Das sind die Hubschraubervideos der Ahrflut-Nacht

Die veröffentlichten Videos zeigen erschütternde Szenen aus der Katastrophennacht an der Ahr. Screenshot: VRM
© Screenshot: VRM

Erstmals sind Aufnahmen von Polizeihubschraubern aus der Katastrophennacht veröffentlicht worden. Wir zeigen die Videos und erklären, was Minister Lewentz dazu sagt.

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MAINZ. Es sind erschütternde Aufnahmen der Ahr-Flut, aufgenommen vom Polizei-Hubschrauber des Landes Rheinland-Pfalz am späten Abend im Juli 2021. Die Videos zeigen einsame Menschen auf Dächern ihrer Garage, im Dunkeln der Nacht, umschlossen von den wütenden Fluten der Ahr. Menschen, die verzweifelt mit Handys und Taschenlampen Notsignale an die Piloten absetzen, um vor dem immer weiter steigenden Wasserpegel gerettet zu werden. Autos, die mit angeschalteten Lichtern und Scheibenwischern im reißenden Strom untergehen. Am Dienstag hat das rheinland-pfälzische Innenministerium diese lange Zeit verschollenen Videos einem Tross von Journalisten erstmals öffentlich vorgeführt – in einer teils verpixelten Fassung, um die Persönlichkeitsrechte der im Video zu sehenden Menschen zu wahren.

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Um die insgesamt drei Videos hatte es in der vergangenen Woche großes Aufsehen gegeben. Die Aufnahmen waren aufgrund eines internen Dokumentationsfehlers der Polizei mehr als 14 Monate in den Archiven der Behörden verschwunden. Nur ein Beweisantrag des Untersuchungsausschusses des Landtags förderte die Videos im September wieder zutage. Seitdem werden die Aufnahmen zum Problem für Innenminister Roger Lewentz (SPD).

Der Innenminister steht als oberster Katastrophenschützer des Landes seit Wochen in der Kritik, die politische Verantwortung für die Fehler auf Landesebene rund um die Ahr-Flut zu tragen. Bislang hatte sich Lewentz in seinen beiden Vernehmungen im U-Ausschuss, im April und im September, stets damit verteidigt, während der laufenden Flut weder belastbare Informationen von der Situation vor Ort gehabt zu haben noch ein vollständiges Lagebild. Am Tag der Ahr-Flut waren auch andere rheinland-pfälzische Kreise von starkem Hochwasser betroffen. Lewentz selbst gab an, in dieser Zeit den Schwerpunkt eher im Eifel-Raum gesehen zu haben statt an der Ahr. All diese Argumente scheinen aber nun durch die neuen Hubschraubervideos in sich zusammenzubrechen.

Lewentz: Aufnahmen zeigen nur ein starkes Hochwasser

Die Luftaufnahmen dokumentieren, wie flussabwärts der Ahr über mehrere Kilometer unzählige mehrstöckige Häuser, ganze Dörfer, bis unter die Regenrinne unter Wasser stehen. Lewentz selbst räumte bei dem Pressegespräch am Dienstag ein, dass ihn noch vor Zu-Bett-Gehen in der Flutnacht die mündlichen Schilderungen der Piloten über das Ausmaß der Situation an der Ahr erreicht hatten. Er wusste somit, dass Menschen in Todesangst Lichtzeichen an Piloten abgesetzt hatten. Er wusste, dass kilometerweit Häuser bis unter die Dächer geflutet waren. Und er wusste auch aus vorherigen Schilderungen, dass in mindestens einem Dorf an der Ahr sechs Häuser eingestürzt waren und es womöglich Tote gegeben hatte. Auf die Frage, wieso er all diese Informationen nicht als vollständiges Lagebild bewertet hatte, antwortete Lewentz am Dienstag: „Ich wusste, dass das Hochwasser an der Ahr schlimmer werden würde als beim Jahrhunderthochwasser 2016, das war meine Ausgangslage.“ Die Schilderungen der Piloten hätten ihm diese Ausgangslage bestätigt. Mehr aber auch nicht. Lewentz: „Auch die Filmaufnahmen zeigen nur ein starkes Hochwasser.“ Aber keine Sturzflut.

Lewentz räumte zugleich ein, dass die Bewegtbilder einem nahegingen, führte aber auch an: „Das soll nicht gefühlskalt klingen, aber auf den Videos sieht man keine eingestürzten Häuser, keine Toten, keine verstopften Brücken, man sieht ein treibendes Auto, vielleicht einen Wohnwagen und ein paar Gastanks.“ Das sei nicht das ideale Lagebild, aufgrund dessen man in einer Nacht Entscheidungen treffen könne. Lewentz erklärte: „Auch dem Innenminister ist es dann nicht möglich, per Knopfdruck weitere Hubschrauber oder weitere Kräfte zu mobilisieren.“

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Allerdings verdichten sich nach Dienstag einmal mehr die Hinweise, dass das Innenministerium in den Stunden der Flut den Einsatzschwerpunkt vermutlich an der Ahr gesehen hatte – und nicht woanders im Land. Wie nämlich im Pressegespräch der Polizeipräsident der Hubschrauberstaffel, Christoph Semmelrogge, erklärte, habe sein Team vom Innenministerium um 23.58 Uhr die Order erhalten, sich für weitere Aufklärungsflüge über der Ahr bereitzuhalten – und eben nicht über der Eifel.