Gastkommentar von Nico Lumma: 9-Euro-Ticket ist ein Anfang

aus Gastkommentator Nico Lumma

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Nico Lumma. Foto: next media accelerator/nma.vc
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Deutschland braucht die radikale Verkehrswende. Dabei gilt: Gefragt sind große Lösungen, die dem Klima helfen.

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. Im norwegischen Tromsø, nördlich des Polarkreises, wurde im Juni mit 29,9 Grad Celsius ein neuer Temperaturrekord verzeichnet. Eigentlich müsste mittlerweile allen halbwegs rational denkenden und handelnden Menschen klar sein, dass wir nun wirklich keine Zeit mehr zu verlieren haben und dringend den menschengemachten Klimawandel aufhalten müssen. Das Wort dringend bedeutet dabei vor allem, dass schnell sehr große Lösungen gefunden werden müssen, damit diese ihre Kraft voll entfalten können.

Um es ganz klar zu sagen: Der Verbrennungsmotor gehört nicht zu dieser großen Lösung. Die FDP sorgt mit ihrem Beharren auf Technologieoffenheit für eine Verlangsamung der notwendigen Entwicklung und führt die Debatte in die falsche Richtung. Denn e-Fuels sind ineffizient und werden auch langfristig nur ein paar Prozentpunkte zur CO2-Reduktion beitragen können, während der Elektromotor bei dem in wenigen Jahren zu erwartenden Energiemix (mit einem sehr starken Anteil an erneuerbaren Energien) mehr als 70 Prozent an Einsparungen bringen wird. Anstatt alles dafür zu tun, diesen Punkt möglichst schnell zu erreichen, will die FDP eine Debatte führen, die lediglich für Sportwagenfahrer relevant ist, nicht aber für die allergrößte Mehrheit der Menschen.

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Dem Elektromotor gehört die Zukunft

Wir brauchen eine radikale Zeitenwende im Verkehr und das wird der Markt schneller regeln, als es der FDP lieb ist. Dem Elektromotor gehört die Zukunft, und Bund und Länder müssen nun dafür sorgen, dass sich möglichst schnell alle Eigenheimbesitzer eine Solaranlage aufs Dach bauen lassen. So bekommen sie tagsüber genügend Sonnenenergie, die in Batterien gespeichert werden kann und mit der dann in der Nacht über Wallboxen die E-Autos aufgeladen werden können. Das wird sehr schnell für eine Veränderung im Markt sorgen, denn die Hersteller setzen mittlerweile auf den Elektromotor und verzeichnen schon jetzt stetig steigende Zulassungszahlen. Zu der Zeitenwende im Verkehr gehört aber auch, dass wir den ÖPNV stärken und die Idee des 9-Euro-Tickets konsequent weiterentwickeln. Denn Busse und Bahnen müssen nicht nur günstige Verkehrsmittel sein. Vielmehr braucht es auch flexible Lösungen für den ländlichen Raum, wo die bisherigen Taktzeiten die breite Nutzung verhindern.

Der Run auf das 9-Euro-Ticket zeigt, dass die Menschen großes Interesse an Bus und Bahn haben und diese gerne nutzen wollen, also muss hier jetzt konsequent investiert werden, um die Angebote flächendeckend zu verbessern. Wir müssen darüber hinaus natürlich den innerdeutschen Flugverkehr stark zurückdrängen, und das geht nur mit einer attraktiven und pünktlichen Bahn.

Dieser Irrsinn, dass man die Bahn kaputt gespart hat, um das Unternehmen an die Börse zu bringen, hat vor allem dazu geführt, dass wir jetzt ein eher unattraktives Verkehrsmittel haben, von dem viele Fahrgäste genervt sind und die dann doch lieber auf das Auto ausweichen.

Zur Zeitenwende gehört auch das Fahrrad

Natürlich gehört zur Zeitenwende im Verkehr aber auch das Fahrrad. In allen Städten müssen Fahrradschnellstraßen und breite Fahrradspuren geschaffen werden. Das muss zulasten des Autos gehen. Das sorgt für Widerstand, aber ich bin unverbesserlich und glaube an die Vernunft der Menschen. Ohne Veränderungen in unseren täglichen Routinen werden wir den Klimawandel nicht bekämpfen können. Und dazu gehört eben auch ein Umdenken im Verkehr.

Wenn in Deutschland notwendige Veränderungen im Verkehr gefordert werden, löst das bei vielen Menschen immer noch irrationale Reflexe aus. Wir sind das einzige Land in Europa ohne Tempolimit und führen die Debatte darüber mit ähnlichem Erfolg wie die USA die Debatte über Einschränkungen beim Waffenbesitz. Wir müssen allerdings spätestens jetzt einsehen, dass wir nicht mehr so weitermachen können. Es wäre schon ein Anfang, wenn wir uns vor jedem Fahrtantritt fragen, ob es unbedingt das Auto sein muss. Spoiler: Muss es nicht.

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Von Nico Lumma