Smartphone und Tablet im Kinderzimmer

Zwei von drei Erwachsenen in Deutschland finden, dass Kinder und Jugendliche in ihrem Umfeld zu viel Zeit mit dem Handy verbringen. Foto: Henning Kaiser/dpa
Die Türklingel ertönt im spannendsten Augenblick. Noch wenige Meter, ein gezielter Schuss auf den Gegner – und das nächste Level im Computerspiel wäre Lukas sicher gewesen. Doch jetzt steht die Freundin vor der Tür und will wissen, wie es ihm geht. „Du hockst seit Tagen nur noch in deinem Zimmer“, sagt sie. Doch Lukas will keine Vorwürfe hören. Er will nur eines: weiterspielen.
„Game over“ lautet der Titel des Kurtfilms, den die Schüler eines Gymnasiums für die Suchtmediziner der Universitätsklinik Tübingen erstellt haben, gefördert unter anderem von Geldern des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG). Er kanm auf der Webseite der Uniklinik www.erstehilfe-internetsucht.de angesehen werden. Der Film soll Teenager zum Nachdenken animieren, was passieren kann, wenn man sich mehr und mehr in der digitalen Welt verliert, so der stellvertretende Direktor der Sektion Psychiatrie und Psychologie der Uniklinik Anil Batra.
Die Sorge ist nicht neu: Schon seit Jahren warnen Psychologen, Psychiater und Kinderärzte vor den gesundheitlichen Gefahren, die von Smartphone, Laptops und Tablets ausgehen sollen. Dem gegenüber stehen Medienpädagogen, Bildungspolitiker und IT-Konzerne, die mehr digitale Medien im Unterricht fordern. Kein Wunder, dass Eltern verunsichert sind und sich fragen, wie digital der Alltag sein darf, sagt Batra – und wann ein Kind dabei Schaden nimmt.
DARAUF SOLLTEN ELTERN ACHTEN
Folgende Empfehlungen für Eltern hat der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte zusammen mit dem Bundesgesundheitsministerium, Krankenkassen und weiteren medizinischen Verbänden formuliert:
Vorbild sein: Eltern sind Vorbild für ihre Kinder. Daher sollten sie selbst Smartphones und Co nicht aus Langeweile nutzen: „Essen Sie ohne Bildschirmmedien und nutzen Sie Bildschirmmedien, ohne zu essen“, lautet ein Rat. Ebenso gilt: Fernsehen oder Surfen ist vor dem Schlafengehen und im Schlafzimmer tabu.
Kein Erziehungshelfer: Bildschirmmedien sollten nicht zur Belohnung, Bestrafung oder Beruhigung eingesetzt werden.
Aufmerksam sein: Wenn Eltern mit ihren Kindern sprechen, sollten sie auch aufmerksam zuhören. Wichtig ist, dass das Kind mehr Zeit in Bewegung verbringt, als vor dem Bildschirm zu sitzen.
Klare Regeln: Die Nutzung von Smartphone, Tablet und Computer sollte zeitlich begrenzt sein. Wichtig ist, die Altersbeschränkungen für Computerspiele, Filme und soziale Medien einzuhalten.
Aufklärung: Eltern sollten mit dem Kind über Datenschutz, soziale Medien, Gewalt, Pornografie, Glücksspiel sprechen – und zwar, bevor es einen Internetzugang erhält. „Lassen Sie sich auch von Ihrem Kind zeigen und erklären, was es im Internet interessiert“, lautet ein weiterer Rat der Experten an die Eltern.
Vorbild sein: Eltern sind Vorbild für ihre Kinder. Daher sollten sie selbst Smartphones und Co nicht aus Langeweile nutzen: „Essen Sie ohne Bildschirmmedien und nutzen Sie Bildschirmmedien, ohne zu essen“, lautet ein Rat. Ebenso gilt: Fernsehen oder Surfen ist vor dem Schlafengehen und im Schlafzimmer tabu.
Kein Erziehungshelfer: Bildschirmmedien sollten nicht zur Belohnung, Bestrafung oder Beruhigung eingesetzt werden.
Aufmerksam sein: Wenn Eltern mit ihren Kindern sprechen, sollten sie auch aufmerksam zuhören. Wichtig ist, dass das Kind mehr Zeit in Bewegung verbringt, als vor dem Bildschirm zu sitzen.
Klare Regeln: Die Nutzung von Smartphone, Tablet und Computer sollte zeitlich begrenzt sein. Wichtig ist, die Altersbeschränkungen für Computerspiele, Filme und soziale Medien einzuhalten.
Aufklärung: Eltern sollten mit dem Kind über Datenschutz, soziale Medien, Gewalt, Pornografie, Glücksspiel sprechen – und zwar, bevor es einen Internetzugang erhält. „Lassen Sie sich auch von Ihrem Kind zeigen und erklären, was es im Internet interessiert“, lautet ein weiterer Rat der Experten an die Eltern.
Suchtforscher kämpfen mit dem Henne-Ei-Problem
Doch die Grenze ist nicht leicht zu ziehen, denn die wissenschaftliche Datenlage ist dünn, Langzeitbeobachtungen gibt es noch nicht. Aber es gibt seitens der Ärzteschaft alarmierende Hinweise: So hat der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte eine Studie mit 6 000 Kindern aus fast 80 deutschen Arztpraxen veröffentlicht, nach der bei 30 Prozent der Vorschulkinder, die länger als eine halbe Stunde pro Tag am Handy oder Computer spielen, Sprachprobleme auftreten. Das sei ein doppelt so hoher Anteil wie bei Kindern mit geringerem Medienkonsum.
Ähnliches zeigt die Blikk-Studie der Bundesdrogenbeauftragten Marlene Mortler: Demnach leide unter hohem Medienkonsum die Lesefähigkeit und die Konzentration. Zudem wären Kinder, die viel Zeit vor Bildschirmen verbringen, übergewichtiger.
Aber auch bei diesen Erkenntnissen bleiben Fragen offen, denen Suchtmediziner wie Rainer Thomasius, Leiter des Deutschen Zentrums für Suchtfragen am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) nachgehen. Zusammen mit einer Krankenkasse hat Thomasius die Social-Media-Abhängigkeit von rund 1000 Jugendlichen untersucht. Das Ergebnis: 2,6 Prozent der Teilnehmer erfüllten die Voraussetzungen einer potenziellen Suchtkrankheit.
Hochgerechnet auf die in Deutschland lebenden Jugendlichen sind das Hunderttausend möglicher Betroffener, die zudem Anzeichen von Depressivität oder kognitive Defizite aufzeigen – wie eine Lernschwäche.
Trotzdem wissen Thomasius und sein Team aber nicht, welcher Faktor genau hierfür die Ursache sein könnte: So könne es durchaus sein, dass sich depressive Jugendliche oder solche mit ADHS häufiger in die virtuelle Welt zurückziehen und deshalb ein Suchtverhalten entwickeln. „Wir wissen noch sehr wenig“, sagt Thomasius. Aber er könne aus Erfahrung sprechen: „Wir sehen in unseren Kliniken mehr und mehr Jugendliche, die Probleme haben, freiwillig mal auf Smartphone oder Computer zu verzichten.“ Das könne man nicht ignorieren. „Dagegen muss man etwas tun“, sagt der Hamburger Suchtmediziner. Und zwar so früh wie möglich. Mehr Erkenntnisse über die Risiken und Ausprägungen dieser Suchtform erhoffen sich Experten davon, dass seit Juni 2018 der Katalog der psychischen Krankheiten auch die Sucht nach Online-Videospielen umfasst.
Online-Spielsucht ist nun behandelbar
„Zuvor konnten wir nur die Auswirkungen dieser Sucht behandeln wie beispielsweise die Depression“, sagt Christoph Möller. Der Psychiater und Psychotherapeut ist Chefarzt im Kinder- und Jugendkrankenhaus Auf der Bult in Hannover und betreut dort unter anderem Teenager, die ihr Smartphone oder die Computertastatur nicht aus der Hand geben wollen. Die Therapie dauert oft mehrere Monate. Zeit, in der die Betroffenen erst wieder Gefallen an der realen Welt finden müssen – mit viel Zeit in der Natur und beim Sport.
„Viele Erwachsene verstehen gar nicht wirklich, was in der digitalen Welt vor sich geht“, sagt Möller. Er fordert mehr Aufklärung für Eltern und Pädagogen. Die heutigen Kinder und Jugendlichen sind mit dem Internet groß geworden und kennen ein Leben ohne das gar nicht. „Das allein birgt schon ein Suchtpotenzial.“ Daher lautet sein erster Rat, wenn es darum geht: „Je später umso besser: Im Grundschulalter brauchen Kinder kein Smartphone oder Tablet.“
Auch später gilt: Sofern im Unterricht Technologie so spezifisch wie möglich eingesetzt wird und nicht der Unterhaltung dient, sei dagegen nichts einzuwenden, sagt Möller. „Wichtiger ist es, den Kindern einen verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Medien beizubringen.“ Dabei sind die Eltern gefragt: Sie sollten sich dafür interessieren, was das Kind im Netz macht, und auf bildschirmfreie Zeiten achten. „Das Wirksamste, was man virtuellen Welten entgegensetzen kann, sind soziale Kontakte“, so Möller. Und zwar im realen Leben.