Es war eine glanzvolle Premiere für "Siegfrieds Erben" bei den Nibelungen-Festspielen in Worms. Viele Promis waren dabei und gespannt auf die neue Inszenierung.
WORMS. Schluss. Ende. Aus. Bislang waren die alten „Mæren“ immer auserzählt nach dem grauenhaften Gemetzel an Etzels Hunnenhof. Dieses Jahr ist das alles ganz anders. Die Autoren Feridun Zaimoglu und Günter Senkel haben den Nibelungen-Faden weitergesponnen und mit ihrem Festspielstück „Siegfrieds Erben“ eine Fortsetzungsgeschichte ersonnen, in der sie ausloten, wie der unbekannte Nibelungenlied-Dichter die Sage auch hätte weitererzählen können.
Entsprechend gespannt waren denn auch viele der Stars und Sternchen, die am Freitag in großer Zahl vor der Uraufführung über den roten Teppich vor dem Heylshofportal flanierten – intensiv beobachtet und eifrig beklatscht von den vielen „Promi-Guckern“, die sich schon weit vor 18 Uhr die besten Plätze hinter den Barrieren in der für den Autoverkehr gesperrten Stephansgasse gesucht hatten.
Politik-Prominenz und Schauspieler
Bei den ersten bekannteren Premierengästen ist Schauspieler Oscar Ortega Sanchez, vielen bekannt aus der ARD-Reihe „Mordkommission Istanbul“. Sanchez hatte 2017 in „Glut“ mitgespielt. Danach kommt Bildungsministerin Stefanie Hubig im schicken lindgrünen Sommerkleid, sie vertritt quasi die Landesregierung, da Ministerpräsidentin Malu Dreyer erst an einem der nächsten Tage nach Worms anreisen will. Berliner Polit-Prominenz ist mit Ausnahme von Staatssekretär Björn Böhning (SPD) nicht vertreten, wenn man von den Ex-Ministern Franz-Josef Jung und Dirk Niebel (beide FDP) oder vom früheren Ministerpräsidenten Bernhard Vogel (CDU) absieht.
Bildergalerie
Bildergalerie
Anfangs „tröpfelt“ es noch ein bisschen, aber ab 19 Uhr fährt eine Limousine nach der anderen vor. Applaus brandet auf, als die Jüngeren Carolin Niemczyk und Daniel Grunenberg erkennen, die beiden Sänger der Gruppe „Glasperlenspiel“. „Ich war viel unterwegs und habe mir in letzter Minute noch schnell ein passendes Kleid gekauft“, erklärt Niemczyk den wartenden Journalisten. Wie immer ein „Hingucker“ ist das schrille Outfit von Modedesigner Harald Glööckler: Hohe Glitzerstiefel, eine mit Schmucksteinen besetzte, echt scharfe Sonnenbrille, schwarzer Frack, riesiges rotes Einstecktuch. „Ich habe mir gedacht, etwas Barockes wäre heute nicht schlecht“, lacht Glööckler gut gelaunt in die Runde. Der Wahlpfälzer ist nicht zum ersten Mal bei den Festspielen und lobt: „Worms ist eine sehr schöne Stadt mit großer Geschichte, ich freue mich auf eine rauschende Ballnacht.“
Wiedersehen mit alten Bekannten
Moritz Rinke, Nibelungen-Autor der ersten Stunde, freut sich auf ein Wiedersehen mit alten Bekannten. „Ich fühle mich heute ein bisschen als Helmut Rahn der Nibelungen-Festspiele“, zieht Rinke, selbst ein guter Fußballer, einen spaßigen Vergleich zur Fußball-WM von 1954.
Richtig laut wird es gegen 19 Uhr, als die versammelte,fünfköpfige Ochsenknecht-Familie den roten Teppich betritt. Mit im Schlepptau auch Jimi Blue, der noch für die Fotografen posiert, dann aber seiner Mama Natascha einen Schmatz auf die Wange haucht, um im Laufschritt die Treppen Richtung Maske zu nehmen, wo er für seinen Auftritt als Siegfrieds Sohn geschminkt wird. „Wir haben uns alle heute den Termin freigehalten, um Jimi Blue zu unterstützen. Das alles ist so heiß und aufregend wie das Wetter“, gibt Natascha Ochsenknecht zu, ein bisschen Lampenfieber zu verspüren. Locker und cool bleibt – zumindest nach außen hin – Vater Uwe, der selbst 2016 im „Gold“-Stück den Produzenten Konstantin Trauer spielte. „Dass er gut spielen kann, weiß ich. Aber Open-Air-Theater in dieser Größenordnung wie Worms, das ein gewisses Standing hat und wahrlich keine Kleinkunstbühne ist, das ist natürlich eine ganz andere Sache.“ Und? Hat er Jimi Blue vorher Tipps gegeben? „Nein. Der macht das schon. Aber klar werden wir uns hinterher über seine Rolle unterhalten“, kündigt Uwe Ochsenknecht an und räumt dann doch ein, dass er stolz, aber auch ein bisschen aufgeregt ist.
Not-OP bei Felix Rech
Festspiel-Intendant Nico Hofmann, der wie OB Michael Kissel gemeinsam mit den Ochsenknechts vorfährt, sagt bei der offiziellen Begrüßung im Park, dass das Festspielteam in diesem Jahr schon einiges Leid habe erdulden müssen. Ein Hagelsturm habe während der Proben das Bühnenbild beschädigt. „Und dann musste sich unser Dietrich-von-Bern-Darsteller Felix Rech auch noch in einer Not-OP den Blinddarm entfernen lassen.“ Die Verantwortlichen hatten deshalb buchstäblich „über Nacht“ Daniel Lommatzsch verpflichtet, der dann am Donnerstagmorgen um 10 Uhr in Worms ankam und sich quasi in 24 Stunden Text und Stoff anzueignen versuchte, wozu die Kollegen unter Anleitung von Regisseur Roger Vontobel sieben Wochen Zeit hatten.
Bei der Generalprobe am Donnerstagabend bot der „Ersatzmann“ trotz helfendem Stöpsel im Ohr eine grandiose Leistung. „Trotzdem bin ich froh, dass Felix Rech heute Abend wie geplant spielen kann“, verkündet Hofmann. „Wir hoffen natürlich alle, dass er nach der Pause noch auf der Bühne steht.“ Im Gespräch mit unserer Zeitung versichert er, dass drei Ärzte den Frischoperierten begutachtet und ihm dann den Auftritt genehmigt hätten. Er gehe, nachdem er mehrere Proben besucht habe, mit „gutem Gefühl“ in diese Premierenvorstellung. „Wir servieren heute mit diesem sehr anspruchsvollem Stück keine leichte Kost, die Zuschauer werden kauen müssen“, kündigt OB Michael Kissel an. Wie immer zeigt er sich sehr stolz über das bisher Erreichte, über das stimmige Ambiente in „Deutschlands schönstem Theaterfoyer“, bittet dann aber die Festgäste um einen Moment des Innehaltens. „Denn wir haben heute Morgen Gunter Heiland zu Grabe getragen, einen Mitgestalter und Befürworter dieser Festspiele“, wie er den langjährigen, im Alter von 80 Jahren verstorbenen Kulturdezernenten bezeichnet.
Als die Premierengäste rüber zum Domportal gebeten werden, freut sich Autor Feridun Zaimoglu ganz besonders. „Ich war vorher dreimal bei den Proben und bin heute überwältigt vor Glück, denn es geschieht sehr selten, dass unsere Sprache und Bilder in eine so wunderbare Bühnenfassung umgewandelt werden“, lobt er schon im Voraus die Arbeit von Regisseur und Ensemble.
Und dann beginnen sie mit zehnminütiger Verspätung, die alten Mæren, ganz neu weitererzählt. Hunnenkönig Etzel (Jürgen Prochnow) tritt auf die Bühne, seinen getöteten Sohn Ortlieb auf dem Arm und schreit seinen Schmerz in die schwül-heiße Wormser Theaternacht hinaus, untermalt von schaurig-archaischen Klängen.