg finden sollen, arbeitet die Hürdenlos-App im dreidimensionalen Raum. Mit einem Vermessungsfahrzeug wurden die beiden von Kopfsteinpflastern und schmalen Gassen geprägten Stadtteile sozusagen gescannt und die Daten ins digitale Netz eingespeist. „Es handelt sich um Open Data, das heißt, die Informationen können auch für andere Projekte genutzt werden“, erklärt Scholl. Im nächsten Schritt soll der Routenplaner auf die Stadtteile West-, Südstadt und Rohrbach erweitert und die App auch mit einer Sprachbedienung versehen werden. Zudem soll es ein Modul in einfacher Sprache geben, um auch Menschen mit Lernschwierigkeiten, Lese- und Rechtschreibschwäche sowie Hörbehinderten das Handling zu erleichtern. Da täglich viele internationale Touristen die ehemalige Residenzstadt besuchen, wird auch eine englische Version angeboten. Nicht nur Rollstuhlfahrer, sondern auch ältere Menschen mit Rollatoren, aber auch Personen mit Kinderwagen oder schwerem Gepäck sollen die digitale Anwendung nutzen.
Und die App keineswegs nur auf Heidelberg beschränkt sein. „Warum sollen nicht auch andere Kommunen davon profitieren?“, verdeutlicht Scholl, dass die Software nach seiner Testphase auch anderen Städten frei zur Verfügung stehen wird. Das Fernziel sei, die ganze Landkarte flächendeckend abzubilden. Dass man sich orientieren und bewegen kann, ohne auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein. Egal wo.