"Hate Speech": Durchsuchungen im ganzen Bundesgebiet

Polizeifahrzeuge im Einsatz. Symbolfoto: Studio v-zwoelf – stock.adobe
© Symbolfoto: Studio v-zwoelf – stock.adobe

Am Montag haben in 15 Bundesländern Razzien wegen Hasskommentaren im Netz stattgefunden. Den Verdächtigen wird vorgeworfen, den Doppelmord an zwei Polizisten glorifiziert zu haben.

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MAINZ. Am Montagmorgen wurden bundesweite Durchsuchungen durchgeführt, die sich gegen Verfasser von Hassbotschaften im Netz richten. Das hat das Landeskriminalamt (LKA) Rheinland-Pfalz mitgeteilt. Hintergrund sind Ermittlungen der Ermittlungsgruppe (EG) "Hate Speech", die nach den tödlichen Schüssen auf zwei Polizisten bei Kusel gegründet worden war. Kurz nach der Meldung über den Tod der beiden jungen Polizisten hatte sich eine Flut von Hasskommentaren insbesondere über die Sozialen Medien ergossen. Als Reaktion war die EG "Hate Speech" gegründet worden. Sie ist beim LKA Rheinland-Pfalz angesiedelt.

75 Tatverdächtige

Nachdem die Polizei wieder abgerückt ist, lädt ein Mann aus Baden-Württemberg ein Foto des Durchsuchungsbefehls auf Instagram hoch. Er schreibt darunter: „Cool, die Polizei kam hier an wegen eines Likes und hat mein Handy mitgenommen.“ Über 400 Menschen gefällt dieser Beitrag. Der Mann aus Baden-Württemberg ist einer von 75 Tatverdächtigen, bei denen am Montag im Zuge einer bundesweiten Razzia Hausdurchsuchungen stattgefunden haben. Der Verdacht: Sie alle sollen menschenverachtende Hasskommentare ins Internet gestellt oder mit Likes befürwortet haben – nach dem brutalen Doppelmord an zwei Polizisten Anfang des Jahres im rheinland-pfälzischen Kusel.

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Es war unmittelbar nach der Tat, als die düstersten Ecken des Netzes anfingen zu wüten. Hass, Hohn, Jubel – in kürzester Zeit tauchten in den sozialen Medien etliche Kommentare auf, die den Tod der beiden Polizisten offen beklatschten. Ein, wie der rheinland-pfälzische Innenminister, Roger Lewentz (SPD), es bezeichnete, „widerwärtiges“ Verhalten. Das rheinland-pfälzische Landeskriminalamt (LKA) richtete daraufhin als Antwort auf die Hetze die Ermittlungsgruppe „Hate Speech“ ein. Ihr Ziel ist es, wie Lewentz bei einer Pressekonferenz am Montag weiter mitteilte, der „Menschenverachtung im Netz“ mit staatlichen Mitteln entgegenzutreten. Die Razzia in 15 Bundesländern ist nun der erste große Schlag gegen den ungezügelten Hass im Netz.

Bei den 75 Hausdurchsuchungen stellten die Beamten am Montag 180 Datenträger wie Smartphones und Laptops sicher. Hinzu kamen in zehn Fällen Drogenfunde. In neun Häusern wurden zudem Waffen entdeckt. Achim Füssel, Vizepräsident des LKA, sagte: „In Bremen wurden bei einem Verdächtigen etwa eine Maschinenpistole des Typs Uzi gefunden.“ Der Verdächtige werde zur Reichsbürgerszene gezählt.

Suche nach Hetzern bleibt Aufgabe

Elf der 75 Hausdurchsuchungen fanden allein in Rheinland-Pfalz statt. Drei davon im Raum Mainz. Bei den Verdächtigen handelt es sich um zehn Männer und eine Frau im Alter zwischen 22 und 61 Jahren, denen 19 Hasskommentare zugeordnet wurden. Zehn der rheinland-pfälzischen Verdächtigen sind Deutsche. Innenminister Lewentz sagte: „Diese Hausdurchsuchungen heute werden nicht die Letzten gewesen sein.“ Vielmehr soll der Aktionstag ein Signal nach draußen sein, „wer im Netz hetzt, der muss künftig mit einem Besuch der Polizei rechnen“.

Die Suche nach den Hetzern geht also weiter. Denn: Bislang sollen nur 50 Prozent der Verfasser von Hassbotschaften im Netz im Zusammenhang mit den Polizistenmorden identifiziert worden sein. Gut die Hälfte der als strafrechtlich relevant eingestuften Kommentare haben die Ermittler hierbei auf Facebook entdeckt. Je nach Schwere des Vergehens droht den Verfassern der Nachrichten eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe.

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Die Hausdurchsuchungen fanden am Montag in allen deutschen Bundesländern statt – außer in Sachsen-Anhalt. Jürgen Brauer, Leiter der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz, teilte dazu mit: „In Sachsen-Anhalt sollen aber in diesem Zusammenhang drei Vernehmungen von Verdächtigen durchgeführt werden.“

Die meisten Tatverdächtigen sind männlich

Bei den Beschuldigten aus Hessen handelt es sich um Männer im Alter zwischen 19 und 68 Jahren aus Frankfurt, dem Landkreis Fulda, dem Landkreis Hersfeld-Rotenburg, dem Landkreis Limburg-Weilburg und dem Wetteraukreis. Ihnen wird die Störung des öffentlichen Friedens durch Billigen von Straftaten, das Verunglimpfen des Andenkens Verstorbener sowie Beleidigung vorgeworfen.

"Wir sind seit Februar, um Mehrfachmeldungen bereits bereinigt, bislang rund 1700 Meldungen und Beiträgen nachgegangen. Mit den heute um 6 Uhr begonnenen Maßnahmen haben wir nun erstmals gemeinsam mit allen Bundesländern das Ziel verfolgt, bei den Tatverdächtigen weitere für die Strafverfolgung dienliche Beweise zu sichern. Bei den Durchsuchungen wurden hauptsächlich Datenträger wie Smartphones, Laptops oder Festplatten sichergestellt", erklärt LKA-Vizepräsident Achim Füssel. Etwa 90 Prozent der Tatverdächtigen sind männlich, die meisten zwischen 21 und 40 Jahren alt.

Am Dienstag, 21. Juni, beginnt vor dem Landgericht in Kaiserslautern der Prozess gegen den mutmaßlichen Mörder an den beiden Polizisten. Angeklagt ist ein 39-jähriger Saarländer, der von den beiden Beamten beim Wildern im Wald erwischt wurde. Um seine Tat zu vertuschen, soll der Angeklagte das Feuer eröffnet haben. Für den Prozess sind aktuell 14 Verhandlungstage angesetzt.