In Altenahr sind 80 Prozent aller Häuser schwer getroffen. Das Luftbild vom Ortsteil Altenburg hat traurige Berühmtheit erlangt. Warum die Menschen an der Ahr trotzdem hoffen.
ALTENAHR. Die immer noch anhaltende Spendenbereitschaft der VRM-Leser für die Opfer der Flutkatastrophe in Ahrbrück und Hönningen geht weit über die Erwartungen hinaus. Die beiden schwer getroffenen Gemeinden und die vier Hilfsaktionen der Zeitungen haben deshalb entschieden, das benachbarte Altenahr in die Spendenaktion einzubeziehen.
Altenahr hat bei der Flutkatastrophe vom 14. auf den 15. Juli durch die Überflutung des Ortsteils Altenburg traurige Berühmtheit erlangt. Bis auf ein Dutzend Häuser auf der Halbhöhe ist die komplette Ortschaft überflutet worden (siehe unser Luftbild). Normalerweise läuft die lauschige Ahr um die Martinus-Kapelle herum (Bildmitte).
80 Senioren zwei Tage lang eingeschlossen
Im Seniorenheim des Ortes (das große Gebäude am rechten Bildrand) waren nach der Flutkatastrophe zwei Tage lang 80 Senioren eingeschlossen – zum Glück ohne Todesfälle. Dafür sind in Altenahr mit seinen Ortsteilen Altenburg, Kreuzberg und Reimerzhoven an anderen Stellen neun Menschen ums Leben gekommen.
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Das Schadensbild in diesen Ortsteilen ist noch verheerender als in Ahrbrück und Hönningen. Altenburg hat insgesamt rund 2000 Einwohner. Etwa 80 Prozent aller Häuser in den vier Gemeindeteilen sind schwer getroffen. 40 Häuser wurden schon abgerissen, weitere werden unweigerlich folgen.
520 betroffene Haushalte, 480 davon schwerst getroffen
Die Initiative für die Erweiterung des Spendenziels der VRM-Aktion ging von den Gemeindebürgermeistern von Ahrbrück und Hönningen aus. Entsprechend begeistert zeigt sich der Altenahrer Ortsbürgermeister Rüdiger Fuhrmann bei einem Treffen im inzwischen weitgehend entvölkerten Altenburg. „Wir haben 520 betroffene Haushalte, wovon 480 schwerst getroffen sind“, berichtet der 50-jährige, der im Zivilberuf Disponent bei der Bahn ist. Dass Ahrbrück und Hönningen selbst den Anstoß gaben, Altenahr in die Spendenaktion einzubeziehen, findet Fuhrmann „sensationell“.
Alles zum Thema Hochwasser finden Sie in unserem Dossier: Hochwasser 2021
„Es ist schon Wahnsinn, was wir an Solidarität erleben“, schildert Fuhrmann auch mit Blick auf die unzähligen freiwilligen Helfer, die wochenlang in die Orte geströmt sind, um jedes einzelne Haus, das noch betreten werden durfte, auszuräumen und vom Schlamm zu befreien. Dass die Flutopfer in Altenahr jetzt auch noch von der Spendenbereitschaft der VRM-Leser profitieren werden, sei ein weiteres „Zeichen der Hoffnung in einer fast ausweglosen Situation“.
Begeistert von der Spendenbereitschaft der VRM-Leser zeigte sich auch die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer: „Die überwältigende Resonanz auf die Spendenaktion der VRM verdeutlicht, dass Regional- und Lokalzeitungen nicht nur identitätsstiftend, sondern auch solidaritätsstiftend wirken.“ Die Reportagen über das furchtbare Leid und die ungeheuren Schäden, habe eine Welle der Hilfsbereitschaft ausgelöst: „Ich danke den Leserinnen und Lesern der VRM-Zeitungen für diese starke Geste des Zusammenhalts."
Bürgermeister Fuhrmann macht deutlich, dass kaum einer der überfluteten Orte an der Ahr so von einer unfreiwilligen Entvölkerung bedroht ist wie Altenahr und seine Ortsteile: „Die meisten haben inzwischen realisiert, dass unsere Häuser gewiss noch nicht für den kommenden Winter bewohnbar gemacht werden können.“ So sei schon mehr als die Hälfte der Bewohner in benachbarten oder weiter entfernten Eifelorten in Ferien- oder Mietwohnungen untergekommen.
"Trotzige Aufbruchstimmung" bei der Bürgerversammlung
Trotzdem habe bei der Bürgerversammlung am Vorabend eine trotzige Aufbruchstimmung geherrscht. „Aber natürlich gibt es auch Bewohner, die nach dieser Katastrophe sagen: ,Ich kann hier nicht mehr leben‘.“ Das wichtigste für die Menschen an der Ahr sei jetzt, dass so schnell wie möglich Klarheit geschaffen werde, wo in Zukunft wiederaufgebaut werden könne und wo nicht.
Niemand gebe sich der Illusion hin, dass die weggerissenen Häuser wieder aufgebaut werden könnten. An Altenburg werde aber genauso klar wie an der Innenstadt und dem zerstörten Kurviertel von Bad Neuenahr, dass die Tabuzonen nicht an der Frontlinie dieses Jahrtausendhochwassers verlaufen könne, sagt Fuhrmann: „Dann gibt‘s hier nichts mehr.“
Das Land müsse zudem ermöglichen, dass die Gemeinden so schnell wie nur möglich neue Baugebiete in sicherer Halbhöhenlage ausweisen könnten: „Wenn das die üblichen zehn Jahre dauern würde, dann lebt hier an der Ahr niemand mehr“.