Wasserversorgung trotz Trockenheit: Wie geht das?

In riesigen Hochbehältern wird das Trinkwasser nach der Förderung zwischengelagert – hier im Wasserwerk in Mainz-Hechtsheim. Der größte Hochbehälter der WVR steht in Wintersheim (VG Rhein-Selz). Archivfoto: Sascha Kopp
© Archivfoto: Sascha Kopp

Rheinhessen geht das Trinkwasser nicht aus. Doch die Herausforderungen durch den Klimawandel sind immens, sagt Ronald Roepke, Chef der Wasserversorgung Rheinhessen-Pfalz.

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RHEINHESSEN. Wer mit Ronald Roepke, dem Geschäftsführer der Wasserversorgung Rheinhessen-Pfalz (WVR), am Guntersblumer Rheinufer entlangspaziert, wo mit der dortigen Uferfiltrat-Anlage die Herzkammer von Rheinhessens Trinkwassergewinnung sitzt, der muss deutlich weiter nach unten gucken als sonst, um die Oberfläche des Rheins zu sehen. Der heiße Sommer, die Trockenheit, sie hinterlassen auch hier beim Wasserstand des Flusses unübersehbare Spuren. Dabei sind die aktuell niedrigen Pegelstände gar nicht die größte Herausforderung für die Versorgung der Region mit Trinkwasser, sagt der WVR-Chef.

Herr Roepke, es hat seit vielen Wochen allenfalls punktuell geregnet, der Rheinpegel ist extrem niedrig. Als Geschäftsführer eines Unternehmens, das 230.000 Menschen mit Wasser beliefert, bereitet Ihnen das Sorgen? Dass wir derart tiefe Pegelstände im Rhein haben, ist keine komplett neue Situation. Das gab es auch schon 2018. Eine viel größere Herausforderung ist der sinkende Grundwasserspiegel. Diese Entwicklung spielt sich im Gegensatz zum Niedrigwasser im Rhein nicht vor aller Augen ab. Doch genau hier sehen wir, der Klimawandel kommt nicht erst, er ist schon längst da. Und seine Auswirkungen spüren wir ganz deutlich.

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Am Guntersblumer Rheindamm reaktiviert die WVR aktuell einen Erkundungsbrunnen als weiteren Uferfiltratbrunnen für die Trinkwassergewinnung.  Foto: Julian Peters
Am Guntersblumer Rheindamm reaktiviert die WVR aktuell einen Erkundungsbrunnen als weiteren Uferfiltratbrunnen für die Trinkwassergewinnung.
© Julian Peters

Wie hat sich der Grundwasserspiegel denn genau verändert? Seit 2002 geht die Grundwasserneubildung deutlich zurück, in ganz Rheinland-Pfalz um 25 Prozent. Es fehlt der Regen, der den Grundwasserstand wieder auffüllt. In Rheinhessen ist der Rückgang wegen geringem Niederschlag und höheren Temperaturen sogar noch größer. Und die Prognosen sagen, dass sich an dieser Entwicklung nichts ändern wird. Dabei trifft der sinkende Grundwasserspiegel auf eine steigende Wasser-Nachfrage, bedingt durch Bevölkerungswachstum, mehr Hitzetage, mehr Pools aber auch durch Gewerbeansiedlungen und verstärkte landwirtschaftliche Beregnung.

Angesichts dieser Entwicklung, ist die Versorgung mit Trinkwasser in heißen Dürre-Sommern sicher oder müssen sich Nutzer in der Region auf Verbrauchseinschränkungen einrichten, wie sie diesen Sommer etwa in Teilen Frankreichs verhängt wurden? Ja, grundsätzlich ist ausreichend Trinkwasser vorhanden. In Rheinhessen sind wir in Sachen Wasser recht gut aufgestellt, weil wir den Rhein als robuste Wasserquelle haben. Daher ist keine Mangelsituation absehbar. Damit das Wasser fließt, muss letztlich aber auch im Tagesgeschäft alles funktionieren – das gilt besonders für die Technik. Wir betreuen rund 2500 Kilometer Leitungsnetz und 95 Hochbehälter, da kann natürlich immer etwas ausfallen.

Wie reagieren Sie als Wasserversorger auf die Veränderungen, die der Klimawandel in der Region mit sich bringt? Aktuell gewinnen wir unser Wasser zu drei Prozent aus Quellen, zu 15 Prozent aus Grundwasserbrunnen und zu 82 Prozent aus unseren Uferfiltratanlagen in Bodenheim und Guntersblum, wobei Guntersblum den mit Abstand größten Anteil hat. In den zehn Anlagen in Guntersblum wird zu 90 Prozent Uferfiltrat, das von der Rheinsohle durch das Gestein in die 60 Meter tiefen Brunnen läuft und zehn Prozent Land-Grundwasser gefördert, insgesamt bis zu elf Millionen Kubikmeter im Jahr. Perspektivisch erwarten wir, dass wir aus Quellen gar kein Wasser mehr gewinnen werden, aus Grundwasserbrunnen nur noch 70 Prozent der heutigen Menge. Die entstehenden Lücken müssen die Uferfiltratanlagen schließen.

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Wie soll das gelingen? Momentan arbeiten wir daran, einen Erkundungsbrunnen in Guntersblum zu reaktivieren und ebenfalls als Uferfiltratbrunnen zu nutzen. Mittelfristig wollen wir nördlich der bestehenden Anlagen eine „Nordgalerie“, unter anderem mit zehn weiteren Uferfiltratbrunnen bauen. 2021 fanden erste Probebohrungen statt, als Grundlage für eine Machbarkeitsstudie, die jetzt läuft. An dieser Stelle zeigt sich aber noch ein anderes Problem: Wir brauchen eine viel höhere Geschwindigkeit bei der Planung und Umsetzung solcher Maßnahmen.

Vor welchen Herausforderungen stehen Sie aktuell noch, abgesehen von jenen, die durch den Klimawandel entstehen? Abgesehen davon, dass wir unsere Kapazität anpassen müssen, stehen wir vor der Herausforderung, unsere Substanz, das Leitungsnetz und die Hochbehälter, zu erhalten. Wir müssen mit Kostensteigerungen umgehen und spüren auch bei uns die Auswirkungen des Fachkräfte- und Nachwuchsmangels.

Welche Auswirkungen hat all das auf die Wasserpreise? Zwischen 2015 und 2018 haben wir die Preise stabil gehalten, seitdem sind sie moderat gestiegen. Nun jedoch machen uns einige Kostentreiber zu schaffen: Die allgemeine Inflation, große Kostensteigerungen im Tiefbau, Steigerungen bei Löhnen und Gehältern und ganz besonders die Explosion der Energiepreise. Wir benötigen viel Strom für den Betrieb der Brunnen und der Pumpen, die das Wasser durch das Leitungsnetz transportieren. Alleine für das Jahr 2023 erwarten wir zwei Millionen Euro zusätzliche Kosten für Strom, und das bei einem Jahresumsatz von 30 Millionen Euro. Die Tendenz für den Wasserpreis zeigt daher weiter nach oben.

Stecken Sie als Versorger nicht in einem Zwiespalt? Auf der einen Seite sollen Kunden die wertvolle Ressource Trinkwasser nicht verschwenden. Auf der anderen Seite leben Sie vom Wasserverkauf... Es gibt da gewiss einen Zielkonflikt. Aber man muss auch sehen, dass das System sehr komplex ist. Wenn es viel regnet und der Wasserbedarf niedrig ist, ist dieses Niveau relativ leicht zu bedienen. Als Versorger müssen wir uns mit unseren Kapazitäten jedoch nicht am durchschnittlichen Bedarf, sondern immer am Maximalbedarf orientieren. Das müssen wir finanzieren. Wir haben ein Speichervolumen von 83.000 Kubikmetern, während an einem heißen Sommertag bis zu 55.000 Kubikmeter Wasser verbraucht werden. Darauf müssen wir uns einstellen. Dies wird durch verschiedene Faktoren erschwert, etwa die Nutzung von Zisternen, auch wenn diese natürlich ökologisch sinnvoll sind. Bleibt im Sommer der Regen aus, fallen die Zisternen trocken und wir müssen deren Nutzer zusätzlich zur steigenden Nachfrage mit Wasser beliefern. Daher geben wir auf unserer Webseite auch Hinweise zum sorgsamen Umgang mit Trinkwasser.