Tageslicht reguliert unsere innere Uhr und aktiviert das Immunsystem. Im Winter ersetzen spezielle Lampen und Wecker die Sonnenstrahlen.
. Licht! Wärme! Entspannung! Auf alles, womit der Sommer Herz, Seele und Haut erfreut, müssen wir in der kalten Jahreszeit verzichten. Vor allem im hohen Norden wird die wohltuende Wirkung der Sonne schmerzlich vermisst, dort, wo die Menschen im Winter mit drei bis vier Stunden Helligkeit am Tag auskommen müssen. Dabei ist Licht wichtig für die innere Uhr, es reguliert den Wach- und Schlaf-Zyklus und aktiviert das Immunsystem.
Rund zwei Millionen Schweden mit Winterblues
Unter der relativ milden Form der saisonalen Depression, die salopp als Winterblues bezeichnet wird und verstärkt im hohen Norden auftritt, leiden schätzungsweise rund zwei Millionen Schweden. Doch pfiffige Stockholmer holen sich die fehlende Portion Helligkeit einfach vor Arbeitsbeginn oder auf dem Nachhauseweg in einem Licht-Café ab. Dort streifen sie weiße Kittel über und setzten sich vor weißen Wänden einer indirekten Beleuchtung aus. Weitere Licht-Cafés florieren in Malmö, Göteborg und Lulea.
In Schweden werden Haltestellen angestrahlt
In Nordschweden werden Bushaltestellen mit Tageslichtlampen angestrahlt, und im finnischen Tampere ist die Innenstadt während eines drei Monate dauernden Lichterfestes knallbunt beleuchtet - lauter Energiekicks für antriebslose, dauermüde Skandinavier. Denn bei Dunkelheit produziert der Körper das Schlafhormon Melatonin, und in bestimmten Hirnregionen sinkt dann der Spiegel des Wohlfühlhormons Serotonin, weil Melatonin ein Abbauprodukt des Serotonins ist. Dagegen bremst das über das Auge aufgenommene Licht bestimmter Frequenzen die Melatoninproduktion und hebt somit den Serotoninspiegel und damit die Stimmung wieder an.
In der sonnenarmen Jahreszeit sollen Solarien in kommerziell betriebenen Sonnenstudios sowie Tageslichtlampen und Lichtduschen für die eigenen vier Wände einen Ausgleich für fehlende natürliche Beleuchtung schaffen. Sie wirken über die Haut und über die Augen. Die Sonnenstudios behaupten, dass sich "Kreislauf und Nervensystem über die zusätzliche Sonne" freuen. Auf der Sonnenbank würden das Serotonin aktiviert und die Knochen (dank Vitamin D) gestärkt. Außerdem schütze das Vorbräunen auf der Sonnenbank vor Sonnenbrand beim bevorstehenden Skiurlaub.
Was hält ein Dermatologe von solchen Versprechungen? Privatdozent Dr. Maurizio Podda, Chefarzt der Hautklinik des Klinikums Darmstadt, ist kein Freund von Solarien und erklärt dies mit ihrer Wirkungsweise. Die Bestrahlungsgeräte geben nicht sichtbares ultraviolettes Licht - UV-A (inzwischen aber nicht mehr UV-B) - ab, das auch im Sonnenlicht enthalten ist. UV-A bräune zwar die Haut, sei aber auch für die Hautalterung verantwortlich. UV-B dagegen verdickt die oberste Hautschicht, ruft in größeren Mengen Sonnenbrand hervor und kurbelt die Vitamin-D-Synthese an. Eine starke UV-A-Belastung kann schwarzen Hautkrebs verursachen. Diese bösartige, tückische Hautkrebsform entsteht manchmal sogar an Körperstellen, die dem Sonnenlicht nicht oder nur wenig ausgesetzt waren. Übermäßiges UV-B fördert den hellen Hautkrebs. Er wächst langsam - und ist meist gut behandelbar. Aufgrund der im Lauf des Lebens erworbenen UV-Dosis steigt das Hautkrebs-Erkrankungsrisiko mit zunehmendem Alter.
Braun sein heißt noch lange nicht gesund sein
Zwar wird UV-Licht auch in der Therapie bei Hautkrankheiten in der Darmstädter Hautklinik genutzt, allerdings kontrolliert - und nie bei Kindern, deren Haut noch dünn ist und nur einen geringen Eigenschutz hat. Auch im Sommer seien bei Kindern Sonnenbrände "absolut zu vermeiden", warnt Podda. Leider erlebe er oft im Urlaub, dass Eltern sie ohne Hütchen und Sonnenschutz am Strand spielen lassen.
Podda zieht das Fazit: "Wir können Solarien nicht empfehlen." Braun sein heißt noch lange nicht gesund sein. Wer auf die vermeintlich wohltuende Wirkung der Sonnenbank absolut nicht verzichten könne, sollte sie wenigstens in großen Zeitabständen aufsuchen. Tatsächlich wurden kürzlich bei Stichproben in Sonnenstudios erhebliche Mängel festgestellt - vor allem bei der Beratung, die wegen der unterschiedlichen Hauttypen wichtig ist. Von rund 5.600 Solarien in Deutschland haben sich nach Mitteilung des Bundesamtes für Strahlenschutz nur 800 überhaupt zertifizieren lassen. Das Gütesiegel soll sicherstellen, dass die Kunden über Gesundheitsrisiken aufgeklärt werden.
Ob die UV-Bestrahlungsgeräte tatsächlich die Vitamin-D-Produktion ankurbeln, wie manche Sonnenstudios behaupten, darf bezweifelt werden. 80 bis 90 Prozent des benötigten knochenbildenden und muskelstärkenden Vitamins D produziert der Körper im Sommer durch eine endogene Synthese - der Rest kommt über die Nahrung zusammen. Vitamin D, die Vorstufe für hormonartige Wirkstoffe, wird im Fettgewebe gespeichert und im Winter langsam verbraucht. "Ich glaube, dass wir durch Sport, Spazierengehen und Wandern auch im Winter genug für den Vitamin-D-Haushalt tun können", sagt Podda.
Anders als Solarien funktionieren Tageslichtlampen, die in ihrer spektralen Zusammensetzung dem natürlichen Sonnenlicht zum Teil entsprechen, ohne UV-Strahlung. Für Menschen mit einer typischen Winterdepression sei ein positiver Effekt dieser Lampen überzeugend nachgewiesen, erklärt Professor Dr. med. Dr. phil. Martin Hambrecht, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am Elisabethenstift Darmstadt. Bei nicht-saisonaler Depression sei der Effekt dagegen schwach und unsicher - was aber Versuche nicht ausschließe.
Lichtwecker im Schlafzimmer können helfen
Die Lichtstärke einer Vollspektrum-Lampe sollte mindestens 2.500 Lux betragen, erklärt Hambrecht. Zum Vergleich: Bei bewölktem Himmel werden im Außenbereich 700 bis 4.000 Lux gemessen, an strahlenden Sonnentagen 100.000 Lux. Ein normal ausgeleuchteter Raum hat etwa 500 bis 600 Lux. Das Licht der Lampe müsse auf die Netzhaut fallen, jedoch sei es nicht nötig, direkt hineinzusehen. Empfohlen wird, dass sich die Nutzer möglichst am Morgen etwa 30 Minuten lang vor die künstliche Haussonne setzen und diese Zeit mit Frühstücken, Radiohören oder Zeitungslesen verbinden. Ist die Diagnose "Winterdepression" gesichert, spricht nichts gegen die Anschaffung einer Tageslichtlampe, die zwischen 100 und 200 Euro kostet.
Stimmungsaufhellend sollen Lichtwecker im Schlafzimmer wirken. Innerhalb einer halben Stunde können sie morgens einen Sonnenaufgang und abends einen Sonnenuntergang in allen Farbschattierungen simulieren und dies noch mit Vogelgezwitscher oder Klaviermusik untermalen. "Echte Depressionen wird man damit nicht heilen können", schränkt Professor Hambrecht ein.
Aber wer einigermaßen gesund sei, werde sich damit wohler fühlen - wenn er daran glaube. Zumindest geht die künstliche Sonne auf dem Nachttisch jeden Morgen zuverlässig auf - im Gegensatz zur echten, die sich im Winter rar macht.