Wochenschau: Ohne Flaschenstartrampe in 2023

Henri Solter.

Zu Silvester entbrennt wieder die alte Debatte: Feuerwerk, ja oder nein? Kräftig eingedeckt haben sich die Wiesbadener bereits, was in der Stadt schon ausgiebig zu hören war.

Anzeige

Wiesbaden. Haben Sie es schon knallen gehört? Wahrscheinlich. Schließlich steht das neue Jahr vor der Tür und das bedeutet vor allem eines: Feuerwerk. Pünktlich zum Jahresausklang haben die Pyromanen und Feuerwerksfreunde wieder Hochkonjunktur. Wer die letzten Tage durch Wiesbadens Geschäfte geschlendert ist, kam nicht daran vorbei, den munteren Kaufrausch von Feuerwerkskörpern und Böllern zu beobachten. „Lasst ihnen doch ihren Spaß”, denke ich mir, während ich eher beiläufig den Blick auf die Rechnungen der angestrebten Knall-Spektakel schweifen lassen. 600 Euro, 260 Euro oder 350 Euro werden an den Kassen angezeigt. Preise, bei denen ich erstmal schlucken muss. Die Käufer verziehen jedoch keine Miene. Diese Summe scheinen völlig normal. Wirtschaftliche Einschränkungen können die Vorfreude, das neue Jahr 2023 mit dem entsprechenden Farben- und Knallspektakel einzuläuten, jedenfalls nicht bremsen.

Es ist ja auch nichts Neues: Denn Silvester wird traditionell dazu genutzt, mal auf andere Art so richtig Dampf ablassen. Nach diesem Jahr 2022 kann man das wohl auch keinem verübeln und was die Leute mit ihrem Geld machen, geht erstmal sowieso keinen etwas an. Zudem war in in den vergangenen zwei Jahren wegen der Corona-Pandemie der Verkauf von Silvesterfeuerwerk deutschlandweit untersagt, zugleich galt ein An- und Versammlungsverbot für Silvester und Neujahr.

Hundehalter zählen die Minuten

Dass sich in der hessischen Landeshauptstadt also viel Druck angestaut hat, wird auch schon vor dem Jahresumschwung deutlich: An vielen Ecken im Stadtgebiet knallt es bereits Tage vorher. Zwar gilt in Deutschland nur drei Tage die Verkaufserlaubnis, doch diese wenigen Stunden werden zum einen rege genutzt, zum anderen werden aber auch sicherlich nicht alle Böller und Raketen über die herkömmlichen Wege besorgt. Beim Thema Feuerwerk und Böller scheiden sich sowieso die Geister. Auch in der Wiesbadener Stadtpolitik, die diesen Sommer bereits über einen möglichen Austausch des Kurhaus-Feuerwerks gegen eine Lichter- und Drohnenshow diskutiert hat. Doch auch generell wird immer wieder über ein allgemeines Feuerwerksverbot diskutiert.

Anzeige

Dass Tiere und die Umwelt unter der Knallerei besonders leiden, muss wohl nicht mehr extra betont werden. Hundehalter zählen an Silvester nicht nur die Sekunden bis 0 Uhr, sondern eigentlich eher die Minuten, bis das Neujahrsfeuerwerk endlich zu Ende ist. Auch in den Kliniken bedeutet der Silvesterabend Großkampftag. Die Unfallklinik in Frankfurt beispielsweise hat vorsorglich bereits um Verständnis gebeten, dass besonders nach Mitternacht mit längeren Wartezeiten gerechnet werden muss. Die häufigsten Fälle sind auf erhöhten Alkoholkonsum sowie Hand- und Explosionsverletzungen durch Feuerwerkskörper zurückzuführen. Nicht die beste Kombination und vermeidbar, wie auch Manfred Stein (Geschäftsführer vom Deutsches Rotes Kreuz Rettungsdienst Rhein-Main-Taunus) und Frank Zimmermann (Bereichsleiter Rettungsdienst von den Maltesern in Oestrich-Winkel) betonen. „Ein Böllerverbot würde ganz erheblich dazu beitragen, dass wir in der Silvesternacht wesentlich weniger Einsätze wegen Verletzungen hätten”, sagt Stein. „Jeder Einsatz, den wir nicht fahren, ist hilfreich”, pflichtet Zimmermann bei. Diese Ansicht haben freilich auch die Einsatzkräfte in Wiesbaden.

Dennoch gehört ein Feuerwerk für viele Menschen zum neuen Jahr dazu. Wohlgemerkt sind die Produkte auch deutlich sicherer als es noch vor ein paar Jahren der Fall war. Ich kann mich nicht nur an ein Silvester erinnern, an denen noch Flaschen als Startrampen benutzt wurden, die dann nicht selten umgefallen sind und noch den letzten schon fast dösenden Silvester-Gast wieder munter gemacht haben. Das geht mit den heutigen Batterien schon deutlich leichter und vor allem ungefährlicher. „Ein Feuerwerk ist für viele Menschen von hohem Wert“, sagt der Verbandsvorsitzende Ingo Schubert vom Bundesverband Pyrotechnik (BVPK). Verbotsforderungen, wie die der Deutschen Umwelthilfe, zielen laut ihm darauf ab, eine Kulturpraktik abzuschaffen. Ob es um die Abschaffung von Kulturgut geht, sei mal dahingestellt. Dass sich aber viele nach dem Silvesterfeuerwerk sehnen, steht außer Frage und ist meines Erachtens auch nicht das Hauptproblem.

Das sind schon eher die Böller. Während ich sehr gerne in den Himmle blicke, um die Farben und Muster der Raketen zu bestaunen, kann ich persönlich mit dem stumpfen und plumpen Knall eines Böllers so gar nichts anfangen. Auf engem Raum und in großen Menschenmengen werden Böller, die nicht selten ungeprüfte Importprodukte aus Osteuropa sind, zu kaum kalkulierenden Gefahrenherden. Das liegt an den Produkten, aber vorrangig an den Nutzern, wo wir wieder am Anfang angelangt wären. Jeder darf das Feuerwerk genießen und jeder soll seinen Jahresumschwung feiern wie er will. Doch auch beim Abbrennen von Böllern und Feuerwerk gilt eine gewisse Rücksichtnahme, die auch schon ein paar Tage vor dem Silvester in allen Wiesbadener Vierteln angebracht ist.

In diesem Sinne: Ein guten Rutsch ins neue Jahr!