Er hat ganz bewusst auf das Abi verzichtet, weil er keine Zeit verlieren wollte, um Schauspieler zu werden. Die Eltern waren dagegen. Trotzdem ging er als 17-Jähriger mit...
WORMS. Er hat ganz bewusst auf das Abi verzichtet, weil er keine Zeit verlieren wollte, um Schauspieler zu werden. Die Eltern waren dagegen. Trotzdem ging er als 17-Jähriger mit seiner damaligen Freundin nach Hamburg, um an der Hochschule für Musik und Theater zu studieren, musste aber – zumindest am Anfang – sein Leben selbst finanzieren.
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Deshalb hat er ein Jahr lang die Betten im Steigenbergerhotel gemacht. Heute hat es Michael Ransburg geschafft. Er ist ein viel beschäftigter Schauspieler, kann leidlich gut davon leben und freut sich riesig, dass er in diesem Jahr bei den Nibelungen-Festspielen für eine Doppelrolle engagiert wurde – er spielt den Etzel-Vertrauten Hildebrand und den Diener Brünhilds. Wir hatten Gelegenheit, den 36-Jährigen einen Tag zu begleiten – und hatten viel Spaß dabei.
Mit dem E-Bike in den Supermarkt
Donnerstag, 12.15 Uhr: Wir treffen Michael Ransburg am Bahnhof. Er kommt direkt aus Stuttgart, wo er am Vorabend im privat geführten Forum Theater solo auf der Bühne stand, im Stück „Drink.Think.Love. – Platons Gastmahl“. „Das Theater dort fasst etwa 140 Besucher. Ich habe vor etwa 40 Leuten gespielt. Es war trotzdem ein ganz toller Abend“, fängt er sofort an zu erzählen. Offen, ehrlich, ungekünstelt und völlig uneitel. Eigentlich wollten wir dann in ein Café gehen, um uns weiter zu unterhalten. Das hätte er „ohne Presse“ allerdings nicht gemacht, räumt er auf Nachfrage sofort ein, weshalb wir das vom Festspielbüro grob vorgeplante „Programm“ kurzerhand umwerfen und einschwenken in seinen „normalen“ Tagesablauf. Wir laufen also zum „Wormser“, holen dort das bereitstehende E-Bike und radeln schnurstracks zum Rewe-Markt in der Bebelstraße. Ransburg will kochen. „Das mache ich oft und gerne, ich achte sehr auf eine gesunde, ausgewogene Ernährung.“
Folglich greift der salopp mit kurzer Hose, T-Shirt und Turnschuhen gekleidete Hobby-Koch, der auf dem Rücken eine schwarze, rucksackähnliche Tasche mit seinen nötigsten Siebensachen trägt, zu Bio-Brühwürfel, Bio-Tomatenmark, Nudeln, kauft noch 500 Gramm Hackfleisch. Dann geht‘s weiter in sein kleines Zwei-Zimmer-Appartement in der Von-Steuben-Straße, das das Festspielteam für ihn angemietet hat. Ransburg hat nicht geflunkert, die in der kleinen Küche schnell gezauberte „Bolognese“ schmeckt wirklich prima. Beim Kochen, beim Essen erzählt Ransburg aus seinem jungen Künstlerleben.
Mit seinen damals mehr als besorgten Eltern ist er mittlerweile wieder absolut im Reinen. Sie hatten ihn auch schnell wieder unterstützt, als klar war, dass er die Schauspielschule packt und seinen Weg konsequent weitergeht.
Ransburgs Leben ist mit Terminen vollgepackt. Er hat heute Abend noch Probe, am nächsten Tag fährt er weiter nach Hannover, wo er in Isernhagen, einem kleinen Ort in der Nähe, einen Liederabend zusammen mit seinem Pianisten-Freund Clemens Kröger gibt. Pennen bei Kröger in dessen Hamburger Wohnung, am Morgen zurück nach Stuttgart, wieder „solo“ auf der Bühne, diesmal aber mit „Event“, einem anderen Stück. „In den letzten vier Wochen hatte ich 20 Auftritte, darunter auch drei Liederabende“, erzählt Ransburg. Stress? Ja, schon. „Aber es macht mir halt auch unglaublich viel Spaß.“ Die Entscheidung, Schauspieler zu werden, hat er nie bereut.
Seine drei Jahre jüngere Freundin Johanna ist Theaterwissenschaftlerin, sie lebt in München und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin dort an der Uni. Die beiden sehen sich „im Schnitt“ alle drei Wochen. Nicht gerade oft. „Wir haben beide keine Zeit für Sehnsucht“, lächelt er dieses Thema schnell weg. Dafür schreibe man sich häufig SMS, Kontakt über WhatsApp („nur Bilder“) oder Facebook will er nicht, weil er diese sozialen Medien im Grunde ablehnt.
Volle Präsenz ist gefragt
Finanziell kommt er gut über die Runden, er habe allerdings auch keine großen Ansprüche. Ein-Zimmer-Wohnung in Berlin, kein Auto, keine Familie, keine Kinder: „Ich brauche auch nicht viel.“ Und wenn dann ein gut bezahlter Job wie der bei den Festspielen hinzukommt, umso besser. Wobei er in Worms nicht (nur) wegen des Geldes zusagte, sondern vor allem, weil er Regisseur Roger Vontobel, mit dem er nicht nur studiert, sondern auch schon zusammengearbeitet hat wie zuletzt bei der Oper „Fidelio“, kennt und schätzt. Und dann habe ihn natürlich auch diese Riesenproduktion gereizt.
Am Nachmittag liegt er auf der Couch, schaut sich in der Mediathek eine Pressekonferenz mit Österreichs Kanzler Sebastian Kurz an, wo es um den Asylstreit geht. Auch hier drückt sich Ransburg nicht um eine klare Meinung: „Ich halte es sehr mit Frau Merkel, die versucht, eine europäische Lösung zu finden.“ Und Seehofer? Der betreibe „hochgefährlichen Fischfang“, um der AfD das Wasser abzugraben.
Am Abend geht‘s dann zur Probe an den Dom – wie immer unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Text hatte er für die anstehenden Szenen keinen zu lernen. Er bleibt stumm. Und fühlt sich trotzdem stark gefordert. „Ich muss volle Präsenz zeigen. Mein Text ist der Text der anderen.“ Wie er agieren wird, hat er sich noch nicht überlegt, vertraut auf seinen Instinkt, seine Intuition und das Wissen, dass ihm schon etwas einfallen wird, was Vontobel gefällt. Bisher, sagt Ransburg, habe das meistens geklappt. „Aber natürlich kann man auch mal daneben liegen.“