CDU-Vize Julia Klöckner im Interview: "Union nicht...

Julia Klöckner tritt als Nachfolgerin ihrer Nachfolgerin Antje Lezius im Wahlkreis Bad Kreuznach an. Foto: Harald Kaster

Die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende und rheinland-pfälzische Parteichefin Julia Klöcker sieht nach dem Asylkompromiss das Verhältnis der beiden Unionsparteien nicht...

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BERLIN. Frau Klöckner, Sie waren dabei: Wie knapp war‘s denn in der Nacht zum Dienstag? So dramatisch war’s gar nicht, es war am Abend, Nacht wurde es nicht. Unser Gespräch war konstruktiv, immer von dem Willen getragen, in der Sache eine Einigung zu erzielen – und zwei Dinge unter einen Hut zu bringen: Es gibt Asylwanderung in Europa, Flüchtlinge, die in unterschiedlichen Ländern Asylanträge stellen und nicht im Registrierungsland bleiben. Das hat massive Auswirkungen auf Deutschland. Wenn wir das einfach zuließen, würde sich Europa selbst lähmen. Und zweitens ist es aber wichtig, nicht unabgestimmte, nationale Alleingänge zu machen gegen die europäische Idee.

Konstruktiv? Es gab doch unmittelbar vor dem Gespräch die Interviewaussage Seehofers, er lasse sich nicht von einer Kanzlerin entlassen, die nur wegen ihm Kanzlerin sei. Das ist doch eine verbale Blutgrätsche. Ich war jedenfalls bei der Aussage nicht dabei und kann es nicht bestätigen. Aber: Wer professionell arbeitet, konzentriert sich auf die Sache und sucht nach Lösungen. Ich habe die Diskussion und Entscheidung am Montagabend als kollegial empfunden.

Und die Kanzlerin? Hat sie denn jetzt nicht massiv an Ansehen verloren? Riskiert sie nicht, von der CSU bei nächster Gelegenheit wieder in die Ecke gedrängt zu werden? Angela Merkel und Horst Seehofer haben sich bei der Lösungsfindung sinnvoll ergänzt. Als Kanzlerin oder Minister hat man einen Eid geleistet, seinem Land zu dienen. Da geht es nicht um persönliche Befindlichkeiten, sondern um richtige Entscheidungen fürs Gemeinwohl.

Nicht doch ein Stück bayerischer CSU-Egotrip? Das ist so schnell dahin gesagt, man sollte sich immer auch die Mühe machen, die Argumente des Gegenübers anzuhören. Bayern hat mit seiner Grenze und der Flüchtlingsbewegung ganz andere Herausforderungen als andere Bundesländer. Hier eine Antwort zu finden, treibt die CSU an. Das darf natürlich nicht so weit gehen, dass man die Grundidee der europäischen Gemeinsamkeit aufgibt. Aber ich spreche keinem ernst zu nehmenden Politiker das Motiv ab, dass er aus innerer Besorgnis handelt, weder den Kollegen der CSU noch der SPD. CDU und CSU haben über Sachthemen schon immer hart gerungen. Aber das Wichtigste ist, sinnvolle Lösungen zu finden. Und das haben wir. Wie schon Helmut Kohl sagte: Entscheidend ist, was hinten rauskommt.

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Ist die Lösung nicht ein fauler Kompromiss? Sie ist die richtige Antwort: Deutschland ist handlungsfähig, wir können diejenigen, die bereits in einem anderen Land registriert sind, nicht ins Land lassen, aber müssen natürlich anständig und ordentlich mit ihnen umgehen. Dazu dienen die Transitzentren. Darüber wird ein Nichteinreiseberechtigter in das Land zurückgeführt, in dem er schon registriert ist. Das ist faktisch eine Nicht-Einreise nach Deutschland, sodass kein paralleles Asylverfahren bei uns stattfindet. Deutschland ist das beliebteste Zielland, das überfordert auf Dauer die Bevölkerung. Es gibt ja die klare Regel, dass der, der schon registriert ist, in dem Land auch bleibt. Aber es ist auch wichtig, diese Maßnahmen mit anderen betroffenen Mitgliedstaaten abzustimmen. Denn die Addition der nationalen Einzelmaßnahmen ergibt als Summe nicht die Idee Europas.

Es braucht jedenfalls Vereinbarungen mit den Ländern, in die zurückgeführt werden soll. Beispiel Italien. Die sind nicht begeistert. Wir reden miteinander. Unsere Bundeskanzlerin hat am Wochenende in Brüssel Vieles und Enormes in diese Richtung erreicht und Vorarbeiten auch für die Gespräche mit Italien geleistet. Die Brüsseler Ergebnisse sind mehr, als die meisten zu hoffen wagten. Natürlich wird sich Italien auch Unterstützung wünschen, darüber sprechen wir.

Wenn ein Land Flüchtlinge nicht zurücknehmen will, bleibt erst mal nur Österreich, wenn man an der deutschen Grenze zurückweisen will. Macht der Herr Kurz da mit? Der österreichische Bundeskanzler, der seit Juli die EU-Ratspräsidentschaft innehat, hat selbst ein Interesse, dass in die Asylwanderung Ordnung kommt. Wir werden nichts Unvereinbartes unternehmen, sondern gemeinsam mit unseren Nachbarn handeln. Das ist der europäische Gedanke: Wenn neue Herausforderungen kommen, darf niemand eine nationale Lösung durchziehen ohne Rücksicht darauf, wie es den anderen dabei geht. Diesen Geist dürfen wir nicht aufgeben.

Für Ihren Koalitionspartner SPD waren Transitzentren noch vor wenigen Monaten Teufelszeug. Stimmt die SPD zu, aber nur, um Neuwahlen zu vermeiden? Auf dem Tisch liegt ein kluger, sehr guter Vorschlag. Wer den ablehnt, muss einen besseren präsentieren. Ich erlebe die Kolleginnen und Kollegen von der SPD im Bundeskabinett als interessiert und regierungswillig. Im Übrigen bekommen SPD-Politiker in Bayern Probleme und die Stimmung in der Bevölkerung hautnah mit. Wer nicht steuern will, der setzt auf Dauer die Akzeptanz für diejenigen aufs Spiel, die unsere Hilfe brauchen.