Umstrittene Cum-Ex-Geschäfte: Früherer Bankenprüfer in...

Erst kürzlich war Hanno Berger gefragt worden, ob er sich der Anklage stellen werde, die vor dem Landgericht Wiesbaden gegen ihn vorliegt. „So weit sind wir noch nicht“,...

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WIESBADEN. Erst kürzlich war Hanno Berger gefragt worden, ob er sich der Anklage stellen werde, die vor dem Landgericht Wiesbaden gegen ihn vorliegt. „So weit sind wir noch nicht“, hat der 67-Jährige, der im Schweizer Exil lebt, dem Handelsblatt geantwortet. Denn er habe bis Ende August Zeit, auf die Vorwürfe zu reagieren, die in der jetzt zugestellten Anklageschrift festgehalten sind.

In Pastorenhaushalt aufgewachsen

Berger wuchs in einem Pastorenhaushalt auf, machte Abitur in Frankfurt, ging dann zur hessischen Finanzverwaltung, wo er zum Bankenprüfer aufstieg. Dort hat er vermutlich erlebt, wie begrenzt die Verdienstmöglichkeiten eines Beamten sind: Er wechselte die Seiten, wurde Anlageberater.

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Berger gilt als „Erfinder“ der Deals, die als Cum-Ex-Geschäfte Schlagzeilen gemacht haben. Bei denen im ganz großen Stil Aktien mit Dividende (Cum) gekauft wurden, um sie kurz nach dem Dividenden-Stichtag ohne Dividende (Ex) zu verkaufen. So konnte die Erstattung der Kapitalertragssteuer mehrmals beantragt werden. Schwere Steuerhinterziehung nennt das die Staatsanwaltschaft. Alles im Rahmen der Gesetze, hat Strippenzieher Berger im Gespräch mit dem Handelsblatt erwidert. Schließlich habe der Gesetzgeber selbst über Jahre und mehrfach eingeräumt, dass die doppelte Erstattung einer nur einmal abgeführten Kapitalertragssteuer beim Cum-Ex-Handel möglich sei. Und dass man das abstellen wolle.

Die Generalstaatsanwaltschat Frankfurt will insgesamt sechs Beschuldigte vor Gericht stellen, darunter auch Banker aus London. Ein siebter ist bereits verstorben: Der Berliner Immobilienkaufmann Rafael Roth, dessen in Eppstein (Main-Taunus-Kreis) ansässiges Unternehmen die umstrittenen Aktiengeschäfte in Milliardenhöhe getätigt hat.

Auf Anraten Bergers und über die Hypovereinsbank (HVB) hatte Roth insgesamt 15 Milliarden Euro angelegt. Bei diesen Deals wurden ihm in nur drei Jahren – von 2006 bis 2008 – mehr als 107 Millionen Euro an Kapitalertragssteuer erstattet, dazu 5,9 Millionen Euro Solidaritätszuschlag. Für die Geschäfte wurde ein britisches Broker-Unternehmen zwischengeschaltet. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass sich Roths Financial Enterprises GmbH und die HVB die Beute teilten: 35 Prozent für den Unternehmer, der Rest blieb bei der Bank.

Bisweilen sei die Kapitalertragssteuer nicht nur zwei Mal erstattet worden, sondern drei oder sogar acht Mal. Das hat Berger selbst offenbart. Ob das gerecht sei, hat ihn das Handelsblatt gefragt. „Es ist legal“, hat er geantwortet.

Schlecht führ ihn: Die HVB hat den laut Anklageschrift verursachten Steuerschaden zwischenzeitlich vollumfänglich erstattet. Man könnte das als Schuldeingeständnis werten. Und auch das Hessische Finanzgericht Kassel urteilte, Roth habe „arglistig gehandelt, um sich nicht gerechtfertigte Steuervorteile zu verschaffen“.

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Das Verfahren vor dem Wiesbadener Landgericht hat Modell-Charakter. Denn im Hintergrund wird in zahlreichen anderen Cum-Ex-Fällen ermittelt. Allein die hessische Finanzverwaltung verfolgt 32 Fälle missbräuchlicher Steuergestaltung, so Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) in einer Antwort auf Fragen der SPD-Landtagsfraktion. Zehn Verfahren seien abgeschlossen, 770 Millionen Euro zurückgezahlt. In 22 Verfahren dauerten die Prüfungen noch an. Dabei gehe es um ein Volumen von 300 bis 400 Millionen Euro.

Von Christoph Cuntz