Etzel ist der mächtigste Mann der Welt. Und doch liegt sein Sohn Ortlieb tot in seinen Armen. Was hat das Leben jetzt noch für einen Sinn? Was bleibt von ihm übrig? Woher...
WORMS. Etzel ist der mächtigste Mann der Welt. Und doch liegt sein Sohn Ortlieb tot in seinen Armen. Was hat das Leben jetzt noch für einen Sinn? Was bleibt von ihm übrig? Woher weiß er, dass seine ebenfalls tote Frau Kriemhild ihn auch geliebt hat? Dass er nicht nur Mittel zum Zweck war, der Gehilfe für Kriemhilds Rache an den Burgundern? Das neue Festspiel-Stück „Siegfrieds Erben“ setzt dort ein, wo bisher alle Bearbeitungen des Nibelungenstoffs endeten: am Tag nach dem Gemetzel an Etzels Hof.
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Die Inszenierung ist eine Uraufführung. Die Geschichte, die sich das Autorenduo Feridun Zaimoglu und Günter Senkel erdacht hat, ist weltweit also noch kein einziges Mal gezeigt worden. Das bedeutet auch, dass es im Handel kein schlaues Heftchen gibt, in dem Anmerkungen, Erläuterungen und Interpretationsansätze zur Handlung stehen. Damit die Zuschauer von „Siegfrieds Erben“ dennoch an diese herangeführt werden können, gibt es Veranstaltungen, die die Besucher in das Stück einführen. Rund 20 Minuten lang beleuchten Mitarbeiter der Nibelungen-Festspiele dann Hintergründe und Zusammenhänge von Stück und Nibelungenlied und informieren über Regisseur Roger Vontobel und sein Team. Die Einführungen finden jeden Abend vor den Vorstellungen statt. Thomas Laue, Dramaturg und Künstlerischer Leiter der Nibelungen-Festspiele, hat dem Team, das diese Einführungen übernimmt, nun eine Einführung in die Einführung gegeben. Was ist das Entscheidende am Stück? Worauf kommt es an? Im Mittelpunkt des Stücks stehen drei Gruppen: die Hunnen um König Etzel, die Burgunder um Brunhild und die Niederländer um König Siegmund, den Vater des toten Siegfried. Vor allem aber wird die nächste Generation eine große Rolle spielen. Bei den Burgundern Burkhardt, der Sohn von Brunhild, von dem man gar nicht so genau weiß, ob Siegfried oder König Gunther sein Vater ist, und bei den Niederländern Swanhild, die Tochter von Siegfried und Kriemhild. Sie ist bei Siegfrieds Eltern in Xanten aufgewachsen, nachdem sich Kriemhilds Seele immer weiter verfinstert hatte. Der Mehrwert der Einführungen, so erklärt Thomas Laue, sei ja, dass die Besucher danach mehr auf die Gespräche achteten. Und die Dialoge zwischen Burkhardt und Swanhild gehören zu den Elementen der Inszenierung, die Laue den Zuschauern besonders ans Herz legt. Kann die junge Generation den Kreislauf aus Intrige und Machtspiel unterbrechen? Gibt es einen Neuanfang? Oder gehen Intrige und Machtspiel in einer einzigen Endlosschleife weiter? Was ist vergänglich und was nicht?
Fragen über Fragen, die bei den Einführungsveranstaltungen aufgeworfen werden und die nach einer Beantwortung schreien. Spätestens dann, wenn Etzel das tote Kind in seinen Armen hält.
Von Claudia Wößner