Warum wird die Nilgans in Wiesbaden nicht bekämpft?

Nilgänse fühlen sich auch in den kalten Monaten in Wiesbaden heimisch.

Sie verdrecken die Grünanlagen mit ihrem Kot und vertreiben heimische Arten: Vielen Wiesbadenern sind Nilgänse deshalb ein Dorn im Auge. Bejagt werden sollen sie aber nicht.

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Wiesbaden. Tauben und Nilgänse gehören in Sachen Popularität nicht zu den Wiesbadener Spitzenreitern: Die Verunreinigungen und der Lärm sorgen oft für Abneigung. Wie weit diese schlimmstenfalls gehen kann, belegten im Herbst die Überwachungskameras am Hauptbahnhof: Die Aufnahmen zeigten einen Mann, der zwei Tauben den Kopf abriss. Auch eine Nilgans wurde von ihm auf diese Weise getötet. Zwischenzeitlich konnte die Polizei Wiesbaden die tatverdächtige Person stoppen: Laut Sprecherin Michaela Plock sind die polizeilichen Ermittlungen zu den Verstößen gegen das Tierschutzgesetz abgeschlossen und an die Wiesbadener Staatsanwaltschaft übermittelt.

Tierhasser treten oder greifen zum Luftgewehr

Dass Nilgänse auch ohne derart grausame Übergriffe nicht zu den beliebtesten Tierarten gehören, ist kein Geheimnis: Eine häufig geäußerte Sorge besteht in der Ausrottung der heimischen Stockente durch die invasive Art (ursprünglich stammt sie aus Afrika). Auch die Verunreinigung der Grünanlagen stört viele Menschen: Einige fürchten sich zudem vor der aggressiven Lautstärke, mit der die Nilgans die häufig in Parks gelegenen Reviere verteidigt und so die Aufenthaltsqualität mindert. Vereinzelt wurden Nilgänse von Tierhassern bereits per Luftgewehr beschossen oder getreten.

Wie viel Nilgänse zur Zeit in Wiesbaden leben, ist unklar: Es existiert keine Zahl, wie eine Anfrage an das Grünflächenamt ergab. Zuletzt erfolgte eine Zählung (auch hier liegt keine Angabe vor) der Nilganspopulation in den hinteren Kuranlagen, im Kurpark, auf dem Bowling Green, im Warmen Damm und in den Herbert- und Reisingeranlagen in den Jahren 2019 und 2020. „Diese Untersuchung kam zum Ergebnis, das die Individuenzahl der Nilgans in Wiesbaden seit 2016 nicht mehr weiter angestiegen ist”, so eine Sprecherin des Grünflächenamtes. Aktuellere Untersuchungsergebnisse seien dem Grünflächenamt nicht bekannt.

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Brutplätze sind zu variabel für Attrappenaustausch

Einen ebenso polarisierenden Effekt besitzen Stadttauben. Um ihre Population zu reduzieren (die letzte Taubenzählung des Stadttaubenhilfe Mainz-Wiesbaden im November 2021 ergab 5627 Stück), werden Eier gegen Attrappen ausgetauscht. Lange geschah dies ausschließlich durch ehrenamtliche Stadttaubenhilfe-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter. Seit 2022 finanziert das Ordnungsamt eine Minijob-Stelle für den Eiertausch an wilden Brutplätzen wie Parkplätzen, offenen Dachböden oder Hinterhöfen - mehr als 2100 Eier konnten so ausgetauscht werden.

Bei den Nilgänsen greifen hingegen keinerlei städtische Maßnahmen, da der Bestand in den öffentlichen Grünanlagen nicht signifikant angestiegen sei, heißt es dazu aus dem Grünflächenamt. Zudem sei das Austauschen der Eier gegen Attrappen bei der Nilgans nicht umsetzbar, da diese sich sehr variabel bezüglich der Brutplatz-Auswahl verhalte: „Sie brütet auf Bäumen, auf Dächern von Häusern oder auf Flächen, die nicht vom Grünflächenamt betreut werden.” Weiterhin zeige die Untersuchung, dass nur eine sehr geringe Anzahl von Nilgänsen in den genannten öffentlichen Grünanlagen ihre Jungen ausbrüten und bis zur Erlangung der Flugfähigkeit großziehen. Der mit Abstand größte Teil der Nilgänse komme vielmehr aus dem weiteren Umfeld Wiesbadens, um die Zeit der Mauser und der damit verbundenen Flugunfähigkeit in den Grünanlagen zu verbringen.

Am wirksamsten lasse sich die Populationsgröße der Nilgans über das verfügbare Nahrungsangebot und die Gestaltung der Parks regulieren: „Das Fütterungsverbot für Wildtiere in den öffentlichen Grünanlagen gilt für auch für die Nilgans”, betont die Sprecherin. Die Einhaltung werde im Rahmen der regulären Bestreifung der Parks durch die Stadtpolizei kontrolliert - auch andere Wasservögel wie Enten dürfen nicht gefüttert werden. Schilder an den Rändern der Gewässer weisen die Parkbesucher darauf hin, weitere Maßnahmen sind jedoch nicht vorgesehen: „Die Umgestaltung der Gewässerränder ist in den denkmalgeschützten Anlagen nur sehr eingeschränkt oder gar nicht möglich.”

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Bereits 2018 empfahl die EU aus Gründen des Naturschutzes die Jagd auf die Nilgans, lässt sie sich in artfremden Gebieten nieder. Dies ist freilich in Wiesbaden der Fall. Anders als beispielsweise in Frankfurt und Darmstadt wird die Nilgans hier jedoch nicht abgeschossen: Da sich die Grünanlagen in der Innenstadt oder in innenstadtnahen Bereichen befinden, sei eine Bejagung, wie sie zum Beispiel im Brentanobad in Frankfurt erfolgt, aus Sicherheitsgründen nicht umsetzbar, so die Sprecherin.