Demonstrationen nach Tod von Susanna F.: Erbenheimer sind...

aus Der Fall Susanna

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Politische Parolen an der Gedenkstätte für Susanna F.. Foto: Wolfgang Degen

Eine kleine Umfrage in Erbenheim zeigt: Es gibt Verständnis und Rückhalt für jene, die nach dem Verbrechen an der Schülerin Susanna unter dem Motto „Hand in Hand – Gegen...

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WIESBADEN. „Ich finde es ganz gut, dass hier demonstriert wird. So wie bisher kann es nicht weiter gehen“, meint Susanne. „In der Flüchtlingspolitik muss sich etwas ändern.“ Es sei „gut, dass es Leute gibt, die einen Arsch in der Hose haben“. Eine kleine Umfrage in Erbenheim zeigt: Es gibt Verständnis und Rückhalt für jene, die nach dem Verbrechen an der Schülerin Susanna unter dem Motto „Hand in Hand – Gegen Gewalt auf unseren Straßen“ am Samstag zum zweiten Mal zu einer Protestkundgebung aufgerufen hatten.

Die Leiche der 14-Jährigen war am 6. Juni gefunden worden. Als dringend Tatverdächtiger sitzt der 21 Jahre alte Ali Bashar in Untersuchungshaft, ein abgelehnter irakischer Asylbewerber, der mit seiner Familie in der Flüchtlingsunterkunft am Kreuzberger Ring gelebt hatte. Die Organisatoren der Demonstration haben weitere Aktionen angekündigt. Am Samstag hatten sich rund 100 Menschen beteiligt. „Ich würde da schon mitgehen“, meint Susanne. Das Verbrechen an dem Mädchen habe sie, selbst Mutter, „sprachlos“ gemacht.

„Bei der Flüchtlingspolitik muss etwas passieren.“

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Es gibt in Erbenheim aber auch Menschen, für die ist die Demonstration mit Parolen wie „Merkel muss weg“ nur die Instrumentalisierung eines Verbrechens. „So etwas brauchen wir nicht in Erbenheim. Ich würde da auch nicht hingehen“, sagt eine ältere Frau. „Hier ist ein furchtbares Verbrechen passiert, aber dafür können die anderen hier lebenden Flüchtlinge nichts. Die sind auch betroffen und fassungslos.“ Zur Teilnahme an der Demonstration wurde vor allem auf rechtspopulistischen und rechten Plattformen im Internet aufgerufen. „Dass bei der Flüchtlingspolitik etwas passieren muss, das steht außer Frage. Aber mir persönlich macht Angst, welche Stimmung hier erzeugt wird“, findet Sandra. „Das hilft doch keinem.“ Bei der Demonstration am Samstag wurde unter Beifall der Teilnehmer auch behauptet, dass es in Erbenheim schlimmer, immer unsicherer geworden sein soll: Mit dem Protest wolle man „zunächst auf die massiven Missstände und Probleme vor Ort hinweisen und den Bürgern eine Stimme geben“, formulierten die Organisatoren im Vorfeld der Demo. Es gäbe Einbrüche am helllichten Tag, Kinder würden bedroht, es gebe Raubstraftaten, wurde während der Demo behauptet. Die Flüchtlinge als Bedrohung und Gefahr.

Die Behauptung, dass es immer unsicherer im Stadtteil geworden sei, lässt sich nicht in Deckung bringen mit den für Erbenheim bei der Polizei angezeigten Straftaten: Beispiel Sexualdelikte (das reicht von sexueller Belästigung bis zur Vergewaltigung): In den Jahren 2014 bis 2016 wurden für Erbenheim keine Fälle angezeigt. Für 2017 waren es vier Fälle, und in allen vier Fällen stammten die ermittelten Tatverdächtigen nicht aus der Gruppe der Flüchtlinge.

Die angezeigten Fälle für Raub und räuberische Erpressung stellen sich so dar: 2014 waren es fünf Fälle. Damals, und das muss man wissen, waren weder die jetzige Gemeinschaftsunterkunft an der Berliner Straße noch die am Kreuzberger Ring von Flüchtlingen bewohnt. Die Unterkunft am Kreuzberger Ring wurde erstmals Mitte April 2016 belegt. In der Berliner Straße ist das seit dem 30. Januar 2017 der Fall.

Polizei: 2016 war kein Flüchtling tatverdächtig

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Seit der Ankunft der Flüchtlinge in Erbenheim entwickelten sich die angezeigten Fallzahlen wie bei Raub und räuberischer Erpressung wie folgt: 2016 wurde ein Fall angezeigt, in 2017 drei Fälle. In einem dieser drei Fälle stammte der Verdächtige aus der Gruppe der Flüchtlinge.

Betrachtet man die Fälle von Körperverletzung (einfache und gefährliche), dann war das Jahr 2014 mit 36 angezeigten Fällen im Stadtteil unrühmlich herausragend. Nur – das war vor der Flüchtlingswelle. In 2015 waren es 20 angezeigte Fälle, 2016 dann 22 und 2017 zwölf Fälle. In einem Fall der gefährlichen Körperverletzung kam der Tatverdächtige aus der Gruppe der Flüchtlinge. 2017 wurden für Straftaten, die Erbenheim als Tatort hatten, sieben Flüchtlinge als Verdächtige ermittelt: Neben dem Fall der Körperverletzung waren es ein Raub, eine Sachbeschädigung, drei Diebstähle und ein Fall des Schwarzfahrens. 2016 war laut Polizei bei keiner der in Erbenheim angezeigten Straftaten ein Flüchtling tatverdächtig.